Wie in Trance bewegte ich mich nach draußen und wartete vor dem Haus auf den vertrauten Audi. Ich sah mich um. In den meisten Häusern ringsherum brannte bereits kein Licht mehr. Sie alle lagen neben ihren Liebsten und kuschelten sich an. Ich wollte das auch. Jeden Tag neben Mara einschlafen. War das zu viel verlangt? Obwohl es ein heißer Tag gewesen war, fror ich nun etwas. Warum hatte ich mir keine dickere Jacke eingepackt? Sollte ich noch einmal schnell ins Haus flitzen? Aber mir wurde die Entscheidung abgenommen, als ich Scheinwerfer sah, die gerade in die Straße einbogen. Mein Herz machte einen Purzelbaum. Diese Aufregung würde sich nie legen. Schon in der Schule hatte ich dagegen angekämpft, aber nichts hatte geholfen. Sobald sie in der Nähe war, raste mein Herz und ich konnte nicht mehr klar denken.
Ich riss regelrecht die Autotür auf und sofort fiel mir auf, dass sie geweint hatte. Ich wollte sie nicht so sehen. Wollte etwas sagen, was sie tröstete, aber dafür musste ich erst einmal den Grund erfahren, also ließ ich mich stumm auf den Sitz fallen. Das Auto setzte sich in Bewegung. Immer wieder fuhr sie sich durch ihre offenen Haare. Man spürte ihre Nervosität und sie wurde immer fahriger. »Hey Mara, beruhige dich etwas«, sagte ich sanft und berührte ihre Hand. Sie riss die Augen auf und sah mich hilflos an. Ich konnte ihre Verzweiflung spüren. »Fahre da auf den Parkplatz«, meinte ich und zeigte auf einen großen Platz vor einem Ärztehaus. Er war fast leer. Nur vereinzelt parkten dort Autos, aber niemand war zu sehen. Wir waren ganz alleine.
Sie parkte das Auto und schaltete den Motor aus. Plötzlich hörte ich, wie sie zu wimmern begann. »Es tut mir so leid«, murmelte sie immer wieder und die Tränen flossen an ihren Wangen hinab. Ich lehnte mich zu ihr und nahm sie in den Arm. Die Position war unbequem, aber das war egal. Ich wollte ihre starke Schulter sein, obwohl mir ebenfalls nach Weinen war. Ich nahm ihren Duft wahr und meine Knie wurden weich. Er benebelte mich völlig und war der schönste Geruch der Welt für mich. Keiner sagte ein Wort. Sie weinte und weinte. Nach einer Ewigkeit schob sie mich ein Stück zurück und sah mich an. Über ihre Lippen kam ein leises: »Danke.« Liebevoll sah ich sie an. »Du brauchst dich nicht bedanken. Ich werde immer für dich da sein.« Ihre Augen waren rot geweint und ihr Gesicht war fleckig, doch trotzdem war sie die schönste Frau der Welt für mich. Sie würde selbst in einem Kartoffelsack gut aussehen.
»Magst du jetzt mal erzählen, was passiert ist?« Sie sah starr nach draußen. Eine alte Laterne spendete uns etwas spärliches Licht. Ich hatte Angst vor ihrer Antwort. Konnte ich es ertragen? Was sollte ich tun, wenn sie sich doch gegen mich entschied? Ich liebte diese Frau. Das war mir wieder klar geworden in den letzten Tagen. Auch wenn es irgendwie absurd war, wenn ich von Liebe sprach. Aber ich hatte tief in meinem Inneren nie aufgehört, sie zu lieben. Sie war fest in meinem Herzen verankert. Wie sollte ich ohne sie weiterleben? Nie wieder würde ich jemanden wie Mara finden. Ich wartete auf eine Antwort, aber sie sagte nichts. Ihr Mund blieb geschlossen und die Anspannung nahm immer mehr von mir Besitz. Ich musste schlucken und mein Hals war plötzlich ganz trocken. Durch einen Krankenwagen mit Martinshorn, der irgendwo durch der Stadt fuhr, zuckte ich schreckhaft zusammen. Ich fühlte mich für einen Moment unwohl. Das war immer so, wenn ich einen Krankenwagen sah oder hörte. Leichte Panik stieg in mir auf. Immer wieder stellte ich mir die Frage, was passiert war und ich hoffte, dass es nur eine Schwangere war, die kurze Zeit später ein gesundes Kind bekommen würde.
Ich war so in meine Gedanken vertieft gewesen, dass ich nicht mitbekommen hatte, was Mara sagte. Oder eher genuschelt hatte. »Wie bitte?« Mit einem merkwürdigen Ausdruck sah sie mich an. Dann wiederholte sie: »Max hat mir einen Antrag gemacht. Scheiße, er will mich heiraten.« Erstarrt konnte ich nur nach vorn schauen. Ihre Worte hallten in mir nach und ich brauchte einige Sekunden, um zu verarbeiten, was sie mir soeben offenbart hatte. »Was?«, brachte ich krampfhaft über die Lippen und presste diese dann zusammen. Sie rieb sich mal wieder die Schläfen. Man sah ihr an, wie die ganze Sache an ihren Nerven zehrte und ich fühlte mich schuldig. »Willst du ihn auch heiraten?« Geschockt sah sie mich an und schüttelte stumm den Kopf. Dann meinte sie leise: »Das ist es ja, Ella. Wenn du nicht hier aufgetaucht wärst, hätte ich wahrscheinlich zugestimmt. Aber jetzt ist alles anders. Du bist hier und hast auch Gefühle für mich. Ich hatte niemals damit gerechnet und es in Erwägung gezogen. Ich dachte, ich muss für immer ohne dich leben. Ich wäre seine Frau geworden. Ohne zu zögern. Aber ich kann ihn nicht heiraten, es wäre falsch. Du hast mein Herz. Die ganze Zeit über hattest du mein Herz. Auch wenn es völlig blöd klingt.«
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Remember me || gxg
RomanceAls Ella ihren Eltern ihre Freundin Emilia vorstellen möchte, ist ihre Welt noch völlig in Ordnung. Doch kaum ist sie zurück in der Heimatstadt, holen sie die Erinnerungen an ihre erste große Liebe wieder ein. Über drei Jahre lang hatte sie diesen O...