Am Ende des Weges

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Ich mache keine langen Lagebesprechungen. Die Trailertür ist verschlossen, aber ich bin außerordentlich begabt darin, Schlösser zu knacken. Ein kleines nützliches Überbleibsel meiner Kindheit. Veronica folgt mir, überrennt mich und befreit Archie in einer beachtlichen Geschwindigkeit. Ich stehe in der Tür und beobachte die beiden wohlwollend, wenn auch skeptisch. Es wäre um einiges einfacher, etwas zu erreichen, wenn wir nicht auf sie aufpassen müssten. Andererseits wären wir ohne sie kaum in der Lage, die Ghoulies in die Flucht zu schlagen.

„Du musst hier verschwinden!", Archie befiehlt es mir geradezu.

Diese Worte aus seinem Mund? Ich dachte, wir kämpfen Seite an Seite, zumindest hat es bisher diesen Anschein gemacht. Verwirrt sehe ich ihn an. Auch Veronica hebt die Augenbrauen.

„Wieso sollte ich?"
„Weil -"

Er kommt nicht dazu, den Satz zu vollenden. Die Tür des Nebenzimmers geht auf. So langsam, dass es nichts Gutes bedeuten kann. Nichts an dem hier ist gut. Ich drehe den Kopf und fast gleichzeitig stolpere ich zurück. Hinter mir sind drei schmale Metallstufen, die ich beinahe vollständig überspringe und unsanft auf dem Boden lande. Jemand greift mir von hinten unter die Arme und richtet mich wieder auf. Ich

habe so weiche Knie, dass die Hände mich weiter stützen müssen.

„Alles okay?"

Es ist Sweet Pea, der mich wahrscheinlich die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen hat. Er befindet sich außerhalb seines Blickfeldes, aber in einem Raum mit Archie und Veronica. Ich muss meine Angst überwinden, jetzt!, sonst ...

Sweet Pea lässt mich los, betritt den Trailer und sieht zu mir. Ich muss mich sammeln, auch wenn mir dafür nur Sekunden bleiben, dann erklimme ich die Stufen und straffe die Schultern, als hätte ich die Situation im Griff.
„Wer zum Teufel bist du?", frage ich. Black Hood. Ich schiebe mich betont langsam zwischen Archie und ihn. Er trägt eine schwarze Sturmmaske, Lederhandschuhe und eine Pistole im Hosenbund. Er antwortet mir nicht.
„Was willst du von mir?"
Keine Antwort. Stattdessen zieht er sich betont langsam die Maske vom Kopf. Die Einzige, die in einer wahrnehmbaren Weise reagiert, ist Veronica. Ihr Aufschrei erfüllt den gesamten Trailer. Ich stolpere erneut zurück, stoße gegen Archie, der mich festhält.

„Nein! Nein, nein ... nein, nein ..."
Sämtliche andere Worte, alles, alles in meinem Kopf ist mit einem Mal gelöscht. Unwiderruflich verschwunden. Leere. Nur er und ich. Alles um uns herum löst sich auf.

„Na, na, na", er legt den Kopf auf eine bedrohlich-unschuldige Weise schief, „sieht so Wiedersehensfreude aus?"
Ich muss mich übergeben. Es fühlt sich an, als müsse ich das.

„Überraschung, ich bin nicht tot", er nimmt die Pistole aus dem Hosenbund, „weißt du, Greta, Blut ist dicker als Wasser. Wir können wirklich froh sein, dass wir nicht miteinander verwandt sind."
Er zielt auf mich. Auf meine Brust. Er hält die Pistole so locker, als wiege sie kaum etwas und als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Okay, denke ich, schieß, dann habe ich es hinter mir. Es lief vielleicht schon die ganze Zeit auf diesen Moment hinaus. Ich habe niemanden getötet. Ich wollte, aber ich habe es nicht. Sogar daran bin ich im Endeffekt gescheitert. Archie umklammert meine Schultern noch immer, als wolle er sich hinter mir verstecken.

Der große Lazlo grinst mich an. Er freut sich über meine offensichtliche Angst, die in Kombination mit meiner Sturheit nie etwas Gutes zu bedeuten gehabt hat. Ich atme flach. Aber er drückt nicht ab.

„Zugeben, ich könnte es mir einfach machen und dich einfach erschießen, aber du wolltest mich im Schlaf verbrennen lassen", erinnert er mich vorwurfsvoll, „so einfach mache ich es dir nicht."
Ich rechne mir die Chancen aus, aus diesem Raum zu entkommen. Draußen tobt der Kampf noch weiter, und wir würden es niemals alle vier schaffen. Er würde schießen, aber nicht auf mich, weil ich sowieso bleiben würde, wenn er einen meiner Freunde verletzen würde. Er kennt mich besser als ich ihm zugestehen möchte. Ich blicke zu Sweet Pea. Er hat die Augen zusammengekniffen, als würde er sich am liebsten auf ihn stürzen. Ich kann nur beten, dass er es nicht tut. Wir waren in jüngster Vergangenheit beide im Krankenhaus, es wäre besser, wenn wir keinen weiteren Aufenthalt dranhängen.

„Was willst du?", frage ich. Ihn in ein Gespräch zu verwickeln scheint mir eine gute Möglichkeit zu sein, Zeit zu gewinnen. In einem unaufmerksamen Moment seinerseits drücke ich Veronica blind mein Handy in die Hand. Sie muss Betty nur einen einzigen Buchstaben schicken, um unsere Eltern zu alarmieren. Ich wünschte, wir hätten das nicht hinter FPs Rücken durchgezogen. Er sollte hier sein. Er sollte Lazlo sehen und wissen, dass ich ihn nie getötet habe.

„Ich will dich leiden sehen, Greta."
„Hast du das nicht schon genug?"
„Es wird nie genug sein", er versucht gar nicht, seine Verrücktheit zu verbergen, „du hast mir alles genommen. Meine Serpents, mein Zuhause. Ich musste untertauchen und einen Plan schmieden. Ich hatte dich fast, aber du warst schon immer gut darin, dich zu verstecken. Und kaum bist du wieder in dieser Stadt, reißt du alles an dich."
„Ich habe nichts an mich gerissen. Ich wollte gar nicht bleiben, ich wollte nie nach Riverdale zurückkehren."
„Und trotzdem hast du es getan. Und du hast jetzt einen Vater und einen Bruder", er schüttelt sich abfällig, „und Freunde, die ihr Leben für dich riskieren. Alles, was du je wollest."
„Ich wollte nur eine normale Kindheit."
„Was ist schon normal. Ich habe dich durchgefüttert, dich bei mir wohnen lassen. Man hat dich mir untergeschoben. Deine Mutter hatte nichts Besseres zu tun, als meinen besten Freund zu vögeln und mir sein Balg unterzujubeln, um dann abzuhauen."
„Wenn du es wusstest, wieso hast du mich nicht weggegeben? An die Lodges oder an FP?"
„Ich fand, die Vaterrolle hatte ihre Vorteile", sagt er, „du hast mich in gewisser Weise unantastbar gemacht."
Was ihn nicht davon abgehalten hat, mich zu schlagen. Ich will, dass er die Waffe wegsteckt und nicht damit herumwedelt, aber er genießt es zu sehr, uns völlig unter Kontrolle zu haben.

„Lass die anderen gehen", fordere ich, „sie haben nichts damit zutun."
„So würde ich das nicht sagen."
„Wieso hast du Archies Vater angegriffen? Und diese Lehrerin?"
„Strategie", sagt er, „Langeweile. Was weiß ich. Fred Andrews kam meinem vorrübergehenden Lager zu nahe, ich musste ihn ausschalten. Leider ist sein Sohn genauso anstrengend wie du. Und diese Lehrerin, hm, eine kurze Affäre. Sie wurde lästig. Außerdem habe ich anderweitig das gefunden, wonach ich gesucht habe."
Ich schlucke meinen Ekel herunter.

„Ein paar Verluste auf dem Weg zu dem hier", wieder deutet er mit dem Lauf der Waffe auf mich, „hättest du nicht Zeit im Kloster absitzen müssen, wären wir uns längst begegnet, Greta. Ich war dir so oft so nahe."

„Wieso bringst du es dann nicht endlich hinter dich?"
Und hinter mich. Ich will das hier nicht mehr. Es ist anstrengend, ihm zuzuhören. Viel quälender als ein Schuss, von dem ich gar nichts mehr mitbekommen werde.

„Dein kleiner Selbstmordversuch hat mich überrascht", räumt er ein, „dein Freund hätte dich ertrinken lassen sollen, dann hätte er dir das hier erspart."

Die Wahrheit über Greta.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt