2.Kapitel Talente und Fähigkeiten nicht zum falschen Zeitpunkt überstrapazieren

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Eine blödsinnige Gelegenheit, sich in der Meister- und der Taschendieberei zu üben, bemerkte Bombur, was wir brauchten, war ein Feuer und etwas zu essen!"

Im Verlauf des Kapitels spitzt sich der gesamte Handlungsstrang auf die Situation zu, wo der Hobbit von den Zwergen ausgesandt wird, um herauszufinden, ob es dort, wo der Lichtschein herkommt, einen warmen Platz, freundlich gesinnte Wesen und etwas zu Essen gibt.

Kaum hat Bilbo sich an das Licht herangeschlichen, sieht er sich mit drei ausgewachsenen Trollen konfrontiert, die ihn noch nicht bemerkt haben. Er steht jetzt vor der Entscheidung, wie er sich weiter verhalten will. Das gewünschte Essen und den sicheren Ort kann er den Zwergen nicht liefern, das steht schon mal fest. Statt sich nun aber wieder in die Sicherheit der Bäume zurück zu ziehen, entsteht in ihm der Wunsch sich gegenüber den Zwergen beweisen zu wollen. („Und doch - irgendwie brachte er es nicht übers Herz, stracks mit leeren Händen zu Thorin und seinen Gesellen zurückzukehren"). Es scheint dabei so zu sein, als ob der Hobbit den anderen durch seine zukünftigen Handlungen (Heldentaten) imponieren will. Er verlässt sich nicht auf seinen Instinkt, sondern er will sich nach außen beweisen. Und das scheint der Grund für sein Scheitern zu sein. Dieses Verhalten zu Beginn seiner Abenteuerreise verdeutlicht, wie selbstunsicher er sich wirklich fühlt und wie abhängig von der Bewertung anderer er nach wie vor noch ist. Er wünscht sich sehnlichst deren Anerkennung und er ist dafür auch bereit, gewisse, nicht abschätzbare Risiken auf sich zu nehmen.

An dieser Stelle des Kapitels versucht der Hobbit, herausgefordert von den Ansprüchen der Zwerge, sein Talent als Meisterdieb unter Beweis zu stellen und es misslingt. Er versucht, die Geldbörse des Trolls zu entwenden und wird dabei gefangen. Ausgelöst wird diese ganze Entwicklung durch bestimmte Vorstellungen, die der Hobbit hat, wie sich ein richtiger Abenteurer in einer solchen Situation zu benehmen hat. Er hat diesbezüglich schon etliche Dinge gelesen und bestimmte Konzepte verinnerlicht. („Ein wirklich erstklassiger und berühmter Meisterdieb hätte an seiner Stelle wohl etwas aus den Trolltaschen herausstibitzt. (....) Bilbo wusste es. Er hatte eine Menge Dinge gelesen, die er niemals gesehen oder selbst getan hatte.") Von dem Vorhandensein von Trollen und deren Bekämpfung hat er demnach nur gelesen, ist aber sicher noch niemals einem ausgewachsenen Exemplar dieser Gattung selbst gegenüber gestanden - er hat also mit einer solchen Gefahrensituation keinerlei eigene Erfahrung. Bilbo hat demnach von sich aus das Abenteuer und die damit verbundene Herausforderung zu früh gesucht. Er war nicht ausreichend vorbereitet und überfordert sich und seine Fähigkeiten damit massivst. Ihm fehlt zu diesem Zeitpunkt das ausreichende Wissen, die nötige Erfahrung und Fähigkeit mit dieser Situation umzugehen.

In der Konfrontation mit den unfreundlichen Trollen stolpert er deswegen über eine Reihe von Fallstricken. Zum einen setzt er sein angelesenes Wissen jetzt ein, wo es gar nicht stimmig ist, denn es geht hier ja nicht in erster Linie, um den Auftrag etwas zu stehlen, sondern ums  Auskundschaften. Das Motto „Alles zu seiner Zeit" hat der kleine Hobbit da wohl nicht bedacht. Alles hat seine Zeit, Fliehen oder Stehlen. Diese Tatsache entgeht Bilbo, da er verblendet versucht den Respekt der Zwerge zu gewinnen. Zusätzlich ignoriert Bilbo in dieser Situation seine eigenen Instinkte, er unterdrückt sein „Bauchgefühl". Beides Empfindungen, die ihn sicher aufgerufen haben, so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Bilbo überdeckt seine eigene Intuition und seinen gesunden Menschenverstand mit rein theoretischen Vorstellungen und Konzepten, wie „man" bzw. andere mit dieser Situation umgehen würden. Von sich und seinen instinktiven Gefühlen entfremdet, trifft er mit dem Versuch des Diebstahls der Trollgeldbörse eine falsche und gefährliche Entscheidung. Zum anderen registriere man, wenn man obiges Zitat liest, dass er sich an eine Aufgabe heranwagt, die erstklassigen und berühmten Meisterdieben vorbehalten sein sollte. Sicherlich sind die Fähigkeiten für einen Meisterdieb in ihm angelegt (dafür hat ihn Gandalf schließlich ausgesucht) aber er hat übersehen, dass bei allen Dingen, bei allen Begabungen und Talenten zuerst dennoch kleine Schritte nötig sind, in denen man sein eigenes Potential erweitert und auch festigt. Diesen Rhythmus hat der Hobbit übersprungen, wohl weil die Situation irgendeine Handlung erforderte und sein inneres Erregungsniveau bei dieser, seiner ersten Erprobung sicher sehr hoch war, aber eben auch, weil er hier noch den starken Wunsch nach Bestätigung und Anerkennung intensiv in sich trägt und deshalb versucht, das Unmögliche möglich zu machen. Und dies, obwohl die Wahrscheinlichkeit des Gelingens, bei klarem Verstande und bei normalem Erregungsniveau als sehr gering einzuschätzen ist. Der sich anbahnende Misserfolg war für alle, außer wahrscheinlich für unseren Hobbit, der mitten in den Geschehnissen steht, wohl schon absehbar.

Aber machen wir es oft nicht genauso? Wir stürzen uns blindlings in eine Sache, die Talent und Ausdauer bedarf und geben nach einigen halbherzigen Versuchen und damit einhergehenden Misserfolgen auf. Wir haben's doch gewusst, wir können nichts, wir sind nichts wert und wie konnten wir nur auf die dumme Idee kommen es auszuprobieren und uns eventuell dabei sogar zu blamieren. Schluss, aus, Ende, nie wieder. Statt zu sehen: a). Es war ein halbherziger Versuch und b). zu jeglichem Talent gehört eine Riesenportion an Arbeit, Fleiß und Anstrengung und gegebenenfalls auch Misserfolgen bis das Talent erblühen kann. Wie haben also zwei Möglichkeiten, wenn wir mit einer Situation konfrontiert sind, die Talent und Fähigkeit bedarf und an deren Bewältigung wir Interesse haben. Wir können aufgeben, wenn unser Talent zu diesem Zeitpunktnoch nicht ausreicht oder wir können dranbleiben und an uns arbeiten. Aber das könnte ja schon zu anstrengend sein, es wäre doch so schön, wenn einem gebratene Hammelkeulen in den Mund flögen, die haben aber leider nun mal nicht die Eigenschaft zu fliegen und darum muss man sie erst haben, dann braten, um sie dann essen und genießen zu können. Und wie oft scheint es uns so, als ob den anderen alles immer zufliegen würde, nur uns armen, vom Leben Vernachlässigten aber nicht. Und wir übersehen dabei, dass es von den sogenannten Naturtalenten bis hin zum Edinson'schen Genie tausende Versuche, Übung und lange Ausdauer bedurft hat. Auch ein virtuoser Klavierspieler, der uns anmutet, als ob ihm seine Fingerfertigkeit in die Wiege gelegt worden sein muss, übt Stunde um Stunde um sein Talent so ausbauen zu können. Wir sollten uns klarmachen, dass zwischen den außergewöhnlichen Leistungen, die uns so beeindrucken und den normalen Talenten oftmals nur der Einsatz entscheidet, den zu bringen man bereit ist. Häufig braucht es gar kein großes Talent, sondern nur ständiges Einüben, um erstaunliche Leistungen erbringen zu können.

Verhungere also bitte nicht vor den vollen Tischen des Lebens, aus dem Gefühl heraus es nicht zu können, es eigentlich nicht wert zu sein und vor den erstenSchritten für sich bereits zu wissen, dass du nie Erfolg haben kannst. Schau lieber mal, was dir wirklich wichtig ist, welche deiner Talente und Fähigkeiten du ausbauen willst und konzentriere dich dann auf nur wenige Dinge. Verlieren dich nicht in der Vielzahl der offenen Möglichkeiten, die in unserer Zeit geboten sind, die schon ins Unermessliche steigen, sondern suche dir ein Aufgabengebiet heraus und bleibe daran, bis sich dort erste Erfolge einstellen. Nur so kann dein Selbstbewusstsein für noch größere Aufgaben wachsen. Auch der Hobbit bleibt ja bei seiner„Meisterdieberei" und wird dabei von Mal zu Mal erfolgreicher und geschickter und er versucht nicht zu gleich andere Fähigkeiten auszubauen.

Zum Glück lässt sich der kleine Hobbit weder von seinem Misserfolg noch durch die Kritik der Zwerge übermäßig frustrieren und entmutigen. Dieser Rückschlag hindert ihn nicht daran mit seinem Abenteuer fortzufahren. Er handelt frei nach dem Motto: „Dranbleiben und neue Erfahrungen machen". In den weiteren Kapiteln baut er zunehmend auf seine gemachten Erfahrungen auf und trainiert dadurch seine Fähigkeiten und Talente und im gleichen Ausmaß sein Selbstbewusstsein immer weiter. Und dadurch sammelt er immer mehr Kraftreserven und einen größeren Erfahrungsschatz als zu Beginn seiner Reise an. Der kleine Hobbit lebt uns demnach vor, sich selbst nichts nachzutragen. Er setzt sich nicht hin und jammert über seine Unfähigkeit, sondern geht tapfer weiter dem entgegen, was ihm vorherbestimmt ist. Beobachten wir den Hobbit in diesem Kapitel, dann hilft uns das eventuell zu erkennen, dass unter Druck und hohem Erregungsniveau gemachte Entscheidungen, die das Leben schlagartig ohne lange Vorausplanung von uns abverlangt, nicht perfekt sein können.Schließlich sind wir keine Hellseher, die immer genau wissen können, welche unmittelbaren Folgen unser jetziges Verhalten in Zukunft zeigen wird. Oft verlangen wir von uns im Nachhinein, wenn etwas schiefgegangen ist, dass wir es hätten vorhersehen müssen und verurteilen uns dann, für unsere „fehlerhafte" Entscheidung. Es ist wichtig sich zu entlasten, zu wissen dass es die perfekte Entscheidung nie gibt, nie geben kann. Und sich darauf zu verlassen, dass man mit den Folgen einer Handlung, wie auch immer sie ausfallen, auch lernt umzugehen. Durch eine fehlgegangen Entscheidung ist unser Leben nicht vertan, sondern auch danach warten noch viele weitere Entscheidung auf uns, denen wir nun mit mehr Erfahrungen gegenüberstehen und die jetzt erfolgreich von uns gemeistert werden können. Wir sollten uns öfter einmal selbst eine vermeintlich falsche Entscheidung verzeihen, indem wir uns der Erkenntnis öffnen, dass wir bei der Wahl der Vorgehensweise ja immer den besten Ausgang geplant und besten Wissens und Gewissens diese Schritte eingeleitet haben. Hätten wir gewusst, was auf uns wartet, hätten wir sicher anders gehandelt. Zum Glück plagt sich unser Hobbit kein Mal mit dem „Ach-hätte-ich-doch-nur-Spiel" herum. Da scheint er bereits mehr Selbstbewusstsein zu haben, als man ihm so zutraut und mehr Selbstbewusstsein als viele von uns.

Der "Kleine Hobbit" als praktischer Begleiter durch die Reise des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt