Schnell stand ich auf und achtete darauf, mich leise zu bewegen. Meine Eltern schliefen schon lange und ich wollte sie nicht wecken. Ich wusste nicht genau, was ich fühlen sollte, aber ich hatte ein gutes Gefühl. Die Aufregung, Mara gleich zu sehen, machte sich in meinem Körper breit. Mein Herz hüpfte freudig umher. Ich konnte es kaum erwarten, sie zu sehen. Ich zog mir etwas an und schlich nach unten. Ich erstarrte mitten in der Bewegung. In der Küche brannte Licht. Das war doch vorhin nicht an gewesen, oder? Irritiert betrat ich den Raum und meine Mama stand an der Spüle, starrte in die Dunkelheit nach draußen und nippte an einem Wasserglas. Sie sah völlig gedankenverloren aus. Irgendwie verspürte ich ein ungutes Gefühl in mir. »Hey Mama«, flüsterte ich und sie schreckte zusammen. Sie riss die Augen auf und fragte: »Was machst du denn hier?« Man sah ihr an, dass sie sich ertappt fühlte. »Ich bin noch verabredet.« Sie sah auf die Uhr. »Jetzt noch?«, fragte sie und zog die Augenbrauen nach oben. »Ja«, meinte ich mit einem leichten Schmunzeln. »Aha«, erwiderte sie und lächelte mich an. »Mit Frau Rosenthal?«, wollte sie wissen und ich erwiderte: »Ja. Aber bitte nenne sie doch Mara.«
Sie nickte und ich fragte: »Was machst du denn hier? Kannst du nicht schlafen?« Sie zuckte mit den Achseln. »Irgendwie nicht so richtig. Aber ich will dich nicht aufhalten, ich gehe mal wieder nach oben.« Als sie an mir vorbei ging, streichelte sie mir kurz über den Arm und sah mich aufmunternd an. »Viel Spaß wünsche ich dir.« Ich bedankte mich und verließ das Haus. Dieses Mal musste ich etwas länger warten, aber dann bog sie endlich um die Ecke und hielt vor meiner Nase an. Ich öffnete die Tür und stieg ein. Mara lächelte mich an. Sie sah glücklich und traurig zugleich aus. »Hi«, wisperte ich ihr zu und sie legte kurz ihre Hand auf meine. »Hallo«, raunte sie zurück. Mir war bewusst, dass sie viel Redebedarf hatte und ich wollte ihr zuhören. Sie setzte das Auto in Bewegung und fuhr los. Mara fuhr in Richtung Altstadt und wir fuhren an meiner alten Schule vorbei. Dann parkte sie das Auto einige Meter entfernt auf einem öffentlichen Parkplatz. Fragend sah ich sie an.
»Ich dachte, wir gehen ein Stück«, erklärte sie und wir stiegen aus. Die Luft war angenehm. Es war nicht zu heiß, aber auch nicht zu kalt. Ich trug ein dünnes Jäckchen und wir gingen in Richtung Sundpromenade. Schweigend liefen wir nebeneinander her, bis wir sie erreicht hatten. Wir machten uns auf den Weg zum Strandbad. Der Weg war beleuchtet, aber wir waren ganz alleine. Niemand war unterwegs und darüber war ich sehr froh. Stralsund schlief nachts. Im Gegensatz zu Berlin. »Wie ist das Gespräch gelaufen?«, fragte ich beiläufig und wartete auf ihre Antwort. Ich spürte, wie sie etwas versteifte, aber dann erzählte sie: »Ich habe ihm die ganze Wahrheit gesagt. Ihm von dir erzählt. Ich wollte ehrlich sein. Das hat Max verdient.« Ich musste schlucken. Was hatte er wohl gedacht? »Weißt du, er hat sich so toll verhalten. Ich hätte niemals gedacht, dass er so verständnisvoll reagieren würde. Es tut mir natürlich leid, aber irgendwie fühle ich mich jetzt befreit. Und kann mich voll und ganz auf dich konzentrieren.« Bei ihrem letzten Satz konnte ich ihr Lächeln förmlich spüren und drehte mich in ihre Richtung.
Ich war einfach nur froh, dass sie sich für mich entschieden hatte. Auch wenn ich es noch nicht realisiert hatte. Wie denn auch? Es ging alles wahnsinnig schnell. »Wo ist er denn jetzt?«, wollte ich wissen und sie sagte: »In einem Hotel. Er wird morgen Stralsund verlassen.« Es stimmte mich glücklich, dass sie das sagte. »Ich bin mir bei dir sicher, Ella. Aber trotzdem möchte ich, dass wir uns etwas Zeit lassen. Wir kommen gerade beide aus einer Beziehung und sind vielleicht noch etwas durch den Wind.« Sie hatte recht. »Ja, aber darf ich dich jetzt trotzdem küssen?«, fragte ich mit einem Grinsen und sie blieb stehen. Sie nickte nur und ihre Lippen formten sich zu einem Lächeln. Ich ging noch einen Schritt auf sie zu und konnte ihren warmen Atem auf meiner Haut spüren. Dadurch, dass sie ein Stück kleiner war als ich, musste ich mich etwas runterbeugen. Dann fanden unsere Lippen zueinander. Eng umschlungen blieben wir eine ganze Weile dort stehen und genossen diese Intimität zwischen uns.
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Remember me || gxg
RomanceAls Ella ihren Eltern ihre Freundin Emilia vorstellen möchte, ist ihre Welt noch völlig in Ordnung. Doch kaum ist sie zurück in der Heimatstadt, holen sie die Erinnerungen an ihre erste große Liebe wieder ein. Über drei Jahre lang hatte sie diesen O...