13× November: the morning after

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* Veira's Sicht *

Ich wurde durch eine direkte Sonneneingebung wach. Als ich mich aufsetzen wollte, durchfuhr mir ein Schmerz, den ich versuchte mit der Hand zu bändigen. Mürrisch gelaunt kniff ich meine Augen zu und versteckte mich unter der Bettdecke. Dies wirkte sich noch schmerzhafter auf meinem Kopf auf und ließ mich schlussendlich doch wieder von der Sonne bescheinen. Was hatte ich nur getan? Wo war ich hier nur? In meinem Zimmer in der Pension sah es deutlich anders aus. Ich kannte diesen Ort allerdings. Es gab mir so viel Gewohnheit, Sicherheit und vor allem Geborgenheit. Ich besah mich die Wände an und lächelte sanft auf. Was geschah in der vergangenen Nacht, dass ich nun wohl bei Paul nächtigen musste? Bei dem Mann, der mich seit vier Wochen aus seinem Leben erschlichen hatte. Wie sollte ich ihm nur entgegentreten? Wie konnte ich mir diese Situation zusammen reimen? Verwirrt ließ ich meinen Kopf wieder in die Kissen fallen und hielt ihn mit einer schmerzverzerrten Grimasse.

Als die Tür langsam geöffnet wurde, bemühte ich mich eins zu eins zu verhalten als würde ich schlafen. Ich dämmte meine Atmung ein und kniff leicht meine Lider entgegen. Mein Körper ruhte mit der Decke bis zu dem Lippen auf mir. Kein Mucks ließ ich von mir ehe die Tür wieder geschlossen wurde. Die Matratze sank auf meine Seite ein. Keine Sekunde später strich mir jemand eine verlorene Haarsträhne aus dem Gesicht, die mir an der Nase kitzelte. Liebevoll streichelte er mir über meinen Kopf, bevor ich mich versah, öffnete ich neugierig die Augen.

„War klar, dass du nicht mehr schläfst.“

Das strahlende Lächeln von Paul kam mir entgegen. Seine Hand ruhte immer noch auf meinem Hinterkopf.

„Was mache ich hier?“ flüsterte ich ihm zu.
„An was kannst du dich noch erinnern?“ versandt er seine eigene Rückfrage.

Mein Blick richtete sich auf das Kissen, ehe ich mich darauf konzentrierte, was ich am Vorabend erlebte. Außer gnadenlose Kopfschmerzen kamen mir nur Brüche entgegen.

„Ich weiß, dass ich mit Bella feiern war und zwei Kerle mir immer wieder Alkohol bestellt hatten. Danach weiß ich nichts mehr.“ äußerte ich mich reuevoll.
„Bella hat mich angerufen, weil sie nicht wusste, wie sie dich wieder in das Auto bringen könnte. Nachdem sie mir die Meinung geigte, hatte ich mich verantwortlich für dein Zustand gemacht.“
„Du bist drei Stunden gefahren, nur um dein schlechtes Gewissen zu beenden?“

Meine Blicke richteten sich abermals in Richtung dem Kissen. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Zu sehr tat mir das weh, was er in meinem Gedanken sagen würde. Ich wollte die Wahrheit nicht hören, dass ich ihm egal war, dass ich ihm nichts mehr bedeutete.

„Um ehrlich zu sein: ich habe mich verantwortlich für deine Situation gemacht. Ich hatte Angst, dich zu verlieren. Ich bin die drei Stunden zu dir gefahren, nicht um irgendein schlechtes Gewissen zu beseitigen, sondern um dich in Sicherheit zu wissen. Veira,...“

Seine Hand legte er unter mein Kinn und erhob diesen, sodass ich ihn ansehen musste.

„… ich hätte mir nie verziehen, wenn dir etwas zugestoßen wäre. Ich ging auf Distanz mit dir, weil ich dich mit meinem Gefühlsausbrüchen nicht schaden wollte. Umso mehr stellte ich fest, ich schade dich mit dieser Handlung mehr. Mit dem Anruf von Bella, wurde mir klar, dass ich dich in meinem Leben brauche und ich würde keine Sekunde länger ruhig sitzen können, wenn du irgendwann neben einen anderen Mann aufwachen würdest. Nur weil ich dir gegenüber nicht ehrlich war.“
„Dann sag mir bitte, wieso du seit ich wieder hier bin, so viele Schwankungen hast?“
„Es gibt Themen über die ich nicht reden darf. Aber eines, werde ich dir demnächst sagen. Ich will nicht, dass du denkst, ich verheimliche dir etwas und du findest es raus. Ich möchte es dir schon noch selbst sagen. Im Moment geht es nicht. Kuriere dich erst einmal aus. Ich hab dir eine Schmerztablette und ein Glas Wasser mitgebracht.“

Mit einem zarten Kuss auf die Stirn wollte er mich wieder im Zimmer zurücklassen. Rasch zog ich meine Hand aus der Decke und umklammerte ihn. Mit einem überraschenden Rückzug fiel er über mich auf die freie Bettseite. Schmunzelnd richtete ich mich zu ihm. Meine Unterlippe verzog ich nach vorne. Meine Augen vergrößerte ich verspielt. Ich setzte den süßen Hundeblick gegen ihn ein. Kopfschüttelnd ließ er seine Hausschuhe vor das Bett fallen und kam unter meine Decke. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und ruhte meine eine Hand auf seinen wohlgeformten Oberkörper.

„Danke.“ grummelte ich in seinen Six-Pack hinein.
„Immer wieder gerne. Weißt du, Veira, ich habe nächtelang gehofft, dass du wieder zurückkommst, dass du wieder neben mir liegst, dass du wieder mit mir sprichst und dass du mir deine Nähe schenkst. Ich hätte wohl ewig auf dich gewartet.“
„Wie ein Vampir?“ hauchte ich schläfrig.
„Wohl eher wie ein räudiger Köder am Bahngleis.“ gab er nachdenklich zurück.
„Paul, du bist alles aber sicherlich nicht räudig.“

Ich küsste ihn auf die Brust und genoss seine Körperwärme.

„Schön, wenn du das so siehst.“
„Glücklicherweise gibt es schließlich keine Vampire.“ sagte ich schlaftrunken.

Ein leises Seufzer nahm ich noch wahr, ehe ich friedlich in meine Träume hinabsinken konnte.

Die MarionettenspielerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt