29× December: the inconspicuous guest

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*Veiras Sicht*

Schlaftrunken wachte ich nach meinen Gefühlen zu urteilen einige Tage später auf, wobei es sicher nur einige Stunden seit meinem Absturz vergangen waren. Ich konnte mich nur noch an rote Augen erinnern, ehe ich in einen ziemlich robusten und verkaterten Schlaf entfiel. Mein Kopf dröhnte in hohen Maß und ich glaubte, es war strenger als der Morgen danach vom Abend in Seattle. Mürrisch gestimmt zog ich mich an dem edlen Bett hinauf und versuchte schnell möglichst einen Halt im Rücken- und Kopfbereich zu erhaschen. Mit einem Schwindelgefühl geplagt, versuchte ich auszumachen, wo ich mich befand.

Die Wände teilten sich aus weißer Farbe und Naturholz. Vom Bett aus, konnte man durch eine verglaste Wand das Innere des Badezimmers sehen, während die Dusche mit einem feinen Milchglas versehen war. Zwischen Bett und dem in die Wand eingebautem TV-Schrank lag ein schneeweißes ovalförmiges Jacuzzi. Links befand sich eine Tür, die meiner Meinung zum Flur hinausging. Rechts befand sich ein großes Fenster, welches zur Dachterrasse führte. Stutzig sah ich auf die rechte Seite und beäugte ein Tablett mit Orangensaft und eine Schmerztablette.

Langsam realisierte ich, dass ich mich in ein schickes Hotelzimmer befand und bemerkte rasch, dass ich dennoch immer noch im Hochzeitskleid auf dem Bett lag. Fragend versuchte ich die Gedanken, der letzten Situation zu verdrängen, ehe ich dennoch zu weinen begann. Immer mehr Tränen kullerten aus meinen Augen und ich versuchte sie ohne Erfolg abzulenken. Der Kopf pochte weiter, je mehr ich mir die Augen rieb. Als ich mich noch einsamer fühlte und gar kein Wort mehr heraussprechen konnte, wurde die Tür geöffnet. Voller Neugierde sah ich mit tränenverschleierten Augen zur eingetretenen Person.

Die Sprache verschwand aus meiner Kehle und nicht einmal das Geräusch des hektischen Weinens kam mehr über meine Lippen. Sämtliche Farben entglitten aus meinem Gesicht, als ich die Person neben mir erkannte. Heftiges Grübeln entfiel mir, als ich mit einem Mal bemerkte, wer mich von dem alkoholischen Absturz bewahrt hatte.

„Du?“ stockte ich mit einem leisen Stimmchen.
„Du solltest es doch besser wissen, dass ich dich nie ganz aus den Augen gelassen habe, oder?“

Der Mann, der wesentlich jünger aussah als er in Wirklichkeit war, trat zu mir und zog mich auf dem Bett in eine feste Umarmung. Reuevoll und sorgend half die Umarmung zwar, jedoch wimmerte ich auch allmählich in sein schwarzen Mantel. So vergingen die Tage und die Nächte. Immer wieder wachte ich auf und bekam ein Heulkrampf nacheinander. Immer wieder bekam ich schlechte Träume von der Hochzeit und das Paul vor meinem Gesicht Rachel heiraten würde. Horrorszenarien, die es unmöglich machten, mich wieder einigermaßen einzugliedern.

„Hast du die Informationen, dass ich mich kurz entschlossen in eine Pension absetze, an deinen Anführer weiter gegeben?“
„Veira, gewiss, es tut mir für dieses Zinnober wirklich Leid, aber ich muss gehorsam sein. Bei Amun wäre dies zu einem solchen Unterfangen nie gekommen; aber wenn sie sich was eingebildet haben, dann nehmen Sie alle Hürden auf sich um denjenigen bei sich zu behalten. Chelsea wollte dich sogar bei uns behalten, aber anscheinend war deine Liebe zu groß für ihre Gabe.“
„Wärst du aber bei Amun geblieben, wären wir uns nie begegnet.“ säuselte ich ihm entgegen.
„Da magst du wohl Recht haben. Womöglich wärst du mir irgendwann zwischen die Zähne gekommen…“

Nun lag eine Woche zurück und der Mann besorgte mir auch all die umfassenden Angelegenheiten um die ich ihn gebeten hatte. Liebevoll sah ich zu, wie er mit einigen Dingen von mir im Schlepptau zurückkam.

„Du solltest wenigstens jemand einweihen, die suchen schon alle nach dir. Es war leicht in das Haus zu kommen, aber gesehen zu werden, war schwieriger.“

Ohne groß darüber nachzudenken, schickte ich Embry eine SMS mit dem Inhalt:

>Embry, ich bin in guten Händen. Sag niemand, dass ich mit dir Kontakt aufgenommen habe. Treff mich heute Abend im Rivers Edge. Ich werde am Tisch 145 auf dich warten. Gruß V.<
„Ist er vertrauensvoll?“
„Ja, er ist der Einzige, den du in meine Nähe lassen kannst.“ willigte ich ein.
„Allerdings wäre es von Vorteil, wenn du üblichere Kleidung anziehst und nicht, dass hier…“

Der große und hagere Mann mit blasser leicht olivigem Hautton und kurzes dunkelblondes Haar lächelte mich an und deutete auf das verschmutzte Kleid. Es war alles aber nicht mehr weiß.

„Meine Sachen sind immer noch bei Paul!“ wisperte ich bei dem Namen.
„Ich verstehe, ich werde in der nächsten Woche deine Sachen von dort holen. Jedoch würde ich für den Anlass dies anziehen.“

Er holte eine Schachtel unter dem Bett hervor und überreichte sie mir. Überprüfend sah ich mir ihn und schließlich das große schwarze Behältnis an. Mit wechselhafter Stimmung öffnete ich dies und schlagartig vergrößerten sich meine Augen. Meine Lippen öffneten sich einen Spalt breit. Ohne Worte sah ich mir das wundervolle Kleid an, welches ungeniert schön aussah. Es war ein schwarzes A-Linien, rechtsliegendes Schulter-Chiffon-Kleid; dessen Glitzersteinchen im Taillenbereich ein Hingucker war. Dazu lagen in derselben Farbe passende zehn Zentimeter Stöckelschuhe  aus Wildleder mit Riemen bis zum Knöchelzweig dazu.

„Demetri, du spinnst.“
„Gewiss, es dient alles nur um deine Rückkehr zu versichern.“
„Also haben sie ihre beste Schnüffelnase ausgesandt um für mich Babysitter zu spielen?“

Mein Kopf legte sich auf die Seite, bevor ich seine Reaktion wahrnehmen konnte, schüttelte er nur den Kopf und schupste mich an.

„Danke für das Kompliment, oder hätten sie Felix schicken sollen?“ flüsterte er mir gespielt bedrohlich ins Ohr.
„Definitiv nicht, du passt schon perfekt; obwohl Alec doch auch ein guter Umgang für mich wäre.“
„Als würde Jane ihn alleine auf eine Mission gehen lassen.“ belächelte er die Situation.
„Als würdest du das auch sagen, wenn sie daneben stehen würde.“ kicherte ich los.
„Sagt diejenige, die noch nie ihre schmerzhaften Blicke auf sich ruhen hatte. Bei ihr bekommt das Sprichwort: wenn Blicke töten könnten, eine ganz neue Bedeutung.“ verzog er seine Lippen erinnerungsvoll.
„Eines musst du mir noch sagen, wenn du all die Zeit in meiner Nähe warst, wie kommt es, dass du mich nie aufgesucht hast?“
„Auch hier hatte ich Befehle, meine Liebe. Statusbericht alle zwei Tage. Glaub mir, als ich ihnen die Geschichte von Seattle erzählt hatte…“
„Welche Geschichte?“ fragte ich fordernder nach.
„In der du vergewaltigt wurdest…“
„Ok, das wird die Lücke an jenem Abend bedeuten.“
„Paul hat dich aus diesem Schlamassel geholt und ich kümmerte mich um die zwei Scharlatane. Ihr Blut schmeckte genauso widerlich wie sie zu dir waren. An jenem Abend hatte ich Caius am Hörer und glaube mir, er war nicht sonderlich erpicht dies zu hören. Der sonst gelassene Caius würde nie die Existenz der Vampire preisgeben, aber in jener Stunde wäre er hierher gekommen; nur um nach dir zu sehen.“ schlussfolgerte er heraus.

Ich zog das Outfit an, welches Demetri mir gekauft hatte und schlenderte hinunter zum Eingang. Glücklicherweise schien ein Taxi unten auf mich zu warten und rechnete mich am Ankunftsrestaurant nicht einmal ab. Vermutlich würde es wie ich herausfand Caius, der Finanzvampir bezahlen; so wie alles, was ich in den letzten Jahren bekam.

Mit einem weiteren Seufzer lief ich in das Restaurant und setzte mich in die Ecke in dem der Tisch 145 stand. Ich wartete so auf Embry, während ich versuchte von niemand erkannt zu werden. Als eine Hand aus meine Schulter gelegt wurde, fuhr ich panisch herum.

Die MarionettenspielerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt