Besuchszeiten

1K 48 3
                                    

Nie hätte ich gedacht, dass ich hier lande. Eingesperrt in einem Zimmer, in dem bis auf ein Bett und ein Schrank nichts weiter steht. Alles ist weiß und klinisch und doch auf gewisse Weise altbacken. Es ist still. Hin und wieder hört man Schreie über die endlosen Gänge hallen, doch sie verstummen so schnell sie erklungen sind. In den ersten zwei Wochen habe ich keinen Anspruch auf persönliche Gegenstände und darf keinen Besuch empfangen. Ein kalter Entzug. Ein kalter Entzug von meinem Leben. Ich sehne mich nach meinem Handy, nach meinen Freunden, danach, mit jemandem zu sprechen. Ich fühle mich wie ein eingesperrtes Tier. Die Nonnen spüren meinen inneren Widerstand. Ich werde dazu ermahnt, in mich zu gehen und mich meinen innersten Ängsten zu stellen. Ich will mich weigern. Das will ich wirklich. Aber alleine in meinem Zimmer habe ich nur meine Gedanken. Und sie schonen mich nicht. Wenn ich die Augen schließe, um einzuschlafen, sehe ich, wie FP überfahren wird. Wie das Fernlicht mich blendet. Ich versuche, etwas anders zu machen, aber es passiert immer auf dieselbe Art und Weise. Ich sehe auch, wie Jughead sein Messer an Pennys Arm ansetzt und kämpfe dagegen an, wieder ohnmächtig zu werden, doch es wird alles schwarz. Ich renne durch den Wald. Ich bedrohe Reggie. Ich springe. Ich sehe es immer aus einer Art Vogelperspektive. Kann mir selbst dabei zusehen, wie ich falsche Entscheidungen treffe.
Nach zwei Wochen darf ich im Speisesaal essen. Die Zeit der Isolation ist vorbei.

FP ist der erste, der mich besucht. Ich nage am Ärmel meines Pullovers, als er auf mich zukommt. Ich sitze auf einer Bank im Wintergarten, eine Wolldecke um die Beine geschlungen, und beobachte die ersten Schneeflocken, die im Wind tanzen.

„Schön, dich zu sehen, Greta."

Er nimmt mich in den Arm und setzt sich neben mich.

„Wie geht's dir?"

Eine schwierige Frage. Ich habe mich durch Entzugserscheinungen gekämpft. Zittern, Fieber, Halluzinationen. Schmerzen, als würde man mich bei lebendigem Leib in Stücke reißen. Ich habe meine Hände an der Wand blutig geschlagen, bin auf Knien durchs Zimmer gerobbt auf der Suche nach einem spitzen Gegenstand. Ich habe Jughead mit sämtlichen Schimpfwörtern belegt, die mir einfielen. Ich habe Sweet Pea verflucht und diese Stadt. Aber es war nur eine Phase.

„Naja", antworte ich achselzuckend, „ging mir schonmal besser."

„Du siehst gut aus", er klingt, als fühle er sich verpflichtet, dass zu sagen, „erholt."

„Dabei gibt es hier ein ganz schön striktes Programm", ich lache auf, „hast du dich erholt?"

Ich war so sauer, dass Jug mir die Chance genommen hat, bei ihm zu sein. Jede Information wurde von mir ferngehalten.

„Mach dir um mich keine Sorgen", winkt er ab, „als Jug mir erzählt hat, er habe dich hergebracht, war ich wütend auf ihn. Er hätte das mit mir absprechen müssen. Aber ich glaube, es war eine gute Entscheidung."

Wir blicken beide in die Ferne. Im Radio wurde ein Schneesturm angekündigt, der spätestens heute Abend auf Riverdale treffen soll. Der Himmel ist tiefgrau und hängt tief über der verschneiten Landschaft.

„Es geht mir hier gut", versichere ich ihm, „ist echt befreiend, keine Entscheidungen treffen zu müssen."

Ich habe so viele Fragen. Wie geht es den anderen? Hat Black Hood sich gemeldet? Wann kommt mich Sweet Pea besuchen?

„Ich soll dich von allen grüßen. Sie können es gar nicht erwarten, dich besuchen zu kommen."

„Wie lange bleibe ich noch hier?"

Wie lange MUSS ich noch bleiben? Das ist die eine Frage, die ich nicht stellen wollte. Aus Angst vor der Antwort. Egal, was er sagt, es wird falsch sein. Wenn ich noch lange bleiben muss, habe ich das Gefühl, mein Leben zu verpassen. Aber wenn ich nächste Woche nach Hause könnte, wüsste ich nicht, wie ich weitermachen soll. Hier wird mir alles vorgegeben. Ich halte mich an die Regeln, bekomme ein Tablett mit mittelmäßigem Essen und werde um sieben Uhr geweckt, um zu beten. Am Anfang war es mühsam, aber man gewöhnt sich an alles. Es gibt mir Sicherheit. Die Welt da draußen existiert nicht, solange ich keinen Kontakt zu ihr habe.

Die Wahrheit über Greta.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt