17.Kapitel Die einzig wirklich von uns geforderte Lebensentscheidung

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„Halt! schrie Gandalf, der plötzlich erschien. Mit erhobenen Armen stand er allein zwischen den angreifenden Zwergen und den sie erwartenden Schlachtreihen. Halt! schrie er mit einer Stimme, die den Donner übertönte. Unheil ist über euch alle hereingebrochen"

Schnell wenden sich in diesem Kapitel die von Tolkien beschriebenen kriegerischen Abläufe. Die unvermeidbar anmutende Schlacht zwischen den Zwergen und den Menschen und Elben findet nicht statt. Das war so nicht vorherzusehen. Alles hatte sich auf eine offene Auseinandersetzung zugespitzt, keine der Parteien ist zum Einlenken oder Umkehren bereit. Einzig der Elbenkönig unternimmt den Versuch den Beginn der kriegerischen Konfrontation hinauszuzögern, da er noch an die Möglichkeit eines friedlichen Übereinkommens glaubt. („Aber der Elbenkönig sagte: "Ich will doch lieber abwarten, ehe ich diesen Krieg des Geldes wegen beginne. Die Zwerge können nicht an uns vorbei, wenn wir es nicht wollen (...) Noch ist Hoffnung. Vielleicht geschieht etwas, das Aussöhnung bringt. (....)"). Doch die Zwerge hält nichts mehr, sehen sie doch den „Arkenjuwelen" - den Schatz ihres Volkes - in der Hand von „Fremden". Etwas was sie stark aufrüttelt, da es ihren eigenen Bedürfnissen extrem entgegen steht. So etwas können sie aus ihrer eigenen Perspektive heraus niemals zulassen - koste es was es wolle. So stehen sich also zwei Kampfesparteien mit verschiedenen Bedürfnislagen gegenüber. Jeder fühlt sich intensiv im Recht und ist bereit für dieses Recht auch zu kämpfen. In ihrem Kampfgehabe unterbrochen werden die beiden Kriegstruppen jedoch durch das Heranziehen großen völlig andersgearteten Unheils („Aber noch plötzlicher nahte mit unheimlicher Geschwindigkeit eine Finsternis"). Die Orks unterstützt von den Wargen und vielen anderen dunklen Geschöpfen marschieren auf zum großen Showdown, zum einen um sich zu rächen für den Tod des großen Orkhäuptlings, zum anderen um den Schatz für sich zu erkämpfen („So begann eine Schlacht, mit der niemand gerechnet hatte. Sie wurde die Schlacht der fünf Heere genannt (...)"). Innerhalb der Geschichte des „Kleinen Hobbits" geht es jetzt also nicht mehr um den Drachen als Symbolfigur für das böse Bekämpfenswerte allein, auch nicht mehr um das Erringen eines Schatzes, sondern es geht um einen allumfassenden Kampf des Guten gegen das Böse im Allgemeinen. Symbolisiert wiederum durch den Kampf der verschiedenartigsten Kreaturen und Kräfte in der Tolkienschen Phantasiewelt. Auf der einen Seite kämpfen die animalischen, triebgesteuerten, grausamen, seelenlosen Orks, die gesichtslos sind, zusammen mit denen ihnen untergeordneten Fledermäusen und Wildwölfen, die sogar noch ein Stück mehr entpersonalisierte Geschöpfe darstellen. Auf der anderen Seite stehen die Elben geführt von ihrem König, die Menschen geführt von Bard, und alle werden von Gandalf unterstützt. Gute edle Geschöpfe die aber leider zahlenmäßig völlig der Übermacht der dunklen Kräfte unterlegen sind. Und dann gibt es noch Repräsentanten solcher Kräfte, wie Dain und Thorin, bei denen vorerst noch nicht entschieden ist, zu welcher Seite sie gehören wollen, und auf welche Seite (die helle oder die dunkle) sie sich schlagen werden oder ob sie überhaupt Position beziehen.

Eine Schlacht der Superlative beginnt. Eine Schlacht, in der alle Kräfte des Guten gebündelt werden müssen, um siegreich sein zu können. Es reicht nicht, dass die Menschen da sind und das Elbenheer und die Zwerge, gebraucht wird auch noch Unterstützung durch die nahenden Adler und wie wir im nächsten Kapitel hören werden, schließlich und endlich auch von Beorn, dem Wandelmensch. So sind es erdgebundene gute Kräfte, aber auch himmelwärts gerichtete Kräfte, die den Kampf letztendlich maßgeblich mitentscheiden, versinnbildlicht durch die Adler und durch Beorn.

Lange, endlos lange brandet der Kampf hin und her, Seite um Seite, mal liegt die eine Partei vorne, dann wieder die andere. Hoffnung und Verzweiflung wechseln sich stetig ab. Keine Sekunde ist abzusehen, wer den Kampf nun wirklich gewinnen wird - wie auch im richtigen Leben. Wer wird den Sieg davontragen? Wir wissen es nicht, und das macht uns Angst. Und wie schon dargelegt wurde, - wir können nur eins wissen und entscheiden - auf welche Seite wir selbst uns stellen wollen - mit all unseren Kräften, mit all unserer menschlichen Würde, erhobenen Hauptes von einem unerschütterlichen Optimismus erfüllt, der besagt, dass keine einzige Handlung, mag sie noch so aussichtslos und oberflächlicher Weise gesehen, ergebnislos sein, umsonst oder gar wertlos ist („Hinter dem angreifenden Thorin lagen viele Menschen und Zwerge tot zwischen den erschlagenen Orks - und mancher Elb, der noch lange ein fröhliches Leben in den Wäldern hatte führen sollen"). War der daraus entstehende Sieg all diese Opfer wert? Das individuelle Leben mag erlöschen, aber der Sieg schützt kollektiv die zutiefst menschliche Seinsethik und ermöglicht dadurch das Aufwachsen zahlreicher anderer Elben, Zwerge und Menschen in Frieden und Freiheit. Und aus diesem Wissen kann die tiefe Erkenntnis entspringen, dass keine Handlung und kein einziges gelebtes Leben, kein Schicksal unbeachtet - oder wirkungslos bleibt in diesem unserem Universum - alle Handlungsstränge, die positiven und negativen Verhaltensweisen, alle sind bis in Unendlichkeit verwoben. Diejenigen, die an einen tieferen Sinn hinter den Dingen glauben, verstehen sicher, was gemeint ist.

Deshalb geht es auch für uns abermals zentral um die fundamentale Frage, die von Anbeginn der Zeit immer wieder und wieder an uns gestellt wird: Auf welche Seite wirst du dich stellen? In welche Richtung wirst du deine Kräfte, Talente, Charaktereigenschaften richten? Wirst du überhaupt Stellung beziehen oder dich feige wegstehlen wollen, so wie der feige Meister der Seestadt? Auf der eigenen Selbstverwirklichungsreise ist es unerlässlich seine einzigartige Position zu finden in der Jahrtausende währenden Konfrontation zwischen Gut und Böse, zwischen lebensbejahenden Impulsen und menschenverachtenden Vorgehensweisen. Neutralität gibt es in diesem Falle nicht, sich damit herauszureden ist eine große Lebenslüge, es gibt nur entweder Hinschauen oder Wegschauen, etwas anderes gibt es nicht. Jeder von uns kann das Salz in der Suppe der menschlichen Lebensentfaltung werden. Was aber, wenn das Salz kraftlos wird? Wer wird dann die menschliche Ethik noch weitertragen? Wenn wir auf selbstbezogene, kindische Weise meinen „Alles wird gut" oder „ich kann sowieso nichts ausrichten, warum dann das Risiko", dann sind wir dabei auf dem besten Wege an unserer eigenen Menschwerdung vorbei zuspazieren.Und eine neue Spezies ins Leben zu rufen, die „Blind-Schlappis" die wie dumme Schafe in jegliche Richtung geführt werden können. Die meisten von uns Menschen könnten gut und gern ein bisschen Pfeffer im Hintern gebrauchen, sonst wird sich wohl so bald nichts zum Positiven ändern. Eine nette Methode vieler Menschen ist leider nach wie vor noch, sich hinter der Illusion eines vermeintlich ruhigen Lebens zu verbergen - „wer sagt hier was von kämpfen, mein Spazierstock taugt dafür aber rein gar nichts und auf meinem warmen kuscheligen Sofa ist es eh grad so schön beschaulich". Nun gut Nietzsche, Buddha, Jesus, Martin Luther King, Gandhi, Herman Hesse, Lieschen Müller und viele mehr haben dann sicher nicht für dich gelebt, gelehrt, gekämpft oder sind gar für dich gestorben. Nein sicher nicht. Oder vielleicht doch? Ist da ein hobbitmäßiger Lebensfunke in dir. Dann auf, hopp, marsch, hinein in den friedfertigen Kampf. Vom kleinsten Hobbit bis hin zum größten Zauberer sind alle aufgerufen ihr gesamtes Sein in die Waagschale zu werfen und den entscheidenden Unterschied zu machen - auch und vorrangig du selbst.





Der "Kleine Hobbit" als praktischer Begleiter durch die Reise des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt