16× December: clarification needed

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„Veira, was ist auf der Reise passiert? Was verheimlichst du die ganze Zeit?“ gaben nun Jacob sowie Paul besorgt entgegen.
„Bitte setzt euch erst einmal.“

Gesagt, getan. Als Sam und die anderen sechs stehenden Leute sich einen Platz suchten, sahen sie mich nun abwartend und ungeduldig an. Mit einem langen Seufzer atmete ich die ersten Worte aus meinem Körper heraus und ich fühlte mich mit jedem laut ausgesprochenen Gedanken freier und geborgener.

„Es war nicht von mir geplant, dass ich genau an dem Tag wieder zurückkehre, als ich ohne Abschied von euch ging. Es tut mir wirklich leid, dass ich damals meinen Eltern folgte. Umso mehr brachte es mich vor wenigen Tagen zum Lächeln, als ich diese Verbindung festgestellt habe.“
„Paul, stimmt das?“ kam es von dem bis dato stillen Jared.
„Ja, sie kam an jenem Tag wieder hier an.“ bestätigte Paul meine Worte.
„Woher möchtest du das überhaupt wissen?“ schlussfolgerte Quil die Situation.
„Weil ich ihn im Flugzeug angerufen habe.“

Verletzt sah Embry kurz auf den massiven Holztisch und weichte allesamt Blicke von mir aus.

„Nun, als ich mit meinen Eltern in Orleans ankam, hielt sich mein Vater lange in deren Wälder auf und versuchte eine neue Heimat zu finden. In Frankreich fanden wir nie eine solche Heimat wie sie hier war. Jeden Tag mehr brach eine eisige Kühle über unsere Familie herein. Jede Nacht mehr verschwand mein Vater und kehrte erst im Morgengrauen zurück. Jeden Morgen mehr verstummte meine Mutter und erzählte mir keine Mythen über Menschen, die zu Wölfe, über Menschen, die unsterblich werden würden oder über Menschen, die bestimmte Gaben besitzen. Jede Nacht vergaß ich immer mehr die Legenden, die sie mir über La Push erzählten und deren Verbindungen zu den kalten Wesen.“

Mit leeren Blick in die Ferne erreichte ich die Erinnerung an diese Veränderungen. Tränen der Schuld bildeten sich, als mir bewusst wurde, dass wir aus einem geheimen Grund weiterziehen mussten.

„Wir verließen Orleans wieder. Zurückblickend erahnte ich dahinter eine Flucht und ein Versteck für etwas Kostbares.“
„Wovor sollte sich deine Familie gefürchtet haben?“ stellte Sam seine argwöhnische Frage.
„Nicht wovor, sondern vor wem. Meine Eltern hatten keine Furcht einen Gegner entgegen zu treten. Sie fürchteten sich um mein Wohlergehen. In vielen Nächten in der neuen Heimat auf der griechischen Insel Kea lauschte ich die abendlichen Gespräche meiner Eltern. Sie unterhielten sich über einen Pakt. Einen Pakt, den sie ungern annehmen würden und mit ihren Leben bezahlen würden. Einen Pakt um das einzige Kostbare in ihrem Leben zu schützen, dafür mussten sie mit ihren Blut bezahlen.“

Mit einem Hauch von Schweiß auf der Stirn dachte ich an jenem Abend zurück, als das Dünenhaus in Kea unter dem Last der Flammen unterging. An jenem Abend war von meiner Sicherheit nichts mehr da.

„Nach einem künstlich hervorgerufenen Brand des Strandhauses, wankte meine kleine sichere Welt und wir folgten den Ruf, der aus Italien kam. Cecina hieß bis zum Tag des jüngsten Gerichts untere Heimat. Das Städtchen am Meer war so voller Leben, so voller Besonderheiten und so voller Leichtigkeit. Paul, irgendwann möchte ich wieder dorthin.“ erzählte ich mit einem Lodern in den Augen und einem brennenden Stimme.
„Ich würde gerne dieses Örtchen mit dir gemeinsam ansehen.“

Nach einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, nahm er meine Hand in die seine.

„Nach einem Jahr gelungener Flucht, verlor sich das Glück mit einem Mal. In dieser Stadt verloren meine Eltern das Leben, welches sie mühsam aufgebaut hatten, welches sie mit ihrer glanzvollen Flucht schützen wollten und welches sie sich für mich erarbeitet hatten. Diese Notlüge, die ich Grandma Ruth gab, tat ich nicht um ihr etwas vorzumachen, sondern um mich zu täuschen. Die kulturellen Reise, die verschiedenen Örtlichkeiten und all die schnelllebige Veränderung ließ mich nicht mehr so oft an La Push denken, wie ich versuchte zu denken. Die Notlüge, dass meine Eltern nicht nachkommen würden, war nur der bittere Nachgeschmack von dem Gefühl und die Tragik, dass sie es nicht mehr können.“ endete ich mit einer verlorenen Träne.
„Wieso hast du mir das nicht schon am Anfang erzählt?“ fragte Paul nicht vorwurfsvoll.
„Ich wollte dich nicht beunruhigen. Ich kämpfte mit dem Tod meiner Eltern bereits seit dem Frühjahr und glaube mir, ich gab mir mit dem Statement, dass sie sich selbst umbrachten nicht zufrieden. Mit meinem Umzug nach Volterra beschwor ich Mächte mit meiner Suche nach dem wahren Grund. Bis zu jenem Tag als ich die Rückkehr in die Wege eingeleitet habe. Paul, es tut mir leid, ich… ich...“

Die MarionettenspielerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt