»Was ist passiert?«, wollte ich panisch wissen und sah mich im Flur um. »Hier unten«, krächzte meine Mama und dann sah ich, was passiert war. Mein Papa war gestürzt. Die Treppe nach unten. »Kannst du den Notarzt rufen?« Sie hatte ihre gesunde Gesichtsfarbe verloren und war total blass. »Nein, nicht«, sagte meine Papa leise und hilflos sah ich zwischen den beiden hin und her. Sollte ich einen Arzt rufen? »Du blutest ja am Kopf«, entfuhr es mir plötzlich. Sein Gesichtsausdruck war verzehrt und er runzelte angestrengt die Stirn. »Ich brauche nur etwas zum Kühlen, es geht gleich wieder.« Er wollte aufstehen, aber schaffte es nicht und sackte wieder zusammen.
»Bist du verrückt? Bleibst du mal sitzen?«, wies meine Mama ihn in die Schranken und funkelte ihn böse an. »Kein Notarzt. Wir können alleine ins Krankenhaus fahren, in Ordnung?« Sie seufzte und stimmte zu. »Aber erst bleibst du kurz sitzen und ich besorge dir etwas zum Kühlen.« Sie lief in die Küche und ich fragte ihn: »Was ist denn passiert?« Er antwortete nun schon wieder mit einem leichten Grinsen im Gesicht: »Ich bin gestürzt. Aber alles halb so schlimm.« Er versuchte, die Sache runterzuspielen. Das tat er in diesen Situationen immer. Als Mann mal Schmerz zugeben? Quatsch, das war nicht möglich. Jedenfalls nicht für meinen Papa. »Das entscheidet dann gleich der Arzt«, erwiderte ich und in diesem Moment kam meine Mama zurück.
»Hier, nimm das und drücke es dagegen«, befahl sie und er gehorchte ihr schweigsam. Ich schüttelte den Kopf. Momentan war in diesem Haushalt auch ordentlich etwas los. »Ich fahre euch«, meinte ich schließlich, aber sie schüttelten beide gleichzeitig den Kopf. »Du wolltest doch zu Mara fahren«, sagte er. Mara. Ich hatte sie ganz vergessen. Dass das überhaupt möglich war. »Da fahre ich danach hin. Das geht jetzt erst einmal vor.« Ein Lächeln schlich sich über sein Gesicht und ich ging zurück in mein Zimmer, um mein Handy zu holen. Schnell schrieb ich Mara: »Hey, ich komme später als geplant vorbei. Mein Papa ist gestürzt und ich fahre ihn ins Krankenhaus. Melde mich dann bei dir.«
Dann ging ich zurück in den Flur. Er kühlte sich den Kopf. Eine schöne Platzwunde hatte er sich eingefangen. Vorsichtig versuchte er, sich erneut zu erheben. »Scheiße«, schimpfte er. Fragend sahen wir ihn an. »Ich glaube, ich habe mir mein linkes Bein gebrochen oder so. Das tut höllisch weh.« Auch das noch, dachte ich. Er humpelte zum Auto und ließ sich erschöpft auf der Rückbank fallen. Als ich einstieg, vibrierte mein Handy. Mara hatte geschrieben. »Das tut mir leid. Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes. Bis später.« Dann steckte ich das Handy weg und fuhr los.
Bis zum Krankenhaus fuhren wir nicht weit. Es waren nicht einmal fünf Minuten mit dem Auto. Wir parkten auf einem Parkplatz und gingen dann in die Notaufnahme zur Anmeldung. Er berichtete kurz vom Unfall, dann sollten wir im Wartebereich Platz nehmen. Wir warteten etwa eine Stunde, bis er an der Reihe war. Ich blieb draußen sitzen und wartete geduldig weiter. Als sie wieder rauskamen, hatte meine Mama ihre Gesichtsfarbe wieder. Der Schreck stand ihr noch immer ins Gesicht geschrieben, aber sie sah deutlich entspannter aus als zuvor. Ich sprang auf. »Alles gut«, erklärte er. »Ich habe eine leichte Gehirnerschütterung, aber es ist nichts gebrochen. Da hatte ich echt großes Glück.« Erleichterung strömte durch meinen Körper. »Ich soll die Woche zu Hause bleiben und mich ausruhen.«
Dann verließen wir das Gebäude und fuhren wieder nach Hause. Mein Papa legte sich auf die Couch und ich ging duschen. Schnell tippte ich eine Nachricht an Mara ein: »Ich bin gleich fertig und dann komme ich zu dir.« Mein Herz machte einen Sprung, wenn ich an Mara dachte. Ich hatte das Gefühl, dass mein ganzer Körper mit Liebe für diese Frau gefüllt war. Ich konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen. Also beeilte ich mich und nahm das Fahrrad. »Wartet nicht auf mich«, rief ich meinen Eltern noch zu, bevor ich das Haus verließ. Dann stieg ich auf und radelte die Sundpromenade entlang. Je näher ich Maras Wohnung kam desto aufgeregter wurde ich. Es war total interessant, wie ein Körper auf einen anderen Menschen reagieren konnte. Ich musste sie nur ansehen und war glücklich.
DU LIEST GERADE
Remember me || gxg
RomansaAls Ella ihren Eltern ihre Freundin Emilia vorstellen möchte, ist ihre Welt noch völlig in Ordnung. Doch kaum ist sie zurück in der Heimatstadt, holen sie die Erinnerungen an ihre erste große Liebe wieder ein. Über drei Jahre lang hatte sie diesen O...