Blauäugig

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Ich war nie eine große Strategin. Über die Jahre hat sich das kopflose Handeln eingeschlichen.
„Ich habe keine Ahnung, was wir vorhaben", eröffne ich Archie und Jug, die am ehesten so wirken, als hätten sie einen Plan. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich ein bisschen zu ihnen aufsehe. Das sie schon oft bewiesen haben, dass ich mich auf sie verlassen kann.

„Wir verjagen sie."
„Wie?"
„Mit Gewalt", Jughead sieht mich prüfend an, „fang bitte keine Grundsatzdiskussion an, Greta. Penny hätte dich getötet, wenn sie die Zeit dazu gehabt hätte."
Meine größte Sorge ist, dass jemand stirbt. Das würde ich nicht verkraften. Das würde niemand von uns.
„Ich kann dir nichts genaues sagen", in seiner Stimme liegt etwas Entschuldigendes, „die Ghoulies produzieren laut Dad das Jingle Jangle. Das ist ihr wunder Punkt."
„Du willst sie damit erpressen?"
„Im Zweifel."
Ich senke den Blick. Ich glaube nicht, dass das etwas bringt. Und wenn das der Plan ist, wieso muss dann Gewalt der erste Schritt sein?
„Wenn wir sie so nicht loswerden, dann mit den Drogen", sagt Archie, als betreffe es ihn ganz persönlich. Als müsse er seinen Lebensraum zurückgewinnen. Ich habe fest beschlossen, dass ich an Archie kleben und ihn beschützen werde. Dieser Drang ist so stark, dass mir unerträglich übel wird, als ich sehe, dass er sich ein Messer einsteckt. Okay, wir haben alle eins in der Hosentasche, nur für den Fall, aber ich erinnere mich nur ungerne an Archies Erfahrungen mit der Pistole zurück.

Mit Gewalt. Einige nehmen diesen Grundsatz wichtiger als andere. Die Footballspieler und die Serpents, die Sweet Pea und Jug zusammengetrommelt haben, wirken wirklich bereit. Ich habe mich als Teil von ihnen gesehen, bis zu dem Moment, in dem wir uns auf den Weg machen. Ich gehöre zu Veronica, Betty und Kevin. Wir vier sind eine Art Außenseiter, die wandelnden Angriffsflächen.

„Wir sollten uns im Hintergrund halten", sagt Kevin besorgt.

„Du musst das nicht tun", ich sehe mich in der Pflicht, ihn daran zu erinnern, „niemand wäre dir böse, Kevin."
„Ich habe das Gefühl, ich muss", entgegnet er, „ich will."
„Okay. Aber wir halten uns im Hintergrund. Jug hat erzählt, dass sie das Jingle Jangle irgendwo auf der Southside herstellen. Ich denke, wir sollten dem nachgehen."
„Investigativer Journalismus", Betty freut sich regelrecht.
„Nancy Drew ist wieder da", kommentiert Kevin, „wir lassen ein Drogenlabor hochgehen. Breaking Bad in Riverdale."
Wenn ich die drei aus der Schusslinie halte, habe ich einen Teil von dem, was ich mir vornehme, erfüllt. Im Zweifel werde ich mich zwischen sie und jeden Ghoulie stellen, der es wagt, gegen sie anzugehen.

„Sobald Chaos ausbricht, verlassen wir unser Versteck und machen uns auf die Suche", informiere ich sie, „wir bleiben auf jeden Fall zusammen."
Und Sweet Pea habe ich mehrfach das Versprechen abgenötigt, Archie nicht alleine zu lassen. Er hat es Veronica und mir geschworen, seitdem bin ich halbwegs beruhigt.

Als wir die Southside erreichen, splittet sich die beachtliche Gruppe. Wir sind wirklich viele, manche kenne ich gar nicht richtig, habe sie höchstens zweimal auf den Fluren der Schule gesehen. Die Verabschiedungen sollten eigentlich schneller und weniger schmerzvoll erfolgen, aber ich komme zu meinem Erstaunen kaum von Sweet Pea los.

„Mir passiert nichts", versichert er mir, „und dir auch nicht."
„Niemandem!", ich will ihm auch dieses Versprechen dringend abnötigen, doch er kann es mir nicht geben. Er soll es auch nicht tun, denn es wäre eine eindeutige Lüge.

„Ich tue mein Bestes."
„Ich weiß."
Ich küsse ihn und er hält mein Gesicht kurz in seinen Händen. Dann wende ich mich Jug zu, den ich in letzter Zeit tief in meinen Gedanken sogar als meinen Bruder bezeichne, ohne weiter darüber nachzudenken.
„Pass auf dich auf", sage ich.

„Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen, Greta", kommentiert er meine Blässe, die mir schon vor Stunden aufgefallen ist, „alles wird gut."
„Das habe ich schon zu oft gehört."
„Ein bisschen mehr Selbstvertrauen würde dir nicht schaden", er grinst, „so kenne ich dich ja gar nicht."
„Ich habe in letzter Zeit zu viele falsche Entscheidungen getroffen."
„Das stimmt", ich schätze seine bedingungslose Ehrlichkeit, „aber es wird besser."
Und damit trennen wir uns. Ich bleibe mit Betty, Veronica und Kevin zurück, wir haben in einer Gasse geparkt, die fernab von den Brennpunkten der Southside liegt. Wir verlassen uns einzig auf mein Gefühl.

Ich lehne mich gegen die Fensterscheibe und atme tief durch.
„Das ich mich in sowas mal wiederfinde", sagt Veronica tonlos.
„Ich kann nicht glauben, dass ihr das alle für uns tut", ich drehe mich zu ihr um. Sie lächelt aufmunternd.
„Natürlich", es scheint kein Zweifel zu bestehen, „Toni und du lebt wie Schwestern bei mir. Außerdem mag ich Menschen nicht, die sich etwas nehmen, dass ihnen nicht gehört."
„Und ich mag es nicht, wenn meine Freunde verletzt werden", fügt Betty hinzu. Ich lege wie auf Kommando meine Hand auf meine Wunde.

„Du gehörst zu uns", sagt Betty, „gut, dass du in Riverdale geblieben bist."
Lange Zeit hätte ich mich diese Aussage gewehrt. Wie gerne wäre ich direkt weitergezogen, den Gedächtnisverlust als Geschenk angesehen, aber ich blieb hier und jetzt lebe ich dieses Leben. Ein anderes, neues Leben.

Ich fahre das Fenster einige Zentimeter herunter und lausche.
„Wir sollten los", verkünde ich dann. Im Handschuhfach liegen drei Taschenmesser für sie, meines habe ich, wie immer, in meiner Hosentasche. Wir gehen die Straße selbstsicher aber vorsichtig entlang.

„Ich schätze, wir müssen ins Whyte Wyrm", sage ich, „das einzige Gebäude mit großem Keller."
„Wie praktisch", Kevin verdreht die Augen, „ich habe was gegen diese Kneipe."
„Ich weiß. Aber wenigstens kenne ich mich dort gut genug aus."

Als Kinder haben wir in den Kellergewölben des Whyte Wyrm stundenlang gespielt und uns versteckt. Es ist der optimale Ort für ein Drogenlabor, keine Frage. Aber wir können nicht einfach hereinspazieren. Wir müssen den Weg nehmen, auf dem Archie und ich entkommen sind. Der Lärm vom entfernter liegenden Sunnyside Trailer Park bestätigt die Wahl des Zeitpunktes.

„Wahrscheinlich sind immernoch welche hier und beschützen ihre Einkommensquelle", warne ich, „bleibt zusammen und hinter mir."

Die Wahrheit über Greta.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt