Der Anfang vom Ende

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Ich wache schweißgebadet auf. Immer noch im Ballkleid, mit wirrem Haar und ruiniertem Make-Up. Es fühlt sich nach einem Kater an, aber es sind die Folgen von schlechten Träumen und unruhigem hin- und her Wälzen. Ich stelle mich unter die kalte Dusche, ziehe eines von Sweet Peas übergroßen karierten Flanellhemden über und suche im Kühlschrank vergeblich nach etwas, das für ein dürftiges Frühstück herhalten könnte. Offensichtlich war das Einkaufen immer Sweet Peas Part.

Bei Jughead und FP finde ich wenigstens ein paar Eier und Kaffee. Als ich die Eier in eine Pfanne schlage, taucht FP auf.
„Hab ich dich geweckt?", frage ich entschuldigend.

„Nein, hast du nicht", erwidert er, „machst du was für mich mit?"
„Klar."
Unbehagliche Stimmung überdeckt das karge Frühstück. Wie immer, wenn mich mein schlechtes Gewissen quält, bin ich kurz davor, mit allem herauszuplatzen und ihm von Penny und der Jingle Jangle Lieferung zu erzählen. Aber ich beiße mir auf die Zunge. Seine Reaktion ist vorsehbar. Du bist kein Kind mehr, Greta, du bringst dich und andere in Gefahr. Sweet Pea hat sich alleine in die Situation gebracht, es ist nicht deine Aufgabe, ihn aus dem Gefängnis zu holen, und so weiter, und so weiter ...

„Du warst ja ziemlich lange auf dem Ball", sagt er. Das hört sich nach einer Falle an.
„Ja, kann sein", antworte ich und würge mein Rührei herunter, „war ganz lustig."
Mir fällt nichts besseres ein und „war ganz lustig" klingt so gar nicht nach mir. Und schon gar nicht nach mir auf einem spießigen Schulball.

„Archie hat dich nach Hause gebracht?"

„Ja."

Ist das ein Verhör? Ich widme mich meinem Frühstück noch intensiver.

„Ihr habt nicht zufällig noch etwas anderes getan?", fragt er mit zusammengekniffenen Augen. Vielleicht will er nur hören, dass ich mit ihm geknutscht habe? Als Vater interessiert man sich wahrscheinlich für solche Dinge.

„Was willst du von mir hören?", ich klinge eine Spur zu genervt.

„Archie ist immernoch hinter diesem Black Hood her", informiert er mich grimmig, „und ich will, dass du dich da raushältst."

Fast hätte ich gelächelt. Ach, es geht nur um Black Hood? Darum macht er sich Sorgen?
„Mache ich auch", das kann ich guten Gewissens sagen, „ich weiß nicht, was Archie in seiner Freizeit macht."
„Dabei sollte es auch bleiben."
Er gibt sich vorerst zufrieden, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis er weitere Fragen stellt. Lügen haben kurze Beine. Sobald Sweet Pea entlassen wird, kommen neue Probleme auf uns zu. Hauptsache, er kommt raus. Um alles andere werde ich mich kümmern, wenn es so weit ist.

Abends zieht es mich, wie immer häufiger, ins Whyte Wyrm. Man fühlt sich wirklich wohler, wenn man eine von ihnen ist. Ich hänge bei Toni an der Bar rum, trinke Malzbier und übe mich im Warten. Irgendetwas sagt mir, dass er zuerst hier auftauchen wird und mein Instinkt täuscht mich nicht.

Er ist so plötzlich da, dass ich es erst gar nicht bemerke. Die ansteigende Geräuschkulisse bringt mich dazu, von meinem Handy aufzusehen. Da ist er. Gesund und munter. Einigermaßen munter.

Serpents klopfen ihm auf die Schulter, er wird gefeiert. Er wirkt stolz. Noch größer als sonst. Ich sitze wie angewurzelt auf meinem Barhocker. Ich könnte ihm ewig dabei zusehen, wie er sich langsam auf mich zubewegt. Sie können ihm noch stundenlang umschwirren und ihm sagen, wie froh sie sind, dass die Bullen ihn haben laufen lassen, er sei immerhin unschuldig, es gibt trotzdem nur ihn und mich.

Er weiß, dass er sich Zeit lassen kann. Das ich auch in einer Stunde noch hier sitzen werde. Geduldig trinke mein Bier und beobachte die Szene mit gewisser Rührung. Die Serpents halten seine Verhaftung für etwas persönliches. Die Polizei sucht Schuldige für das aufkommende Drogenproblem Riverdales und die Southside ist der Sündenbock. Ich werde nicht diejenige sein, die ihnen diese lang gehegte Illusion nimmt.

Ich werde diejenige sein, die hier sitzt und wartet.

Kurz bevor er mich erreicht, baut sich FP vor mir auf. Super. Was für ein Dad-Move. Er sagt irgendetwas, dass ich nicht richtig verstehe. Ehe ich darauf aufmerksam machen kann, wendet er sich Sweet Pea zu, packt ihn am Arm und zieht ihn mit sich fort.

Ich laufe hinter ihnen her bis zu den Hinterzimmern, in die ich früher nie durfte. Ich positioniere mich vor der geschlossenen Tür und drücke mein Ohr dagegen. Bis auf ein paar Wortfetzen dringt nichts durch das dicke Holz. Um was sollte es sonst gehen, als um mich, die Drogen und den Gefängnisaufenthalt.
„Sie zieht bei dir aus!"
Weiß FP doch von dem Deal? Sweet Pea diskutiert eine Weile mit ihm, aber er hat keine Chance. Die Tür wird aufgerissen und er stürmt wortlos an mir vorbei. Ich werfe FP einen wütenden Blick zu und folge Sweet Pea durch die Hintertür nach draußen. Es regnet in Strömen. Ich ziehe mir die Kapuze meines Hoodies über meine braunen Locken und folge ihm die dunkle Straße hinunter.
„Warte doch mal!", rufe ich. Mittlerweile muss ich fast laufen, um ihn einzuholen. Er stoppt abrupt.

„Jetzt nicht, Greta", fährt er mich an.
„Jetzt nicht?", wiederhole ich perplex. Unser Wiedersehen hatte ich mir anders vorgestellt. Er rauft sich die Haare und wischt sich die Regentropfen aus dem Gesicht. Das mit der Wiedersehensfreude kann ich abhaken. FP hat es in wenigen Sekunden geschafft, mir den Moment zu zerstören, auf den ich ewig warten musste. Sweet Pea läuft lieber vor mir weg, als sich zu verteidigen.

„Ich habe das alles für dich gemacht", sage ich enttäuscht. Sein Blick spricht Bände.
„Ich habe dich nicht darum gebeten."

Die Wahrheit über Greta.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt