58× August: the childlike soul

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*Demetris Sicht *


Ich schnappte mir den Arm von Veira und zog sie in meine. Schnaubend spürte ich ihre Aggressionen gegenüber die Frau von Caius. Sie schlug am Anfang hart gegen meine Brust, bis sie diese lockerte. Ihre Tränen verschleierten ihre hübschen Augen. Ich löste eine Hand und wischte diese liebevoll weg. Sie sah mich einfach nur aus leeren Augen an. Die Wunden, welches innerlich zu heilen begannen, schienen noch immer zu bluten. Das Blut klebte an meinen Händen und doch schien es, als würde ich keinen Durst verlangen.
„Wir werden gehen!“ sagte ich stattdessen bestimmt.
„Ihr werdet nirgends hingehen, Demetri.“ überschlug nun Aro seine Laune auf die Situation.
„Ach wirklich, glaubt Ihr das?“ warf ich schlagfertig zurück.
„Ist diese Frau es wert uns zu hintergehen? Deine Familie?“
„Aro, Veira ist es wert. Ich kann nicht länger in einer Familie leben, die eine Mörderin unterbringt, die ein unschuldiges Kind ihre Eltern beraubte. Schaut sie doch an. Sie glaubte als Kind an die Fabelwesen, die wir erscheinen. Wir waren ihre Träume und die Geschichten, die ihre Mutter immer zu erzählen wagte. Sie war noch ein Kind, als sie ohne Eltern aufwuchs. Schön, dass sich Caius um das Problem kümmerte, aber selbst er warf sie nun weg, wie eine unbeliebte Puppe. Ich werde nicht zulassen, dass ihr sie verletzt. Ich werde...“
„Versprich nichts, was du nicht halten kannst? Eine Hand hält mich, die Andere lässt sie wieder los...“ wisperte die Rothaarige an meine Schultern.
Seufzend hielt ich ihren Hinterkopf fest und strich einige Male darüber. Ihre roten Augen erloschen und zurück kamen ihre grün-grauen. Ihr gehässiges Gesicht veränderte sich zu einem apathischen. Alec trat neben mir und musterte die junge Dame. Selbst seine Gabe schien ihren Schmerz nicht verschlingen zu können und der Schmerz den Jane bringen würde, hatte sie schon erlebt. Sie wirkte in meinen Armen wie ein verlorenes Wrack. Die Sehnsucht nach ihrer eigenen Familie, die sie nie wieder sehen würde.
„Deme, Trauer wird Wut, wenn alle Tränen geweint sind. Ich habe noch nie ein Mensch gesehen, der so viel Leere zugleich Schmerz in sich trägt. Eine Mischung, die entweder selbstzerstörerisch oder motivierend ist. Wenn sie irgendwas für ihre Seele braucht, sage mir Bescheid. Eine kindliche Seele im Körper eines Erwachsenen war immer schon eine gute Kombination. Doch nun solltet ihr wirklich gehen und wenn ich dir einen Tipp geben kann...“
Ich sah den kleinen Vampir an, der mir munter zu lächelte.
„Bring sie heim, an jenem Ort, der ihr schon immer mehr bedeutet hatte. Egal, was sie sagen wird, es würde ihr bestimmt gut tun. Menschen um sie herum zu haben, die sie nicht alleine lassen. Was sie erfahren muss, ist Zusammenhalt in einer Familie.“
Auch er strich ihr sanft durch das starke rote Haar und küsste sie auf den Scheitel.
„Miss Midnight, es wird dir bald schon besser gehen!“
Während ich Veira Huckepack nahm, stellte sich Alec vor den Anführer und zeigte ihnen, dass sie die Sache nicht noch schlimmer machen sollten.
„Jetzt kann sie sich noch kontrollieren, aber ich weiß nicht, wie es weiter gegangen wäre, wenn Deme nicht dabei gewesen wäre. Es wirkt auf mich, als würde Deme ein Ruhepol für sie sein. Macht das bitte nicht zunichte. Sie litt schon zu lange und zu oft.“
„Wahre Worte, Bruderherz und das für ein Menschlein.“ kommentierte Jane seine Worte.

Als ich mit ihr im Schlepptau wieder auf das Schiff ankam, zogen wir einige Blicke mehr auf uns.
„Deme, du hättest dich nicht einmischen brauchen...“
„Ich habe gesehen, wie reif du für diesen Kampf warst. Ich bin aus der Deckung raus gegangen um dich nicht an diesen Kampf – der nicht zählte – zu verlieren.“
Mia und Skadi kamen zu uns herangetreten und warfen mir irritierte Blicke zu.
„Ich dachte, du würdest bleiben?“ fragte Mia mit erhobener Braue.
Der Plan war gewesen, dass Veira mich zu dem Tor der Hölle marschieren lässt und mich im Schatten zurück in ein Vampir verwandeln würde. Anscheinend hatte sie einen anderen Plan verfolgen wollen und brach in die Residenz der Volturi ein. Um nur einmal das Gesicht ihres Alptraums zu sehen. Um nur einmal die Visage von Athenodora gründlich zu polieren. Sie handelte provokant und weniger nachdenklich. So war sie nicht, ganz und gar nicht. Sie verfolgte immer eine Idee und diese Gegebenheit war impulsiv.
„Planänderung!“
„Oh, und wieso?“
Veira verzog sich wütend in ihre Kajüte unter Deck und ließ mir die Sache in Ruhe erklären. Mia und Skadi schienen meinen Worten kaum Glauben zu schenken. Sie ignorierte ebenfalls die Tatsache, dass ich aus der Tarnung ging und vorzeitig zum Verräter wurde. Nun waren sie auch noch gewarnt, dass Veira lebte und Athenodora Tod sehen wollte. Wie sie wohl da wieder herauskommen wollte? Doch nun war ich an der Reihe um sie wieder auf Vordermann zu bringen. Alec hatte recht, es gibt nur einen Ort, an dem sie sich sicher fühlte und Geborgenheit bekam.
„Wahnsinn, Veira trat ihrer Feindin in den Arsch, küsste davor ihren Mann. Exzellent, sie ist meine Heldin.“ kicherte Mia euphorisch auf.
„Sie war ein richtiger Mensch?“ wollte nun auch Skadi wissen.
„Ja. Sie hätte nur noch das Herz herausreißen müssen...“ stimmte Mia erneut in die Unterhaltung ein.
„Ich werde zu ihr gehen, vielleicht braucht sie etwas!“
Skadi hielt mich auf, in dem sie meinen Arm festhielt und schüttelte bedächtig den Kopf.
„Lass sie lieber mal alleine. Sie beruhigt sich schon wieder.“
„Andere Frage, wohin sollen wir nun segeln?“ formulierte die Schwester von Sam neugierig um.
„Zurück in eure Heimat. Ich denke, dort schöpft sie immer wieder Kraft und Ruhe. Sie braucht all das für den Endkampf.“
Mia kehrte zurück an das Steuer und heuerte ihre Kameraden an, die Arbeiten zu erledigen. Segel setzen. Schiff auslaufen lassen und Ladung sichern. Im ganzen Chaos blieb Skadi bei mir stehen und sah mich fragend an.
„Demetri, wieso habt Ihr euch nicht an ihren Plan gehalten?“
„Weil sie es auch nicht tat!“
Immer wenn ich mit Skadi sprach, waren die Wortgefechte kurz und prägnant.
„Und wenn sie dies genau sehen wollte; wie Ihr reagieren würde?“
„Dementsprechend wird sie nun wissen, dass ich ihr Loyalität schenke und keinem Clan, der mich nur braucht, wenn es ums Jagen geht.“
Ich lief ans Bug und sah wie wir aus dem Hafen laufen. Der Wind in meinen maskierten Gesicht vermochte mir ein gutes Gefühl zu schenken. Ich liebte es schon damals, als ich mit meinen Eltern hinaus auf die See schipperte. Ich stand immer hier und sah die Wellen, die Delphine unter mir zu wie sie uns den Weg zu zeigen schienen. All das was ich nun war, schien damals ebenso ein Märchen zu sein, wie das, an das ich mich nun erinnern würde. An meine Familie, an den Zusammenhalt und an meine kindliche Seele. Sie waren bei mir – meine Eltern – als ich an die Pest erkrankte und niemand mich heilen konnte. Die Pest war damals eine unheilbare Krankheit und würde sie wohl in dieser Jahrzehnt genauso unerschrocken kommen. Sie waren bei mir und steckten sich bei mir an. Leider starben sie vor mir und konnte sie nicht mehr heilen; als man mich zum Vampir rettete. Ich hatte nie eine Wahl und doch ersuchte ich Obhut bei Amun, meinem Mentor. Die Jahre bei ihm waren deutlich familiärer als die bei den Volturis. Ich wäre niemals von Amun gegangen, wenn Chelsea nicht gewesen wäre. Ich hätte so viel anders gemacht, wenn ich nur eine eigene Entscheidung in dieser Geschichte erweisen dürfte.
„Demetri, Ihr scheint in Erinnerungen zu schwelgen?“
„Ja, ich dachte gerade an meine Eltern zurück und wie es mir erging als sie nicht mehr bei mir waren. Auch wenn es nur kurz nach ihrem Tod auch meine… Nein, sie warteten all die Zeit auf mich. Sie suchten mich bestimmt an jenem Ort zu dem sie gekommen waren. Sie warteten auf ihren einzigen Knaben; unergründlich und hoffnungsvoll.“
Die Weißhaarige legte mir eine Hand auf die Schulter und lächelte mitfühlend.
„Wenn all das vorbei ist, werden wir all unsere Liebsten wieder sehen.“
„Ich hoffe es!“

Die MarionettenspielerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt