Zufluchtsort

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Als Fred die Tür öffnet, bietet sich ihm ein Anblick, mit dem er um kurz nach Mitternacht sicher nicht gerechnet hat. Archie, regennass, verschwitzt. Ich, blutend, halb nackt und so stark zitternd, dass kleine Regentröpfchen aus meinen Haaren in alle Richtungen fliegen. Er fragt nicht, was passiert ist. Er holt uns ins Haus und gibt klare Anweisungen.

„Geh nach oben und hol frische Klamotten", weist er Archie an, „und Handtücher. Und den Verbandskasten aus dem Bad."

Archie hetzt, dankbar über das fehlende Verhör, die Treppe hinauf.
„Wo ist mein Dad?", frage ich weinerlich.

„Mit Jughead bei Pop's. Sie helfen beim Aufräumen", antwortet Fred und führt mich behutsam zur Couch. Ich nehme den Shirtrest von meiner Wunde und lasse meinen Schock nur zu, weil ich Freds Entsetzen sehe. Es ist etwas Schlimmes. Etwas, das ich nicht verdient habe. Etwas brutales, gewaltsames. Es ist mein gutes Recht, Schmerzen zu haben, auch wenn ich sie nicht die Oberhand gewinnen lassen will.

„Ich rufe FP an und dann desinfiziere ich das", bietet er mir an. Ich nicke. Stille Tränen rollen über meine Wangen. Archie kommt mir einem Stapel Klamotten ins Wohnzimmer und reicht mir ein Handtuch. Ich trockne mir das Gesicht und die Haare ab, wechsle von meiner Jeans in eine Jogginghose, die offenbar Jughead gehört, und wickle mich in eine Fleecedecke. Es hilft nicht gegen die Kälte, die bereits in meine Knochen gezogen ist.

„Ich koche Tee", sagt Archie, „und versuche, herauszufinden, wo Sweet Pea steckt."
Ich kann nur nicken, nichts sagen.

Fred verarztet meine Wunde mit verkniffenem Gesicht. Die Reste eines Tattoos, das ich nie wollte. Vielleicht ist das Schicksal. Vielleicht. Ich bin froh, als eine dicke Kompresse das Nichts verdeckt, das mir geblieben ist.

Als die Haustür aufgeschlossen wird, atme ich erleichtert aus. Fühlt sich an, als habe ich die ganze Zeit über die Luft angehalten. Erst jetzt, als Jug und FP hier sind, fühle ich mich völlig sicher. Auch wenn die Ghoulies uns ganz sicher nicht gefolgt sind, wenn sie mich hier nie finden würden, ... vielleicht ist es auch Sweet Peas Abwesenheit, die meine innere Unruhe verursacht.

„Was ist passiert?"
FP reißt mich förmlich in seine Arme, drückt mich an sich, als könne ich ihm jeden Moment wieder entrissen werden. Ich will keine großen Erklärungen abliefern. Archie übernimmt das.

„Seid ihr wahnsinnig?", es ist Fred, der zuerst reagiert. Wütend. Jughead und FP sagen nichts. Ihnen ist klar, warum ich nicht anders konnte. Das ich mich niemals anders entschieden hätte. Und FP macht sich Vorwürfe, weil Penny Rache genommen hat.

„Sie hätte es sowieso getan", will ich ihn beruhigen, „sie hätte nie lockergelassen."
„Ihr haltet euch von der Southside fern. Ihr alle. Die Ghoulies sind zu allem fähig. Das ist mein letztes Wort!"

Ein kleines Donnerwetter. Ein ernstgemeinter „Rat". Jug, Archie und ich geben uns Mühe, zu wirken, als würden wir die Worte befolgen. Als würden wir nicht im Hintergrund das genaue Gegenteil von dem planen, was unsere Väter von uns verlangen. Wenn sie davon wüssten, würden sie uns alle gemeinsam ins Kloster schicken. Nach der ganzen Aktion, wie auch immer sie ausgehen wird, gehe ich vermutlich freiwillig für ein paar Wochen zurück.

Ich übernachte auf der Couch, nachdem ich Toni angerufen und ihr erklärt habe, dass es mir gut geht und wir uns morgen bei Pop's zum Frühstück treffen können. Unter zwei Decken und in einem dicken Pulli von Archie friere ich noch immer, klappere fast mit den Zähnen. Mitten in der Nacht kommt Jughead die Treppe herunter und setzt sich neben mir auf den Boden.

„Kannst du nicht schlafen?", frage ich.
„Nein", antwortet er rau. Willkommen im Club.

„Hast du eine Ahnung, wo Sweet Pea steckt?", frag ruhig noch zwanzig Mal, Greta, darauf wird dir niemand eine Antwort geben können. Und solange besteht die Chance, dass die Ghoulies ihn haben.

„Nein. Vielleicht will er nur den Kopf freibekommen."
„Mhm."
Kann sein. Aber ohne handfeste Beweise ...

„Hör bitte auf, für ihn dein Leben zu riskieren."
Ich stütze den Kopf auf und sehe ihn im Halbdunkel an.

„Ich versuchs", sage ich, „versprechen kann ich nichts."

„Wir bereiten dieser Sache ein Ende."
„Ich weiß", ich habe es ja ein bisschen initiiert.
„Nicht in ein paar Wochen. Wir machen es morgen Nacht."

Die Wahrheit über Greta.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt