11× November: Bella

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* Bella's Sicht *

Lange sah ich dieses Szenario mit und schüttelte immer wieder den Kopf. Zunächst hielt ich erschrocken von der Tatsache, dass sie mir ihre Tasche entgegen schmiss und sich den Fremden entgegen trat als wäre sie achtzehn. Insgeheim hoffte ich auch, dass ich nie so waghalsig reagieren würde, wenn ich verlassen werden würde. Wenn der Mann - die Liebe meines Lebens - mich ignorieren und mir das Gefühl geben würde, dass ich ihm nichts mehr bedeute. Wenn der Mann, den ich offensichtlich liebte, kein Interesse an einer weiteren Begegnung hätte.

Lange dachte ich über dieses Bild auf der Tanzfläche nach, wie die beiden Kerle sich an ihr ran schmissen und ihr Schnäpse verabreichten, obwohl sie noch lange keine achtzehn war. Angeekelt dachte ich, ob ich dazwischen gehen sollte. Allerdings würden sie immer wieder die Aufmerksamkeit der betrunkenen Veira bekommen. Nichtsdestoweniger verschwand ich kurz mit der Hoffnung im Hinterkopf, dass sie noch dort vorzufinden wären, solange ich mich im Raucherbereich niederließ.

Prompt suchte ich in der kleinen Designerhandtasche nach dem Handy von Veira. Keine Sekunden später erwischte ich dies und wählte mich mit ihrem Pin hinein. Ich ging die Telefonliste durch und stöberte die Namen durch. Viele Nummern gab es nicht: Alec, Bella, Billy, Dimitri, Jacob, Paul. Alec und Dimitri vermutete ich einfach als Freunde aus ihrem ehemaligen Wohnort. Billy und Jacob ? Hatte sie mir nicht erzählt, dass sie eigentlich ein Onkel und einen Cousin aus La Push hatte? Und Paul? Ich ließ meine letzten wachen Gehirnzellen meine imaginären Schubläden durchforsten. Ehe ich einfach die Nummer wählte, in der Hoffnung; er wäre noch nicht im Bett.

„Paul." sprach die männliche Stimme mehr kühl als warmherzig.

Die Stimme klang nicht nach dem, was mir Veira erzählt hatte. Vielleicht sollte ich ihm nichts davon sagen? Was sollte er tun? Mit einem Verhalten - wie er sich die letzten Wochen gab - würde, er schließlich nicht in ein Auto springen und die drei Stunden nach Seattle fahren. Was hatte ich nur dabei gedacht? Was hatte ich mir nur mit diesem Telefonat erhofft? Ich wollte in jenem Moment schon sagen, ich hätte mich in der Nummer geirrt, als eine Art Sinneswechsel bei ihm stattfand.

„Veira, wenn du nicht mit mir reden willst, warum rufst du mich mitten in der Nacht an?" fragte er etwas plump.

„Ich bin nicht Veira. Ich bin Bella."

„Bella? Bella Swan!"

Ich hatte das Gefühl, er würde nicht in meiner Richtung nachfragen. Irritiert über sein Verhalten versuchte ich einfach das Beste aus dem Telefonat zu machen.

„Wo ist Veira?" überging er die Stille mit einem scharfen Unterton.

Ich seufzte kurz auf und verstand seine Stimmungswechsel nicht. Womöglich verstand noch nicht mal Veira dieses einmal liebevoll und auf der anderen Seite garstig.

„Wie soll ich sagen?" sortierte ich meine Worte um.

„Bella, wo ist Veira?"

Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass er sich um die Rothaarige sorgte. Seine Stimme klang immer noch scharf, aber nicht mehr gefühllos und zu einem Hang der Interesselosigkeit. In dieser Stimme schwang so viel mehr mit als nur die Ablehnung ihrer Person.

„Wir feiern ihren Geburtstag hinein. Ich rufe nicht in ihrem Auftrag an."

„Sie wird siebzehn. Sie ist alt genug." bekräftigte er seine Worte mit einem Hauch von Selbstschutz.

Genervt verdrehte ich meine Augen und verschwand mit ihm am Ohr wieder hinein. Während des Gesprächs öffnete ich die Video-App. So bald ich Veira auf meiner Sicht hatte, filmte ich diese Szene und hoffte innerlich, dass sich Paul nun verantwortlich dafür machte. Keine Minute später kehrte ich wieder heraus und schickte ihm dies über die angesagteste App: WhatsUp.

Als ich nur noch ein Schnaufen hörte, vermutete ich, dass er eher angeekelt sein musste und sie weiterhin von sich abstoßen würde.

„Wo ist diese Party?"

Seine Stimme klang nun nicht mehr garstig, eher gezürnt; in seinem Stolz kränkend.

„Seattle."

„Ihr konntet euch alle Städte aussuchen. Warum ausgerechnet Seattle?" murrte er fiebrig.

„Hast du vielleicht auch nur mal eine Sekunde daran gedacht, dass du sie mit deinem Verhalten verletzt? Und spare deine Ausreden. Es geht nicht darum, dass du keine Zeit hast. Jeder von uns hat vierundzwanzig Stunden pro Tag. Wenn etwas oder jemand wichtig ist, dann findet man immer Zeit. Ich weiß nicht, was zwischen euch widerfahren ist oder auch nicht, wenn du nicht hier bist ehe etwas Furchtbares geschieht, werde ich sie nie wieder auch nur ansatzweise in deine Nähe lassen. Wer kann dir schon wichtiger sein, als die Frau, die du allen Anschein nach liebst?" maulte ich in den Hörer, bevor ich impulsiv auflegte.

Ich wollte wieder zurück als das Handy sich bemerkbar machte. Ich ging wieder heran und wollte mich für den Tonfall entschuldigen, als er mir dazwischen funkte.

„Halt Veira hin. Ich fahre jetzt los."

Mit diesen Worten legte er einfach auf. Mit einem Gefühl der Verwirrung stand ich auf der Treppe und besah mir das Handy. Wie um Himmelswillen konnte dieser Mann nur so unberechenbar sein?

Die MarionettenspielerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt