40× June: common cause

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„Wenn ich wieder zurück bin, will ich aber Antworten.“ meinte ich euphorisch.
„Ich verspreche es dir.“ hauchte Florentyna mir entgegen.

Seither wanderte ich durch Forks und hatte eigentlich keinen Dunst was ich anstellen konnte. Daher nahm ich wohl den nächsten Bus und fuhr ins Reservat; bedacht darauf, dass der lavendelfarbene Faden immer noch bestünde. Seit einer Woche hatte ich mich dort nicht blicken lassen. Womöglich glaubten auch sie ich hätte sie wieder einmal hinter mir gelassen. Mit Musik im Ohr sah ich die vorbeiziehende Landschaft an. In mitten einer dichten Waldstraße, sah ich etwas Undurchlässiges.

Im Reservat angekommen, stürmte ich ohne zu klopfen in das Haus von Embry und zog ihn in eine feste Umarmung.

„Veira, was machst du hier? Ich dachte, du bist wieder über alle Berge.“
„Hör mal, ihr habt mir eine Woche Bedenkzeit gegeben. Und ich möchte doch nicht mehr vor allem weglaufen. Daher habe ich Caius darum gebeten, länger hier zu bleiben.“
„Er ist auch noch hier!?“ fragte der Schwarzhaarige mit einem genervten Ton.
„Was hast du gegen ihn?“ verlangte ich skeptisch zu wissen.
„Vampire sind nicht gut für die Menschen. Ich will nicht wissen, wie viele Menschen er umgebracht hat. Ich will alles nicht wissen. Er ist das Monster und trennt dich von dieser Welt.“
„Nicht er trennt mich von deiner Welt. Ihr habt mich ausgeschlossen. Weißt du auch, dass Caius kein gutes Wort an Wölfe hat und dennoch kam bis heute keine Armee um euch niederzuzwingen. Caius ist ein verantwortungsbewusster Mann.“

Embry strich sich durch seinen kurzen Haare und sah immer wieder zu mir, während er durch die Wohnung lief. Kopfschüttelnd überlegte er seine nächsten Worte. Mit Bedacht schien er diese zu wählen und ich sollte verdammt sein, wenn ich ihn zuvor kommen würde. Als nach einigen Minuten der Stille nichts von ihm kam, nahm ich neben ihm platz und legte eine Hand auf seine. Ich führte diese auf den gewölbten Bauch und lächelte ihn mit einer Mischung aus Distanz und Nähe an.

„Embry, wie soll ich dir das nur erklären? Bitte, sei nicht eifersüchtig. Damals als ich meine Eltern verlor, hatte er sich aus der Ferne um mich gesorgt. Er gab mir Zuschüsse um die Schule zu finanzieren, auf die er mich lud, um die Pension zu bezahlen, in der ich untergekommen bin. Und ich weiß nicht, woher er das alles so genau wusste...“

Die junge Frau trug ihre Haare streng zu einem Ponytail und schminkte sich dezent. Paul schien dieses Mädchen zu kennen und wich ihren Blick aus. Fragwürdig besah ich mir die Situation und versuchte es zu ignorieren. Es wird schon andere Mädchen in der Vergangenheit gedatet haben, versuchte ich mich zu beruhigen. In diesem Moment wurde mir bewusst, warum er davon sah und vor allem wieso er ihr nicht einmal 'Auf Wiedersehen' sagen konnte. Ihre Augen – so gut ich mich auch erinnerte – lagen in einem sehr dunklen Zustand, welches ich bei einem Menschen noch nie gesehen hatte. Vermutlich gehörte sie zu einem der Scharen, die die Volturis mit sich brachten.

„Du wirst Unheil über uns bringen. Ich habe Bücher über alte Zeiten gelesen. Die Legenden und Mythen, über Achilles, Herkules, über die Magie der Vampire auf Menschen und über die Bedrohung durch die Gestaltwandler, die nur die Menschen beschützen . Aber ich sehe mich selbst eindeutig nicht als Legende. Ich frage mich so oft, wohin ich möchte und was ich riskieren sollte. All das gabst du mir in diesem Ultimatum zu verstehen. Verdammt, ich war nie auf der Suche nach einer Frau mit kleiner übermenschlichen Fähigkeiten. Ich bin kein Superheld oder auch kein märchenhafter Prinz. Ich suchte nur jemand, dem ich mich zuwenden konnte, jemand, den ich küssen kann ohne im Hinterkopf zu haben, dass sie einen anderen versprochen war. Du wolltest immer eine Beziehung haben und du bekamst sie auch durch langes Kämpfen. Paul war nicht der Mann, den ich für dich niemals gönnenswert betrachtet habe. Er hatte dich benutzt um eine Wette zu gewinnen. Er hatte sich noch nicht einmal entschuldigt.“
„Meine Vergangenheit ruht auf einem Friedhof tief in mir. Embry, du weißt, wer dein Vater ist und ich bin schwanger von dir, zählt das den nicht?“ verzweifelte ich an diesen Sätzen.
„Und ich weiß zu schätzen, dass ich jetzt weiß, wer mein Vater ist. Er hat jedoch all die Jahre Haus an Haus zu seinem Sohn gewohnt und dennoch nicht für nötig erachtet, dass ich hier auf ihn warte. Weißt du, was das primitivste war? Ich wollte immer einen solchen Vater wie er zu Paul war. Ich sah immer aus diesem einen Fenster und konnte Beide jeden Tag im Garten beobachten. Vielleicht war das kein Gefühl des Neides sondern Eifersucht. Und Veira, umso schöner ist es, dass du mir nach so vielen Jahren erhalten geblieben bist. Wir hatten uns, all die Zeit und wollten uns eintauschen. Es tut mir leid...“

Verwirrter als zuvor ließ er mich auf der Couch zurück. Er ging zur Haustür und verließ dieses. Mürrisch und übel gelaunt sah ich ihm hinterher. Nachdenklich, ob ich was falsch gemacht hatte, stand ich auf und wollte die Tür öffnen, als diese bereits von außen geöffnet wurde.

„Boaaah, Embry, was sollte das? Erst Abhauen und dann wieder kommen...“
„Beruhig dich, Veira, ich bin es.“

Als ich in die Augen von Paul sah, bekam ich ein dicken Kloß in den Hals. Augenverdrehend ging ich einige Schritte zurück.

„Was willst du hier?“
„Ich habe nach dir gesucht. Komm, steig ins Auto. Ich lade dich zu einem Kaffee ein.“ sagte er gefasst.
„Und wenn ich nicht möchte?“
„Wird dir nichts anderes übrig bleiben, meine Liebe.“ lächelte er kurz auf.

Keine fünf Minuten später saß ich in seinem Auto. Irgendwie war das an jenem Tag deutlich komisch. Embry glich wie Paul. Paul glich wie Embry. Was geht hier nur vor? Vorsichtig besah ich mir Paul an und mir viel hunderte Gründe ein, warum ich ihn liebte. Er hatte recht, dass ich die Trauer nicht zu ließ und mich immer mehr ablenkte. Die Probleme schwammen immer auf der Wasseroberfläche.

Als wir an einem Strand ankamen, stieg er aus, kam um das Auto herum und öffnete mir die Tür. Als er diese hinter mir schloss, öffnete er den Kofferraum und nahm die Picknick-Kiste heraus.

„Ich dachte, wir haben so was schon lange nicht mehr gemacht!“
„Was ist los? Paul, du hast dich auf Rachel geprägt? Ich bin verwirrt!“
„Deswegen hatte ich Embry darum gebeten, dass er sich bei mir melden sollte, wenn du bei ihm erscheinst. Ich muss mit dir über Dinge reden, die ich nicht so offen preisgeben möchte.“

Er nahm meine Hand und führte mich in eine abgelegene Bucht, von dort aus sah der Horizont in einem wundervollen blau hervor. Zum ersten Mal war der Himmel hier nicht grau, sondern wolkenlos und hellblau. Die Sonne brannte herunter, als wären wir in Italien.

Er ließ nicht einmal die Hand los, als er die Decke mit einem Wischer aus der Kiste nahm und hinlegte. Mit einigen Nachbearbeitungen setzten wir uns hin und sahen die Wellen zu. Das Glitzern, welches die Sonne durch das Wasser brechen ließ, verzauberte mich.

Die MarionettenspielerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt