Karten auf den Tisch

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Es ist schwierig, jemanden zu suchen, ohne zu wissen, wo man anfangen soll. Und noch schwieriger, wenn dieser jemand offensichtlich nicht gefunden werden will. Die Welt liegt andächtig unter einer beachtlichen Schneeschicht begraben. Es ist Weihnachten. Weihnachten! Und anstatt FP beim Kochen zuzuschauen, den Tisch zu decken und Filme zu schauen, fahren wir umher und suchen Sweet Pea.

„Ich weiß, du hängst an ihm", sagt Jughead vorsichtig, als auch ich langsam erkenne, dass wir ihn nicht finden werden, „aber er braucht einfach Zeit für sich."

„Warum? Und selbst wenn, warum kann er das nicht einfach sagen?"

„Er ist ein Kerl. Und nicht gerade der gesprächigste."

Ich wende mitten auf der Straße und fahre resigniert zurück Richtung Southside. Das ist also das Argument, das alles entschuldigt? Ihm könnte etwas passiert sein. Und das ist das einzige, an das ich denken kann. Black Hood? Vielleicht wollte er zu Ende bringen, was er angefangen hat. Und wir nehmen einfach an, dass er Zeit für sich braucht und irgendwann unbeschadet wieder auftaucht?

Zwei Motorräder stehen vor unserem Trailer. Beide sind mir mehr als vertraut. Ich stürze aus dem Wagen und geradewegs ins Wohnzimmer. Um sofort schockiert zurückzuweichen und gegen Jughead zu prallen, der direkt hinter mir steht. Auf der geblümten Couch sitzen FP, Sweet Pea und Penny. Ich bringe kein Wort heraus. Starre sie nur abwechselnd an. Wie zum ... wie kommt diese Kombination zu Stande? Woher kommt sie auf einmal? Und was hat sie FP erzählt?

„Hast du mir was zu sagen, Jughead?"

FP sieht nicht so als, als dulde er eine Ausrede. Ich starre abwechselnd zu Sweet Pea und dann zu Penny. Ich habe mir die größten Horrorszenarien ausgemalt, aber dieses Bild passt in keines davon.

„Jughead!", FP verliert die Geduld. Ich zucke zusammen. Sweet Peas Blick brennt auf meinem eiskalten Gesicht. Ich kann ihn nicht erwidern.

„Das ist alles meine Schuld!", platzt es aus mir heraus. Es fällt mir schwer, den Blicken standzuhalten.

„Das stimmt nicht. Ich wollte sie los werden", springt Jug mir zur Seite.

„Zu dir komme ich noch, Greta", FP untermalt den Satz mit einer wegwerfenden Handbewegung, „nimm ihn nicht in Schutz. Er kann für sich selbst sprechen."
Oh Gott. Wir sollten zusammensitzen und Weihnachten feiern, stattdessen sitzt Penny Peabody auf der Couch, auf der ich als Kleinkind Cartoons geschaut habe und grinst selbstzufrieden vor sich hin.

„Irgendjemand musste es tun, Dad!", verteidigt sich Jug engstirnig.

„Niemand musste irgendetwas tun", widerspricht ihm FP harsch, „Sweet Pea hätte nie in dieses Geschäft einsteigen dürfen, Greta hätte niemals auf den Deal eingehen sollen und du hättest diese Aktion nie durchziehen dürfen, Jug."
Wie sind sie hierhergekommen? Wo hat er sie gefunden? Das ist das einzige, was mich interessiert. Sie waren offensichtlich zusammen. Was hat das zu bedeuten? Und wie komme ich aus der Sache wieder raus? Ich sehe mich schon die nächsten Monate im Kloster verbringen.

„Was hast du dir dabei gedacht? Dachtest du, ihr kommt damit durch?"

Es ist ein regelrechtes Verhör. Sweet Peas Blick haftet an mir. Ich kann ihn nicht ansehen. Ich kann niemanden ansehen. Ich fixiere einen Punkt zwischen meinen Schuhspitzen und harre aus.

„Uns ist nichts anderes übriggeblieben!"

„Ihr hättet zu mir kommen müssen. Wie oft habe ich euch gesagt, dass ihr zu mir kommen könnt?"
Das Schweigen zieht sich unerträglich in die Länge.

„Und du, Greta", ich hebe widerwillig den Blick, „wie konntest du dich auf diese Geschichte einlassen? Ich habe dir gesagt, du sollst dich von ihm fernhalten, wenn er was mit der Sache zu tun hat."

Ja, das hat er. Aber wenn er mich gut genug kennen würde, wüsste er, dass ich Sweet Pea nie im Gefängnis hätte lassen können. Nicht mit der Chance, etwas dagegen zu tun.

„Aber sie hat ihn dazu gezwungen!", ich deute mit dem Zeigefinger auf Penny, die lachen ihre blonden Haare schüttelt. Ich würde mich gerne auf sie stürzen und ihr ihr dämliches Gesicht zerkratzen.

„Das habe ich nicht, Schätzchen. Er ist von sich aus eingestiegen. Er hat sich mir quasi an den Hals geworfen."

Ich sehe zu Sweet Pea, der keine Anstalten macht, es abzustreiten. Er macht überhaupt nichts. Wir haben nie darüber geredet. Ich habe mir im Kloster ab und zu Gedanken darüber gemacht und sie weit von mir geschoben, weil ich nicht gewagt habe, mir vorzustellen, dass es so gewesen sein könnte.

„Er brauchte Geld", fährt Penny in süffisantem Tonfall fort, „ich wollte eure unschuldige kleine Beziehung nicht belasten, aber jetzt weißt dus."

„Das reicht", fährt FP sie an. Ich kämpfe gegen die Tränenflut, die sich anbahnt. Ich will keine Schwäche zeigen. Versuche, mir all die Dinge zu beherzigen, die mich die Wochen im Kloster gelehrt haben. Durchatmen und sich auf das Gute konzentrieren. Das Gute?

„Von dieser Geschichte wird niemand etwas erfahren", FP erhebt sich, „Toni kümmert sich um ein neues Tattoo. Penny hält sich von euch fern und ihr euch voneinander."

Damit meint er offensichtlich Sweet Pea und mich. Und ich habe nicht den Drang, zu protestieren. Ich will, dass er verschwindet. Er sitzt da, ganz außen, die Stirn auf die Handflächen gestützt. Er wirkt, als täte es ihm aufrichtig leid, aber ich habe das Gefühl, ständig belogen worden zu sein.
FP wirft die beiden unsanft aus dem Trailer, während Jughead und ich sitzen wie begossene Pudel auf der Couch. Wir rechnen mit einer weiteren ausgedehnten Standpauke, aber er widmet sich dem Essen als sei nichts gewesen. Jughead sieht mich an.

„Kommst du damit klar?", fragt er vorsichtig.

„Ich ... bin nicht so überrascht, wie ich sein sollte", sage ich achselzuckend, „als hätte ich es die ganze Zeit über gewusst."

Die Wahrheit über Greta.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt