Alrik
Blut floss in dünnen Rinnsalen meine Handgelenke hinunter. Die rauen Fesseln die um diese gebunden waren rieben bei jeder Bewegung wie Schleifpapier an meiner Haut, nur dass diese nun mal nicht aus Eisen bestanden und deswegen schon seit Stunden aufgerieben war. Kleine rote Tropfen meines Blutes fielen immer wieder in den Sand hinter mir und bildeten so eine rote Spur direkt vor meine Füße. Die Sonne schien währenddessen ohne jegliche Gnade auf uns herab, wir die nun durch die Wüste laufen mussten weg von dem Frack das einst unser Schiff war. Weder hatten wir Wasser noch irgendwelche anderen Vorräte die uns in unser Situation helfen könnten. Keiner wusste wo wir waren außer, dass wir irgendwo im Wüstenmeer gestrandet waren. Es hieß für uns nun also weiterlaufen bis wir nichtmehr konnten und tot umfielen oder einen Ort finden an dem wir uns ausruhen konnten.
Ich selbst befürchtete, dass es wohl so aussah als ob es auf die erstere Option hinauslaufen würde. Wir alle waren noch von dem Absturz gestern angeschlagen und eine Nacht der Ruhe hatte uns nicht geheilt. Vor mir konnte ich Sayurie sehen, die sich an Sturmhund abstützte, da ihre Füße noch immer ziemlich angeschlagen waren. Meine Füße taten mir schon nach unserem langen Marsch weh, ich wollte mir gar nicht vorstellen in welchen Qualen sie sich befand. Seit sie mir gestern das Leben von Sturmhund gerettet hatte, war sie nichtmehr in meine Nähe gekommen nicht einmal hatte sie mich eines Blickes gewürdigt. Ich verstand sie, sie wurde wegen mir schon genug verletzt. Erst hatte ich uns die Flotte auf den Hals gehetzt und dann war sie wegen mir in die Tiefe gestürzt, weil es keinen anderen Ausweg für sie gab. Wäre ich sie hätte ich Sturmhund mich einfach töten lassen. Sie hatte schon oft genug ihr Leben für das meine aufs Spiel gesetzt, doch obwohl ich wusste, dass sie mich hassen sollte, dass es für sie besser wäre mich zu hassen wünschte ich mir dem wäre nicht so. Als ich noch klein war, nachdem meine Schwester in ihren Tod gestürzt war und ich mit meinem Vater alleine zurückgelassen worden bin hatte ich Niemanden. Für ihn war ich ein Monster, ein Kuckuck der sich ins Nest gestohlen hatte und sein echtes Kind hinaus in den Tod gestoßen hatte. Die meiste Zeit meiner Kindheit wurde ich in unserem Schloss auf den Schwebenden Bergen festgehalten und durfte mich Niemanden zeigen. Niemand kam zu mir ins Zimmer und las mir Geschichten vor. An meinen Geburtstagen wurden keine Feste mehr gefeiert und für Jahr und Jahr bemerkte ich wie ich zu einem Geist wurde. Jemand der zwar noch an diesem Ort lebte, aber Niemand nahm ihn war. Das alles änderte sich natürlich als ich Verrat begann und jeden Aspekt meines Lebens sich über eine Nacht hin änderte. Ich war kein Geist mehr, das spürte ich in dem Moment in dem sie mich gegen die Wand stieß damit ich endlich meinen Mund halten würde, oder als wir an der Reling standen und uns über Zettel unterhielten, doch die Realisation dämmerte mir erst so richtig als ich ohne nachzudenken ihr hinterher gesprungen war. Ich war kein Narr, ich war aber ein Angsthase, etwas was mein Vater schon immer bemängelt hatte. Doch in diesem Moment hatte ich keine Angst gespürt. Ich spürte das pochen meines Herzens und der Wind der an meiner Kleidung zerrte, so wie ich hinab in die Tiefe sprang. Doch von Angst war dabei nichts zu spüren gewesen. Damals wusste ich nicht wieso ich das getan hatte, doch allein für dieses Gefühl würde ich es wieder tun. Für sie würde ich es wieder tun. Ich hatte nie viele Menschen um mich herum außer die Bürokraten, die mein Vater als seinen engsten Kreis um sich gescherrt hatte. Diese Leute waren wie Aasgeier die versuchen alles was man hatte von einem zu nehmen, sei es durch Mord, Betrug oder Diebstahl. Ich hatte durch sie gelernt eine Rüstung um mich zu bilden, auch wenn diese noch so viele Schwachstellen hatte. Aber Sayurie...sie hatte mich nie herablassend behandelt. Sie hatte oftmals über mich den Kopf geschüttelt aber sie hatte nie versucht mich zu verletzten. Sie war nicht wie Sturmhund, mein Vater oder seine Aasgeier, sie hatte mich als einen Menschen gesehen und nicht als eine Spielfigur die man unachtsam auf einem Schachbrett umher schieben konnte , dafür war ich ihr so dankbar.
Ich wusste nicht ob man es Liebe nennen konnte, doch wenn ich zu ihr rüber sah wurden meine Backen warm und es lag nicht nur an der Wüste. Ich wollte sie beeindrucken, doch ich wusste auch, dass das nicht ging. Ich hatte ihr Vertrauen verloren in dem Moment in dem sie die Wahrheit über mich herausgefunden hatte. Es war aber nicht so als ob ich jemals eine Chance gehabt hätte. Nie hatte sie mir Zeichen gegen, dass sie mich ebenfalls mochte oder auch nur im Entferntesten so fühlen konnte wie meine Gefühle zu ihr. Sie hatte, auch wenn sie es verbergen wollte, einfach ein großes Herz und hatte keine Ausnahme gemacht als es um mich ging. Sie hatte mich mit Respekt behandelt und ich sollte ihr nun ebenfalls den nötigen Respekt zu bringen und ihre Entscheidung hinnehmen. Aber sie hat nie wörtlich gesagt, dass sie nichts von dir will. Meldete sich eine hoffnungsvolle Stimme aus dem Inneren meiner Gedanken, die einfach nicht loslassen wollten. Genug jetzt! Zischte ich mir selbst entgegen und schüttelte den Kopf um diesen von meinen Gedanken frei zu bekommen. Meinen Blick richtete ich wieder vor mich auf den flimmernden Weg, der versuchte Streiche mit mir zu spielen. Immer wieder musste ich für einen kurzen Moment die Augen schließen, damit ich mir die Halluzinationen aus meinen Gedanken vertreiben konnte. Meine Lippen waren so trocken und rissig wie die Wüste selber, die Zunge klebte mir am Gaumen fest und mein Hals fühlte sich an als ob Tonen von Sand in der Nacht ihren Weg hineingefunden hätten.
Wann war das letzte Mal, dass man mir Wasser gegen hatte? War das etwa Sturmhunds Plan? Wenn er mich schon nicht umbringen konnte, sollte einfach mein Körper für ihn die Arbeit tun? Würde er mich wirklich verdursten lassen? Die Antwort dazu war wohl ein klares Ja. Er würde vermutlich keine Träne über mein Verscheiden gießen.
„Schneller!" Wurde ich aus meinen Gedanken gerissen als ich von einem Crewmitglied geschubst wurde. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass meine Schritte langsamer geworden sein mussten. „Los!" Schrie mich derselbe Mann nochmal an. Mein Kopf dröhnte mir aber zu sehr und der Weg war einfach zu verschwommen, als das meine Beine wussten wo sie hintreten sollten. „Wirts bald!"
Diesmal schubste er mich härter und als Folge dazu knickten meine Beine unter mir ein, dadurch, dass meine Hände hinter meinem Rücken zusammen gebunden waren hatte ich nichts mit was ich meinen Fall bremsen konnte. Mit dem Gesicht voraus fiel ich in den heißen roten Sand und blieb liegen. Über mir konnte ich das genervte Schnauben des Manns hören, der mich geschubst hatte. Meine Augen und meine Nase brannten durch die kleinen Sandkörner die hinein kamen. Es war zum heulen und wenn meine Augen nicht schon längst von dem Dreck tränen würden, hätte ich vermutlich selbst geweint. „Stehst du wohl auf du Stückscheiße!" Ich spürte grobe Arme die an mir zerrten und versuchten mich aufzurappeln, nach einer Zeit die sich anfühlte wie eine Ewigkeit aber vermutlich nur ein Wimpernschlag war befand ich mich in Sitzposition. Vor uns war die kleine Gruppe der Überlebende die uns immer weiter davonliefen. Auch der Mann schien immer wieder gehetzt nach vorne zu blicken, in der Angst mit mir zurückgelassen zu werden. „Steh auf!" Ich wollte ja, ich hätte es gerne dem Mann gesagt aber ich schaffte es einfach nicht. Ein trockenes Keuchen, welches ursprünglich ein Lachen war entfloh meiner Kehle. Einen Tag, einen Tag hatte ich in der Wüste durchgehalten. Mein Blick war noch immer wie in Trance nach vorne auf eine ganz bestimmte Person gerichtet. Der rote Staub bedeckte noch immer mein Gesicht und ließ meine Augen tränen und ließen dunkle, nasse Spuren auf meinen Wangen zurück. Einen Tag, Vater hätte mir vermutlich nicht mal eine Minute zugetraut. Bist du jetzt stolz! Einen Tag habe ich durchgehalten! Unbemerkt bin ich aus deinem Schloss entkommen! Meine Magie habe ich im übrigen auch eingesetzt! Am liebsten hätte ich dies so laut geschrien, dass mein Hals anfing zu bluten und mein Vater mich in seinem Schloss noch immer hören konnte. Doch ich konnte nicht, meine Kraft war am Ende. Ich war am Ende. Doch ich hatte meine Mission erfüllt oder? Der Wiederstand würde die Rolle kriegen, sollten sie überleben. Man brauchte mich nicht um eine Karte zu lesen. Ich hatte gewonnen. Mein Mundwinkel hob sich leicht an und immer wieder spürte ich wie jemand versuchte mich hoch zu ziehen, mein Blick blieb aber stets auf einer Person hängen. Ihre Haare hatten sich um ihr Gesicht gelegt und versperrten mir so die Sicht, einmal noch. Einmal soll sie mich noch anblicken. Wie als ob sie meine Gedanken gelesen hätte drehte sie sich in dem Moment um uns unsere Blicke trafen sich. Es brauchte nur eine Sekunde und ich hatte mir ihre Züge eingeprägt. Länger hätte ich auch nicht brauchen dürfen, denn sie drehte sich sofort wieder weg und richtete sich an Maeve die ebenfalls neben ihr her taumelte. Was sie wohl zu ihr sagte? Ich würde es niemals wissen, doch auf einmal drehte sich die Magierin um und kam zu mir rüber geeilt. Die anderen liefen weiter.
„Hilf mir ihn hochzubekommen." Brummte der Mann an meiner Seite Maeve an, als diese in Hörweite kam. Diese lief ohne ihm eine Antwort zu geben auf ihn zu und presste mir etwas gegen die Lippen. Als ich einen kühlen Strahl an diesen spürte erkannte ich dieses etwas als Wasser. Gierig sog ich an der Flasche und spürte wie mein Kopf etwas klarer wurde. Vielleicht würde ich es ja doch noch zwei Tage aushalten. „Kommt wir haben etwas gesehen." Ließ sie uns wissen und huschte wieder davon, doch ich hatte den abschätzigen Blick gesehen mit dem sie mich gemustert hatte. Auch ihr Vertrauen hatte ich verloren. „Steh endlich auf!" Zischte der Mann mir nochmals zu und diesmal konnte ich ihm den Gefallen sogar tun. Wie ein Sack schliff er mich hinter sich her und folgte den anderen, die noch immer weiter liefen auf etwas zu. Ich hob meinen Kopf um zu sehen wohin wir gehen, doch sah nichts außer die Überlebenden, die auf einen Punkt in der Ferne zu liefen. Angestrengt kniff ich meine Augen zusammen um zu sehen was dieser Punkt war. Es sah beinahe so aus wie ein Haus....nein eher Häuser, vielleicht sogar eine Stadt? War dies unsere Rettung?
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Shadows of Arwerina
Fantasy"Schau dich um." "In einer Welt voller Lügner und Mörder, bin ich ein König." Was haben eine stumme Assasine, ein Prinz auf der Flucht, ein sarkastischer Schmugler und eine verrückte Magierin gemeinsam? Es hört sich an wie der Anfang eines schlechte...