Ich bekam in dieser Nacht kaum noch ein Auge zu. Die Sache mit Emilia hatte mich emotional wieder aufgewühlt und ich wälzte mich von einer Seite zur anderen Seite. Manchmal gab es Tage oder Minuten, in denen man sich selbst nicht ertragen konnte. Gerade hatte ich so einen Tag. Oder eher Moment. Ihre Worte hatten mich tatsächlich getroffen. Doch trotzdem war es egal. Ich konnte es nicht mehr ändern. War ich wirklich so grenzenlos egoistisch? Ja. Natürlich war ich das gewesen. Aber was hätte ich anders machen sollen? Ich musste ehrlich zu ihr sein und konnte ihr nichts von Gefühlen erzählen, wenn sie nicht da waren. Das war doch falsch. Aber hatte ich sie wirklich benutzt, um Mara zu vergessen? Ich seufzte. Ausschließen konnte ich es nicht. Wie sagte Prinz Pi? Neue Liebe begann da, wo die alte aufhörte, weh zu tun. Vielleicht hatte ich nach diesem Prinzip gehandelt. Es jedenfalls versucht. Vielleicht wollte ich so meine Wunden heilen, die sich an jede Faser meines Körpers gehaftet hatten, als ich nach Berlin gegangen war. Nur leider ging es schrecklich nach hinten los und ein Herz war nun gebrochen.
Vom ganzen Grübeln schlief ich irgendwann doch ein. Doch als ich die Augen öffnete, hatte es sich angefühlt, als wäre ich nur für fünf Sekunden eingeschlafen. Ich schleppte mich ins Bad und machte mich fertig. Es war bereits spät am Vormittag und heute wollte ich Mara besuchen. Mara. Der Gedanke an sie zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Zu der Freude, sie später zu sehen, mischte sich auch etwas Aufregung. Ich würde heute zum ersten Mal ihre Wohnung betreten. Davon hatte ich immer geträumt. Gott, ich war früher jedes mögliche Szenario durchgegangen mit ihr, aber dass es nun wahr wurde, hatte ich noch immer nicht realisiert. Meine Eltern waren beide noch arbeiten, sie würden erst heute Nachmittag nach Hause kommen. Ich riss den Kühlschrank auf, weil ich Hunger verspürte. Ich nahm die Milch und füllte eine Schüssel mit Cornflakes und gab diese dazu.
Dann setzte ich mich auf die Terrasse. Die Sonne brannte wieder auf meiner Haut, aber ich genoss es. Nachdem ich in Ruhe gegessen hatte, legte ich den Kopf zurück und die Sonne kitzelte mein Gesicht. Ich war gespannt, ob sich jemand auf meine Bewerbungen melden würde. Zum Glück konnte man sie mittlerweile fast überall per E-Mail einreichen und ich sparte mir den Weg zur Post. Dann vibrierte mein Handy. Ich zog es hervor. Marvin. Mein Mitbewohner. Er hatte mir eine Nachricht geschickt. Ich öffnete sie und las: »Hey Ella, ich habe Fotos geschossen. Ich schicke sie dir direkt mal, dann kannst du die Anzeige hochladen.« Gerade als ich die Nachricht gelesen hatte, vibrierte es mehrere Male und die Bilder waren auf meinem Handy. Ich bedankte mich bei ihm und stellte mein Zimmer auf mehreren Seiten ein. Schon nach kurzer Zeit erhielt ich einige Anfragen. Ich beantwortete sie alle und verwies dann an Marvin, damit sie mit ihm einen Termin auszumachen konnten. Im Vorfeld hatte ich ihn natürlich gefragt und er war einverstanden gewesen.
Dann tippte ich auch eine Nachricht an Mara. »Hi Mara, wann soll ich heute bei dir sein? Vorausgesetzt es steht noch alles. Und ganz wichtig: Ich brauche dann noch deine genaue Adresse.« Sie meldete sich sofort zurück und schickte mir die Adresse. Ich würde mit dem Fahrrad fahren. Es war zwar nicht so nah, aber auch keine Entfernung, die unmöglich zu bewältigen war. »Ja, es steht noch alles. Wollen wir zusammen essen? Wie wäre es mit 19 Uhr?« Das klang gut. Die Schmetterlinge in meinem Bauch flatterten wild umher. »Sehr gern! Ich werde pünktlich sein.« Ich kam wieder etwas runter. Innerlich. Dann trug ich die leere Schüssel ins Haus und stellte sie in den Geschirrspüler. Duschen würde ich später gehen. Bevor ich losfuhr.
Mit einem Buch warf ich mich auf die Couch und erst als meine Mama das Haus betrat, legte ich es zur Seite. »Hey Mama«, begrüßte ich sie und sie lächelte mich breit an. Sie sah gut aus. Es war wahrscheinlich die Erleichterung, die gestern von ihr abgefallen war. »Hilfst du mir mal bitte mit dem Einkauf? Der Rest steht noch im Kofferraum.« Ich nickte und schleppte mich zum Kofferraum, um eine Einkaufstüte und Wasser ins Haus zu tragen. Beiläufig erwähnte ich: »Ich werde heute Abend nicht da sein, denn ich bin verabredet.« Ich merkte, wie ich über das ganze Gesicht strahlte und sie sah mich an. »Es ist wirklich schön, dich so glücklich zu sehen, Ella. Sie scheint dir gut zu tun.« Freudig nickte ich. Ich wollte es nicht verstecken. Jeder durfte wissen, dass Mara mir gut tat. »Sehr, Mama. Sehr«, pflichtete ich ihr bei und wir räumten die Tüten aus.
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Remember me || gxg
RomanceAls Ella ihren Eltern ihre Freundin Emilia vorstellen möchte, ist ihre Welt noch völlig in Ordnung. Doch kaum ist sie zurück in der Heimatstadt, holen sie die Erinnerungen an ihre erste große Liebe wieder ein. Über drei Jahre lang hatte sie diesen O...