Der nächste Zug

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Sweet Pea ist nicht begeistert, dass Jughead die Führung übernimmt. Und auch nicht, dass ich plötzlich neben Reggie und Archie an einem Tisch sitze und mein Saftpäckchen in meiner Faust zusammenquetsche, weil ich mit dieser Situation selbst nichts anzufangen weiß. Ich weiche seinem Blick nicht aus. Höre Archie nicht zu, der mir irgendetwas erzählt.

„Ich muss mal an die frische Luft", sage ich schließlich, in einem Tonfall, der keinen Zweifel offenlässt, dass ich niemanden brauchen kann, der mir folgt. Als ich an Sweet Peas Tisch vorbeigehe, bedeute ich ihm mit einem Nicken, mir zu folgen.

„Gehörst du jetzt doch wieder zu uns?", fragt Sweet Pea und taxiert meine Jacke.

„Ich habe nie etwas anderes behauptet", sage ich, „alles klar bei dir?"

„Ich bin beeindruckt von deiner Wandelbarkeit", kommentiert er abfällig, „ich dachte, du hasst diesen Reggie."
„Er kann ein Idiot sein, aber er hilft uns immerhin."
„Großartig", spottet er, „bin gespannt, wann er abhaut, weil er Angst kriegt."
„Die Ghoulies können einem Angst machen", er provoziert geradezu, dass ich Reggie verteidige. Ich habe auch Angst vor ihnen. Die seltsamen Maskeraden in Kombination mit unvorhersehbaren Handlungen sind nichts, was man locker sehen sollte. Sweet Peas Gesichtsausdruck verrät, was er davon hält. Ich hasse Engstirnigkeit, auch wenn es eine der Eigenschaften ist, mit der ich mich selbst dann und wann beschreiben würde.

„Sei ihnen einfach dankbar", sage ich scharf. Irgendwo hinter mir öffnet sich eine Tür, zwei Mädchen unterhalten sich lautstark und kichernd, wir werden unterbrochen. Während sie vorrübergehen, lässt mich Sweet Pea nicht aus den Augen.
„Dir macht das nichts aus", sagt er, „du könntest von heute auf morgen wieder verschwinden, du könntest auch für immer hier leben, aber für mich gibt es nur die Southside. Und Penny hat sie an diese widerwärtigen Mistkerle verschenkt."
„Wir holen sie zurück!"
„Nein", er schüttelt den Kopf, „nein, tun wir nicht."
Mit diesen Worten lässt er mich stehen.

Das Gespräch lässt mich den ganzen Tag nicht los. Er neigt normalerweise nicht zu Gefühlsausbrüchen. Ich würde ihm gerne zeigen, dass ich ihn verstehe, denn das tue ich, aber die Southside ist der Ort, an dem ich einen Mann, den ich für meinen Vater hielt, ermordet habe. Der Schauplatz einer schrecklichen Kindheit. Ich ließ sie damals zurück und fühlte mich frei, kehrte zurück und die Probleme fingen an.
„Wenn dich das so beschäftigt, fahr zu ihm", Toni muss seit Stunden mein Gejammer ertragen. Mittlerweile leben wir zusammen wie Schwestern.

„Und was soll ich sagen?"
„Das du ihn liebst?"
„Das geht ein bisschen zu weit", ich spüre, dass ich erröte und wische mir mehrmals durchs Gesicht, „ich will ihn nur davon abhalten, sich in Gefahr zu bringen."
„Scheint so, als würdet ihr das dauernd füreinander tun."

„Jemand muss es ja machen", ich springe vom Bett und wechsle von Schlafanzug in die Klamotten, die noch unordentlich über meiner Stuhllehne hängen.

„Ihr rauft euch wieder zusammen", sie ist sich sicher. Das die beiden mal miteinander verbunden waren, hat sich mittlerweile erledigt. Toni ist, wie ich erst kürzlich erfahren habe, mehr an Frauen interessiert.

Ich lege mir Worte zurecht, die ich ihm in aller Ruhe sagen werde. Bis ich beim Haus der Andrews ankomme, umfasst meine innere Rede mit Sicherheit schon drei Seiten.

Archie öffnet mir die Tür. Überrascht über mein Erscheinen.

„Wo ist Sweet Pea?"

Die Begrüßung lasse ich vor lauter Aufregung weg.
„Er hat gesagt, er will zu dir. Ihr habt euch gerade verpasst", antwortet Archie entschuldigend. Man muss ihn nicht gut kennen, um zu wissen, dass er das nicht möchte. Er will nicht zu mir.

„Kann ich dein Auto haben?"
„Ja?", jetzt regen sich auch bei Archie leise Zweifel, „alles okay?"
„Weiß ich noch nicht."

Er wirft mir den Schlüssel zu und ich nötige ihm das Versprechen ab, FP und Jug noch nichts zu sagen. Im Gegenzug verspreche ich ihm, mich im Notfall zu melden.

Unterwegs rufe ich ihn wieder und wieder ran. Er drückt mich mehrmals weg, dann ist das Handy aus.

Die Southside ist Sperrgebiet. Wenn mich ein Ghoulie in die Finger bekommt, bin ich tot. Aber wenn sie Sweet Pea in die Finger bekommen ...

Ich muss schlauer sein als er. Wenn wir beide so dumm sind, ihnen direkt in die Arme zu laufen, wird es Stunden dauern, bis Archie Jug und FP einweiht und sie kommen, um uns zu suchen. Ich wähle Archies Nummer und warte angespannt darauf, dass wenigstens er abnimmt.
„Hallo?"
„Archie", ich habe einen leicht militärischen Tonfall angenommen, „Sweet Pea ist irgendwo auf der Southside und will das alleine durchziehen."
„Das ist Wahnsinn! Und wo bist du?"
„Ich bin auch auf der Southside", die Frage hätte er sich schenken können, „ich kann nicht zulassen, dass ihm was passiert."
„Zu zweit seid ihr auch nicht besser dran!"
„Ich will ihn finden und davon abbringen, etwas Dummes zu tun", verteidige ich mich.

„Okay", sagt Archie, „komm zurück und hol mich ab. Wir suchen ihn zusammen."
Ich tipple nervös mit den Fingerspitzen auf dem Lenkrad herum. Einerseits verliere ich dadurch wertvolle Zeit, andererseits könnte Archie nützlich sein.

„Lauf mir entgegen. Wir treffen uns auf der Brücke."
Weiter werde ich mich nicht von Sweet Pea entfernen. Er würde mich auch nicht alleine lassen. Er ist von dieser verdammten Brücke gesprungen, weil ich kurzzeitig kopflos war. Er hat dafür gesorgt, dass Jug mich zu einem Entzug zwingt. Ich bin am Zug.

Die Wahrheit über Greta.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt