4.Kapitel Der Kampf der guten gegen die destruktiven Mächte dieser Welt

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Kaum hatte der Große Ork das Schwert erblickt, als er ein schauerliches Geheul ausstieß. All seine Soldaten knirschten mit den Zähnen, schlugen an ihre Schilde und stampften mit den Füßen. Sie erkannten das Schwert sofort wieder"

Teile dieses vierten Kapitels sind für die Interpretation und für die Beschäftigung mit den Inhalten des "kleinen Hobbits" von zentraler Bedeutung,- setzt es sich doch zum allerersten Mal mit der Hintergrundthematik des gesamten Buches auseinander. Und zwar mit der Thematik, was eigentlich das Böse ist, gegen welches das Gute in den Kampf zieht. Ein Leitthema, auf das sowohl „der kleine Hobbit" als auch die darauf folgende Trilogie „Herr der Ringe" aufbaut. Und gleichzeitig werden hier in diesem Kapitel erste Antworten sichtbar auf die Frage, welche Waffen zum Einsatz gegen das Böse vorstellbar sind, - was also die Schwerter sind, die uns Menschen in der Auseinandersetzung mit den destruktiven Kräften dieser Welt zur Verfügung stehen. So wie die Reisetruppe in diesem Buch machtvolle Waffen besitzt (die Elfenklingen Orkrist und Glamdring), die sie entscheidend in ihrem Kampf gegen die Orks unterstützen („Plötzlich flammte in seinem eigenen Licht ein Schwert auf. Bilbo sah, wie es von Kopf bis Fuß durch den Großen Ork fuhr").

Beschäftigen wir uns zuerst mit der Frage nach der abgrenzbaren Form der bösen gegen die guten Kräfte, treffen wir im „kleinen Hobbit" auf verschiedenste Ausprägungen von zerstörerischen und dunklen Strukturen, die von den verschiedensten Lebewesen in Tolkiens Fantasiewelten symbolisiert werden. So begegnen wir Steinriesen, Trollen, Orks, und Drachen, um nur einige Gruppierungen zu nennen. Am Anfang dieses Kapitels werden unsere Abenteuerfreunde zuerst mit ungerichteten Naturgewalten konfrontiert, die von den Felsen werfenden Steinriesen und von den ungebremsten Kräften des Gewittersturms repräsentiert werden. Diese Urkräfte wissen nichts von der Existenz unserer Abenteurer und wollen ihnen nicht bewusst etwas Böses. Die Steinriesen gehen einfach ihren Impulsen und ihren Veranlagungen nach, gefährden aber durch ihre alles sprengende Urgewalt die Mission und das Leben der Reisemitglieder. Diese Naturkräfte richten zwar großen Schaden an, aber anders als durch menschlich destruktive und fehlgeleitete Energien, ist hier der Schaden nicht direkt beabsichtigt, und erfolgt ohne jegliches Wissen dieser Kräfte. Naturkatastrophen wie Erdbeben, Fluten, Vulkanausbrüche lösen in uns starke Aversionen und ein starkes innerliches Aufbegehren aus. Wir fühlen uns diesen Gewalten gegenüber hilflos ausgeliefert, da sie unvorhersehbar und unbeeinflussbar auftreten und klagen deshalb Gott und die Welt an. Wir hadern mit dem Schicksal, wenn solche Kräfte oftmals auf dramatisch Weise in unser Leben eingreifen.

Nur ist es hier wirklich wichtig, zwischen ungerichteten, die Zerstörung nicht willentlich intendierenden Kräften und zwischen auf  Gewalt, Zerstörung und Entmenschlichung hin gerichtetes, personifizierbares Böses, zu unterscheiden. In diese Kategorie fallen die Trolle, auf die unsere Reisegruppe in Kapitel 2 trifft und ganz besonders die Orks auf die sie nun in diesem Kapitel stoßen. Auch zwischen Orks und Trolle lässt sich noch eine Unterscheidung treffen. Die Trolle sind pure, ungebändigte Bosheit, sie werden von Tolkien als ziemlich dämlich, nichtsdestotrotz oder gerade deshalb als sehr gefährlich dargestellt, aber in ihrer Ausprägung sind die Trolle eine Stufe unter den Orks anzusiedeln. Bringen doch die Orks anders als die Trolle mehr Potential an Intelligenz, an Verschlagenheit, an Wille zum Bösen, zu bewusst gerichteter Grausamkeit mit sich. („Zwerge hassten sie nicht aus besonderen Gründen, nicht mehr, als sie alle und jeden hassten und besonders die Ordentlichen und Tüchtigen"). Die Orks sind grausame und verschlagene Wesen. Ihnen geht es darum andere zu schädigen, ihren eigenen Gewinn um jeden Preis zu erhöhen, koste es was es wolle, - selbst wenn es um das Wohl und Leben zahlloser Lebewesen und Mitgeschöpfe geht. Kommt uns das nicht bekannt vor, wenn wir an die Übel in dieser unserer eigenen, realen Welt denken. Finden wir da nicht auch Menschen, die sich auf Kosten anderer bereichern („(...) Zangen und Marterwerkzeuge, das machen sie gut - oder zwingen andere dazu, sie nach ihrem Plan herzustellen , Gefangene und Sklaven, die arbeiten müssen, bis sie aus Mangel an Luft und Licht sterben."), und Menschen, die aus falsch verstandenem Ehrgeiz und Wissenschaftlichkeit heraus, Dinge erforschen und erfinden, die eine potentielle Gefahr für die Menschheit und vor allem für die Menschlichkeit darstellen („Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie einige von jenen Maschinen erfunden haben, die seit her die Welt verheeren, besonders jene ausgeklügelten Vorrichtungen, die Massen von Lebewesen auf einen Schlag vernichten, denn Räder, Maschinen und Explosionen erfreuten sie schon immer"). War es früher die wissenschaftliche Erforschung der Atombombe ist es nun die Gentechnik, die Erforschung von Biowaffen etc, mit all den darin enthaltenen, unter dem Mäntelchen der Menschlichkeit, verborgenen lebensfeindlichen Vorgängen.

Daraus lässt sich schließen, dass wir uns viel mehr in Acht nehmen sollten vor der die Welt verändernden Intelligenz des Bösen als vor der ungerichtet ausgelebten, destruktiven Dummheit mancher Menschen. Und wir sollten nie vergessen: Orks sind aufgrund ihrer Intelligenz wesentlich gefährlicher für uns als Menschheit insgesamt, als dämliche, leicht zu durchschauende und zu überlistende Trolle. Die wahrlich gefährlichen Feinde des Guten sind die Orks, da sie durch ihre steuernden Kräfte andere Gruppierungen für ihre Zwecke ausnützen. So hetzen sie für ihren eigenen Krieg andere gegen das Gute auf. Wie wir später sehen, sind Wargen, Trolle und andere Unterweltwesen schnell bereit bei den Kämpfen der Orks mitzumachen.

In diesem Kapitel wird also das eigentlich Böse sichtbar gemacht und in verschiedenster Gestalt personifiziert und von Tolkien zu einer Fantasiegattung verdichtet. Das beinhaltet die Schlussfolgerung, dass es also verschiedene Arten von bösen Kräften gibt. Häufig fällt das offensichtlich Böse uns mehr ins Auge mit Gewaltverbrechen, Mord und Totschlag, Diebstahl und Vergewaltigung. Aber müssen wir nicht viel mehr Angst haben vor den subtileren Arten von negativen Kräften? Von Kräften, die nicht so offensichtlich wirken und sich nicht so offensichtlich einem Schwarz-Weiß-Schema beugen? Ist das Böse denn immer so verschieden vom Guten, dass man gleich zuordnen kann, wer wohin gehört? Leider befinden wir uns in der Realität und nicht in einem Schwarz-Weiß-Western oder einer wohl geordneten Phantasie-Welt wie bei Tolkien. Die Wirklichkeit des menschlichen Bösen ist viel komplexer. Bei Tolkien hat man es oberflächlich gesehen einfacher. Man ordnet jemanden einer bestimmten Gattung zu und weiß damit schon grob, woran man mit dieser Phantasiegestalt ist. Aber bei einem zweiten Blick wird es auch hier komplizierter.

Das Böse, wie Tolkien es hier in verschiedenste Formen bringt, unterscheidet sich gar nicht so von den guten Formen. Zwerge sind Orks ähnlich und Hobbits wiederum Zwergen, so, dass die Orks den Zwergen und etwas entfernter auch den Hobbits sehr ähnlich sind. Die Lebenswelt ist für all diese Gattungen genau die gleiche. Alle leben sie in Höhlen, benutzen Stollen und Gänge, sie gehen zum Teil den gleichen Arbeiten nach, sie bauen Minen und stellen Werkzeuge her („Sie (die Orks) können Stollen graben, können minieren, wie die geschicktesten Zwerge(...)"). Aber sie sind sich nur scheinbar ähnlich und setzen sich dann, wenn man genau hinschaut doch deutlich von einander ab. Schaut man nur oberflächlich kann man Orks, Zwerge und Hobbits sehr schnell verwechseln. Gutes Unterscheidungskriterium neben der Lebenswelt und der Gestalt, aber sind die Handlungen die von ihnen ausgeführt werden. Und hier nun kann sie keiner mehr verwechseln, frei nach dem Motto „an euren Taten soll man euch erkennen". So wird über die Orks unter anderem gesagt, „mit eigenen Händen arbeiteten sie nur, wenn es nicht anders ging"  etc. Die Zwerge als eigenständige Gattung nehmen eine gewisse Zwischenstellung ein. Sie sind fähig zur Gier, zum Streben nach Macht, aber auch zu Freundschaft, zum Dienen, zum Erschaffen wunderschöner und kunstvoller Gegenstände. Die Hobbits sind freundliche Wesen, denen keiner etwas Böses zutraut, die aber viel zu gemütlich sind, um bösen Kräften entschlossen Widerstand zu bieten. Im „kleinen Hobbit" wird also jeder schnell als das geoutet was er ist, -allein durch seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Die einzige Plastizität und Veränderbarkeit weist unser kleiner Hobbit Bilbo auf, der sein Hobbit-Sein im Verlauf des Abenteuers hin zu einer neuen Gestalt transformiert.

Wie gesagt, wir in unserer Realwelt haben es da viel schwerer. Im wirklichen Leben kann jemand aussehen wie ein edler Zauberer aber einen Charakter haben wie der letzte hinterwäldlerische Groß-Ork. Es kann uns jemand im gänzlich zerschlissenen Mantel begegnen, der inwendig die Qualitäten eines edlen Zauberers hat, die wir dort in keinster Weise vermuten würden. Die Devise sollte also für uns immer sein, gut und genau hinzuschauen, sich nicht blenden zu lassen von Äußerlichkeiten, zum Beispiel von Aussehen und Prestige oder andersgewendet vom Fehlen dieser Kriterien. Das Böse dieser Welt hat viele Gesichter und darunter sind auch viele, auf den ersten Blick vermeintlich schöne.


Der "Kleine Hobbit" als praktischer Begleiter durch die Reise des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt