14.Kapitel Seine Stellung im Leben akzeptieren lernen

3 0 0
                                    

Auch planten sie unter der Leitung des Meisters eine neue Stadt, die noch schöner und großzügiger als die alte angelegt werden sollte (...)"

Auch der Meister ist, ob man es glaubt oder nicht, dennoch an der richtigen Stelle. Obwohl er sich in der Gefahr als feige und egoistisch erweist (und das sicher allzu oft auch ohne drohende Gefahr ist) scheint er doch Talente und gute Seiten zu haben. So hat er die politische Fähigkeit eine Stadt wie Esgaroth wieder zu einer prosperierenden Stadt werden zu lassen, in der die Bewohner zufrieden leben werden („Wie ihr seht, hatte dieser Mann seine Stellung als Meister der Stadt Esgaroth nicht umsonst erhalten"). Der Meister ist sicherlich kein grundschlechter Mensch, aber er hat Schwächen. Eine Schwäche ist, nicht selbstlos zu sein, aber wie viele Menschen in unserer Gesellschaft sind das noch: echt selbstlos zu sein ist eine Eigenschaft, die heraussticht, so wie Bard hier aus der Menge heraussticht. Kommt man in Kontakt mit dem Meister dann darf man nur nicht zuviel von ihm an Menschlichkeit erwarten und muss sich immer bewusst sein, welche Persönlichkeit einem gerade gegenübersteht und wo die Grenzen der Handlungsfähigkeit bzw. des Handlungswillens dieser Person liegen. Abgesehen davon füllt der Meister aber die ihm vom Schicksal zugedachte Aufgabe eines Bürgermeisters gut aus und dazu gehört wohl ein gewisser Grad an Machtwille und an Dominanz. Das erkennt auch Bard - obwohl das Volk ihm anbietet den Meister aus seiner Position zu vertreiben und ihn zu ihrem König zu machen, nutzt er diese Möglichkeit nicht. Er macht keinen Versuch den Meister der Stadt zu vertreiben oder zu bekämpfen. Er erkennt also sehr wohl, dass der Meister seinen Wert hat, er hintertreibt ihn auch nicht beim Volk („Er gab die Anordnungen, wie er es für gut hielt (jedoch stets im Namen des Meisters"). Er kann akzeptieren, dass der Meister an einer bestimmten Stelle im Leben steht und die Rolle eines Staatsoberhauptes besser ausfüllen wird als er als Krieger. Und er weiß auch, dass die ihm vomSchicksal zugedachte Rolle darauf wartet von genau ihm ausgefüllt zu werden und zwar als König von Dal („Lasst euren König Bard zurück in sein angestammtes Reichen gehen - durch seinen Mut ist Dalf reigeworden"). Welch Selbstbewusstsein spiegelt sich in Bards Verhalten wider, nicht zu versuchen „fremde" Positionen im Leben einnehmen zu wollen, selbst dann, als sie auf dem silbernen Tablett an ihn herangetragen werden. Welcher Mut zu wissen und darauf zu hoffen, dass die direkt für ihn zugeschnittene Lebensposition bereits anderswo auf ihn wartet. Bard braucht also den Meister nicht bekämpfen, da er weiß, dass für ihn an anderer Stelle seine ureigenste Aufgabe auf ihn wartet. Er hat es nicht nötig sich in Bereiche zu drängen und um Bereiche zu kämpfen die schon von jemand anderem ausgefüllt sind. Er kennt seine Fähigkeiten, Talente, Charakterzüge um zu wissen, welche Stellung im Leben für ihn angemessen ist, - eine Position, die er als Person, die er ist, völlig ausfüllen kann.

Und noch ein weiterer „unbedeutender" Akteur des Heldenepos ist durchaus mit seiner Stellung im Leben zufrieden (auch wenn er sich immer wieder auf sein heimisches Sofa zurücksehnt). Mit keinem einzigen Wort wird im gesamten Buch erwähnt, dass Bilbo traurig darüber ist, den Drachen nicht selbst erlegt zu haben. Genau wie Bard kennt der Beutlin seine ureigenste Aufgabe, seine Fähigkeiten und Talente und schöpft sein Potential zunehmend aus. Er braucht mit keinem Drachentöter konkurrieren, schließlich ist er ja kein großer Krieger, sondern ein kleiner zu werdender Meisterdieb.

Bilbo und Tolkien spiegeln uns mit diesen Ausführungen vor, dass wir uns selbst nicht ganz so ernst nehmen sollten, die „wahren" Macher sehen anders aus, sie spielen eine wichtige Rolle in der Politik, in der Gesellschaft. Und obwohl wir dies wissen, fällt es uns so schwer zu akzeptieren, dass uns im Grunde nichts anderes übrig bleibt, als die Stelle im Leben auszufüllen, an die wir gestellt worden sind. Wie gerne schielen wir in Träumen und Phantasien auf die Möglichkeitein ein ganz anderes Leben zu führen. Die Gefahr bei dieser Vorgehensweise ist, sein Leben nicht bis zum Ausschöpfungspunkt zu leben, sondern in Träumen und Phantasiewelten zu versinken und uns selbst zu blockieren, da wir nach Stellen im Leben streben, die einfach eine Liga zu hoch für uns sind. Und diese inneren selbsterrichteten Blockaden führen auch immer zu Unzufriedenheit und zu nicht gelebtem Leben und nehmen uns damit die Lebensmöglichkeiten und Entfaltungsmöglichkeiten in diesem unserem jetzigen Leben. Der Satz, „die eigene Stellung im Leben akzeptieren zu lernen", mahnt uns im positiven Sinne immer wieder uns weiter zu entwickeln auf demPlatz, auf dem wir durch das Schicksal gestellt worden sind.

Der "Kleine Hobbit" als praktischer Begleiter durch die Reise des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt