Ich träume schlecht. Von Black Hood. Probleme lösen sich nicht auf, nur weil man irrsinnigerweise von einer Brücke springt. Die dümmste Idee, die ich jemals gehabt habe. Irgendwo da draußen wartet er auf mich. Und er wird mich finden. Immer, wenn ich an diesem Punkt angelangt bin, schlafe ich wieder ein. Ich schlafe tief. Der Traum wiederholt sich wieder und wieder. Der Parkplatz. Kleine spitze Kieselsteine, die sich in meine Knie bohren. Die Schläge, die ich mit gekreuzten Armen versuchte, von meinem Kopf abzuwehren. Black Hood.
Als ich das nächste Mal aufwache, sitzen Kevin, Archie, Betty und Veronica wie die Hühner auf der Stange neben meinem Bett.
„Oh Gott", stöhne ich entschuldigend, „ich habe seit Tagen nicht geduscht."
„Da ist sie", Kevin strahlt mich erleichtert an an. Auch die anderen wirken mit allem mal gelöster, nur Archie kann sein schlechtes Gewissen nicht verbergen.„Du bist die einzige Frau auf der Welt, die im Krankenhaus fantastisch aussieht", versichert mir Veronica. Ich setze mich langsam auf. Heute lässt mich mein Kreislauf nicht sofort im Stich.
„Wir sollten dir was zu Essen besorgen", sagt Betty, „du hast doch bestimmt Hunger."
„Mir geht's gut", erwidere ich, „mach dir keine Umstände."
„Das sind keine Umstände, ich mache das gerne!"
„Ich weiß, Betty, aber ich habe wirklich keinen H unger."Ich warte darauf, dass Archie etwas sagt. Aber weil er das nicht tun wird, spreche ich es aus.
„Du musst dir keine Vorwürfe machen, Archie", sage ich entschieden, „ich wusste doch selbst nicht, was ich tue. Du hättest nichts tun können."
Ich würde das beklemmende Schweigen gerne umgehen, das auf diesen Satz hin folgt. Aber ich lasse ihnen Zeit, ihren Frieden damit zu schließen.„Warum?", fragt Archie tonlos, „warum hast du das getan?"
Mein Blick streicht Veronica. Ihre Mutter hat ihr nichts erzählt. Natürlich nicht. Also werde ich es auch nicht tun. Nicht die ganze Geschichte. Es tut vielleicht auch gar nichts zur Sache.
„Ich wurde verhaftet", sage ich, „wegen dieser verdammten Waffe. Und als ich wieder draußen war, hat FP mir erzählt, dass er mein Vater ist."
„FP Jones? Jugheads Dad?", Kevin steht der Mund offen.„Jugheads Dad", bestätige ich.
„Oh mein Gott", auch Veronica reißt erstaunt die Augen auf, „das ist ... ich meine, dass macht Sinn. Du bist ihm wirklich wichtig."
„Das mit der Waffe", Archie macht eine Pause, „das ist alles meine Schuld. Ich hätte sie nie kaufen sollen. Ich hätte sie dir nicht überlassen sollen. Das war dumm."
„Ja, das war dumm", stimme ich ihm zu, „aber wir machen alle mal Fehler."
Ich bin Spitzenreiterin in dieser Disziplin.„Also ist Jughead dein Halbbruder", stellt Betty das Offensichtliche fest, „und dein Vater ... also ... der Mann, der dich aufgezogen hat, wusste nichts davon?"
„Nein."
Dieses Thema ist eines, dass ich nicht mit ihnen besprechen werde. Sie müssen nichts über Lazlo wissen. Er ist für die Gegenwart nicht mehr relevant.
„Themenwechsel. Sweet Pea hat dir das Leben gerettet", sagt sie, „seid ihr jetzt wieder fest zusammen?"Ich hasse den Gedanken, dass er mir hinterhergesprungen ist. Was, wenn ihm etwas passiert wäre? Er hat sein Leben riskiert und ich habe es so hingenommen, als sei es selbstverständlich.
„Er ist mit Toni zusammen", auch kein besseres Thema.„Bist du sicher?", fragt Kevin, „der Typ steht noch total auf dich. Für sowas habe ich einen Blick."
„Ich habe keine Ahnung. Damit befasse ich mich, wenn ich hier raus bin. Was hoffentlich bald der Fall sein wird."
„FP will, dass du auf die Southside ziehst", sagt Archie, „aber falls du bei mir bleiben willst, ist das kein Problem. Ich habe mit meinem Dad darüber gesprochen, er ist bald zurück. Er würde dich gerne kennenlernen."
„Ich kann das nicht jetzt entscheiden, okay?"
Es gibt nichts, über das ich jetzt weniger sprechen wollen würde als meinen zukünftigen Wohnort.„Klar", antwortet er hastig, „jederzeit."
Anfangs konnte ich mich nicht mit der Northside anfreunden. Und jetzt kann ich mich plötzlich nicht mehr gegen sie entscheiden. Es rührt mich, dass sie an meinem Bett sitzen. Dass sie es für nötig halten, mich aufzumuntern, mir essen zu bringen, mich zu unterhalten. Ich fühle mich, als würde ich dazu gehören. Anders als bei den Serpents, bei denen ich dieses Gefühl nie hatte. Die Southside ist vielleicht mein Zuhause, aber sie sind es nicht. Warum muss es so schwierig sein, dass eine mit dem anderen zu verbinden?
„Wie lange musst du noch hierbleiben?", fragt Betty. Sie sieht in ihrem braven rosa Pulli aus wie das Mädchen von nebenan, aber ich sehe sie mittlerweile mit anderen Augen. Ich sehe noch etwas anderes. Etwas Starkes.„Keine Ahnung."
„Sollten wir ihr nicht die Neuigkeiten erzählen?", erinnert Kevin die anderen. Die anderen werfen ihm Blicke zu, die ihn zum Schweigen bringen sollen. Zu spät.„Welche Neuigkeiten?", frage ich. Bitte keine Hiobsbotschaften mehr. Ich brauche eine Drama-Pause, dringend.
„Black Hood hat wieder zugeschlagen."
Ich zucke zusammen. Ein grauenhafter Schmerz zieht sich durch meinen Körper, aber ich halte ihm stand.„Was hat er getan?"
„Er hat meinen Vater angegriffen", sagt Veronica bedrückt, „ihm geht's gut. Er wurde nicht verletzt. Aber es war Black Hood. Eindeutig."
„Scheiße", fluche ich, „warum tut er das? Warum? Was habe ich damit zu tun?"
„Du solltest dich nicht aufregen", Archie legt eine Hand auf mein Bett und wirft Kevin einen eindeutigen Blick zu, „Mr Lodge geht es gut."
„Ja, schon, aber -"
„Kein aber. Archie hat recht. Du solltest dich ausruhen", stimmt Veronica ihrem Freund zu, „und wir lassen dich jetzt allein. Du brauchst Schlaf."
„Aber du kannst uns jederzeit erreichen", fügt Betty hinzu, „FP hat uns das hier für dich gegeben. Ein neues Handy."
Es liegt auf meinem Nachttisch. Muss teuer gewesen sein. Ob Veronicas Mum es aus schlechtem Gewissen gesponsort hat?
„Danke."
„Sweet Peas Nummer ist auch eingespeichert", Kevin zwinkert mir zu, „falls du jemanden zum mehr als Reden brauchst."
„Bevor ihr geht", sage ich leise, „müsst ihr mir versprechen, dass ihr das mit FP für euch behaltet. Die, die es jetzt wissen, sollen die einzigen bleiben."
Sie versprechen es.FP holt mich noch am selben Tag nach Hause. Gegen den Rat des Arztes stopft er meine wenigen Sachen in eine alte Sporttasche und hilft mir, eine Jacke anzuziehen. Der Arzt sagt, ich brauche Ruhe und eventuell ein Gespräch mit einem Psychologen, aber FP schmettert seine Worte ungehört ab.
„Sie braucht ihre Familie", sagt er schroff. Das ist das einzige, was er dazu zu sagen hat.
„Hier ist es nicht sicher", sagt er, als wir im Wagen sitzen, „dieser Black Hood hat auf Hiram Lodge geschossen. Wer weiß, was er als Nächstes tut."Ich nicke. Ich kann seine Angst verstehen, weil ich sie, seit Veronica von ihrem Dad erzählt habe, tief in meiner Brust spüre. Was, wenn die Reihe der Opfer jetzt zu Ende ist? Wenn er jetzt mich will? Diese Unsicherheit macht mich verrückt.
Ich sitze auf dem Beifahrersitz und als wir über die Brücke fahren, beginnt mein Puls zu rasen. Ich klammere mich am Türgriff fest. Mit beiden Händen.
„Wir sind gleich da", sagt FP beruhigend, aber ich höre die Anspannung heraus. Er macht sich Vorwürfe. Vorwürfe, die ich ihm nicht ausreden kann. Er macht sie sich nicht erst, seit ich gesprungen bin, sondern schon seit ich geboren wurde. Ich habe so viele Fragen, aber stelle keine davon. Der richtige Moment wird kommen, in dem wir darüber reden, warum die Dinge passiert sind, wie sie passiert sind. Wieso ich bei Lazlo aufwachsen musste. Ob er wirklich nichts geahnt hat. Oder ob er es wusste und mich deshalb quälte. Warum hat er mich nicht zur Adoption frei gegeben? Er war hoffnungslos überfordert mit einem kleinen Kind. Das ist die Frage, die mich am meisten beschäftigt.FP und Jughead überlassen mir das Schlafzimmer. Sie geben sich so viel Mühe, mir alles recht zu machen, dass es fast unangenehm ist. Ich mag es nicht, dass sie sich plötzlich anders verhalten. Als Jughead auf Black Hood zu sprechen kommt, unterbricht ihn FP harsch. Und als ich mich ins Bett verabschiede, höre ich ihr durchdringendes angespanntes Gemurmel noch eine ganze Weile durch die dünne Wand.
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Die Wahrheit über Greta.
FanfictionGreta Lazlo taucht wieder auf der Southside auf, die sie vor zwei Jahren überstürzt verlassen hat. Die Umstände ihres Auftauchens sind genauso mysteriös wie die plötzlichen Anrufe eines maskierten Killers. Greta versucht, sich ein neues Leben aufzub...