10.Kapitel Dankbarkeit dem Schicksal gegenüber

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Einzig und allein der Fluss bot noch eine sichere Möglichkeit von den Rändern des Nachtwaldes zu den vom Berg überragten Ebenen jenseits zu gelangen." (...) So war also Bilbo, wie man sieht, am Ende an den einzigen Weg geraten, der überhaupt etwas taugte."

Durchgewalkt, mit blauen Flecken übersät, mehr tot als lebendig werden die Zwerge nach einer langen Fahrt den Fluss hinunter endlich von Bilbo aus ihren Fässern befreit. Sie sind nahe am Verhungern, ihre Kleidung ist zerfetzt, ihr Körper wund und schmerzend. Völlig am Boden zerstört wäre wohl der richtige Ausdruck ihr Elend richtig zu beschreiben. In diesem Moment ist kein Funke von Dankbarkeit ihrem kleinen Retter gegenüber in ihnen („Sie waren so zerschunden, durchgeschüttelt und klamm, dass sie ihre Befreiung in keiner Weise richtig schätzen, oder gar Dankbarkeit empfinden konnten"). Kein Gefühl von Anerkennung lebt in ihnen, dass Bilbo sie aus ihrer Gefangenschaft befreit hat und sie, so erfahren wir von Tolkien, den einzig noch gangbaren Weg zum großen See und damit genau ihrem Ziel entgegen geführt hat. Im Moment lebt in ihnen nur das Missfallen, welche Transportmöglichkeit ihnen das Schicksal zugedacht hat. Das Schicksal hat sie sehr wohl in die, das wird ihnen im Nachhinein immer deutlicher, - einzig richtige Richtung getrieben, - aber leider nicht im 1.Klasse Liegewagen, sondern über Umwege und äußerst unbequeme Strecken hinweg.

Auch für uns gilt oftmals die selbe Weisheit, - blicken wir auf unser Leben oder auf  Teilabschnitte zurück, wird uns selbst deutlich, dass wir genau den richtigen Weg zurückgelegt haben, dass bestimmte Wegstrecken wie Puzzlesteine zusammenpassen. Ohne es zu spüren, gehen wir immer dem uns zugedachten Schicksal entgegen, immer mehr zu der Person werdend, die wir im Grunde sind oder sein könnten. Oftmals sogar sieht etwas aus wie eine Riesensackgasse oder eine riesige Zumutung, um dann zu sehen „Aber Hallo" hier bin ich also jetzt angekommen, wieder mit vollem Blick aufs näher gekommene Ziel. Wir werden oft vom Leben durchgerüttelt, wie bei einem Waschmaschinenschleudergang. Aber nach einem tiefen Fall kann, wie wir es hier in diesem Kapitel sehen, ein glanzvoller Aufstieg erfolgen, - die natürlichen Schwankungen dieses unseres Lebens, von denen wir schon vorher gesprochen haben. Die in Lumpen gehüllten Zwerge mutieren unter der Mithilfe der Bevölkerung wieder zu schmucken, gut erholten Wesen („Sie waren mit neuen Kleidern in den eigenen richtigen Farben ausgestattet, hatten ihre Bärte sauber gekämmt und geschnitten und gingen stolzen Schrittes umher"). Das Blatt kann sich also sehr schnell wenden. Nun sind die Zwerge wieder frei, werden verwöhnt und gefeiert. Am Boden zerstört, dass es schlechter kaum gehen kann und dann gefeiert und umsorgt - so wechselhaft kann Leben schließlich sein.

Und auf dieser ihrer Reise werden manche mehr vom Schicksal durchgerüttelt als andere. Einigen der Zwerge geht es nach der turbulenten Fahrt in den Fässern relativ gut, andere wiederum sind körperlich und seelisch am Rande ihrer Belastbarkeit und das, obwohl sie die gleiche unangenehme Wegstrecke hinter sich gebracht haben. Treten Belastungen im menschlichen Leben auf, die dazu führen, dass wir uns elend, kaputt, vom Leben zerschlagen und mürbe gemacht fühlen, dann sollte unser Ziel trotz allen Leids, das uns wiederfahren ist, sein, so schnell wie möglich wieder aus dem dunklen Loch heraus zu krabbeln. Und zwar genau dann, wenn wir uns ganz und gar nicht danach fühlen. Genau in einer solchen Stimmungs- und Lebenslage kommt es darauf an, sich schnellst möglichst wieder in Bewegung zu setzen. Genau so wie es die Zwerge hier tun sollten, die vollkommen zerstört aus ihren Fässern kriechen und obwohl sie frei sind, sich immer noch nicht frei fühlen („Kurz, seid Ihr lebendig oder tot? fragte der Hobbit ärgerlich. (...) Sitzt Ihr noch in Gefangenschaft oder seid Ihr frei?")  Wenn man also in seiner Selbstverwirklichungsreise voran kommen will, muss man statt zu jammern die blauen Flecken einstecken und versuchen, sich trotz noch bestehender Schmerzen zu bewegen, sonst erstarren die wehen Muskeln und alles wird noch schlimmer („so tätet Ihr besser, mit den Armen zu schlagen, die Beine zu massieren und mir zu helfen, die anderen herauszuholen, solange die Gelegenheit noch günstig ist"). Und sich genau zu diesem Zeitpunk Dankbarkeit den waltenden Schicksalskräften gegenüber zu bewahren und sich zu erinnern: ich bin wieder frei, das Schicksal hat mich hineingeführt, aber aus dem Unsäglichen auch wieder herausgeführt, - das ist das Kunststück, das ein in sich ruhender Mensch vollbringen muss.

Der "Kleine Hobbit" als praktischer Begleiter durch die Reise des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt