Kapitel 32

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Sayurie

Meine Augen mussten mir Streiche spielen, es musste einfach so sein. Vor uns weiter in mitten in der roten Wüste befand sich eine kleine Siedlung, die aussah als stamme sie direkt aus einem Bilderbuch. Nochmals blinzelte ich um mich zu vergewissern, dass das was ich vor mir sah tatsächlich real war. Doch ich konnte die Augen auf und wieder zu schlagen so oft wie ich wollte, an einem Punkt kniff ich mich sogar leicht in den Arm, doch die Siedlung blieb ganz genau wo sie war. Verwirrt sah ich auf meine Begleiter, die anhand ihrer Gesichter ebenfalls genau das sahen wie ich. Sturmhund bei dem ich mich abstützte hatte einen ähnlichen Blick wie ich ihn haben musste. Seine Augenbrauen waren zu einem fragenden Blick verzogen, vermutlich stellte er sich dieselbe Frage wie ich: Warum befand sich eine kleine Stadt mitten im Nichts? „Seht ihr das auch oder bin ich jetzt verrückt?" Fragte Maeve, die wieder bei uns ankam. Ihre blonden Haare waren ihr aus dem Zopf gefallen und klebten an ihrer verschwitzten Haut.

„Du bist verrückt, aber ja, wir sehen es auch." Gab Sturmhund trocken zurück und sah auf Maeve, die ihre Wangen aufplusterte und ihn beleidigt ansah

„Du solltest nicht so mit mir sprechen!"

„Ich sollte vieles nicht tun." Dabei schwang sein Blick weiter nach hinten auf Alrik, der noch immer halb auf dem Boden lag, den Blick stets weit in der Ferne auf...mich gerichtet? Seine grünen Augen und die meinen trafen sich und für einen kurzen Moment konnte ich etwas in ihnen aufblitzen sehen. Sehnsucht vielleicht? Oder bildete ich mir das nur ein?

„Was ist mit ihm?" Rissen mich Sturmhunds Worte aus den Gedanken und ließ mich wieder zu ihm blicken. In seinen Augen erkannte ich nur Gleichgültigkeit, Gleichgültigkeit und Erschöpfung.

„Er brauchte Wasser." Antwortete Maeve für mich.

„Und?"

„Und was Sturmi?"

„Hast du ihm welches gegeben?" Lächelnd nickte Maeve was ihre geschundene Gesichtshälfte verzerrte.

„Dann bist du wohl nicht nur verrückt, sondern auch dumm, wenn ich mich recht erinnere habe ich gesagt er wäre unser Gefangener." Augenblicklich verschwand das kleine Lächeln ,wieder beobachtete ich fasziniert wie sich ihr graues Fleisch bewegte.

„Ja und?" Als ob sie ein kleines Kind wäre, welchem er gerade erklärte, dass man am Tisch nicht schmatzte senkte er seine Stimme.

„Zuerst trinken wir, dann jeder andere der uns begegnet und dann der Gefangene." Maeves Augen verformten sich zu schlitzen, als sie ihn aus diesen wütend anfunkelte, sie war gerade drauf und dran zu einer Antwort anzusetzen, als ich die Aufmerksamkeit auf mich lenkte um einen unnötigen Streit im Keim zu ersticken.

(Ich habe ihr gesagt sie solle ihm etwas geben.) Mit einer sauren Miene blickte er zu mir rüber, er biss sich auf die Lippe als versuche er mit aller Kraft eine giftige Bemerkung hinunter zu schlucken. Dann sah ich wie das kühle Silber welches seine Augen waren sich von mir löste und wieder zu Alrik blickte, der mühsam auf die Beine kam und stockend zu uns rüber taumelte.

„Hättest du es lieber gelassen, unser liebes Prinzchen sieht nicht so aus als ob er es noch lange machen würde." Ich wusste nicht wieso, doch als er dies sagte spürte ich ein unangenehmes Ziehen in meiner Brust, welches sich wie ein Waldbrant in meinem ganzen Körper breit machte.

(Das weißt du nicht!) Ich weiß, dass wenn ich hätte sprechen können diese Worte gebrochen aus meinem Mund gekommen wären.

„Stimmt, aber man darf doch wohl noch träumen."

Ich überlegte ob ich noch etwas sagen sollte, doch ich sah keinen Sinn darin. Sturmhund wollte Alrik tot sehen, der einzige Grund warum er noch nicht mit aufgeschlitzter Kehle mit dem Kopf im Sand lag, war weil er sich etwas daraus zu gewinnen erhoffte, jedoch war er in diesem Zustand nicht so geduldig wie er es normalerweise wäre. Alriks Uhr lief ab und ich wusste nicht ob ich ihm noch weiter Zeit verschaffen konnte.

„Was werden wir jetzt tun?" Riss Maeves Stimme mich wieder mal aus meinen düsteren Gedanken die wie eine Regenwolke über meinem Kopf hingen. Wir alle drehten uns wieder in die Richtung der Siedlung, die eindeutig bewohnt war.

„Na was jeder gute Gast tun sollte, wir stellen uns vor."

Mit diesem Satz lief Strumhund an Maeve und mir vorbei und auf die Siedlung zu.



Die Stimmen der Dorfbewohner wurden lauter, je näher wir ihrer Stadt oder was auch immer dies war kamen. Wir hatten zwar viele unserer Leute verloren, jedoch waren wir noch immer eine große Gruppe und man hätte uns schon einen Kilometer weiter entfernt sehen sollen, doch Niemand schien Notiz von uns zu nehmen, denn keiner der Männer oder wer auch immer das Dorf verteidigte trat aus dem Torbogen. „Wo sind alle?" Stellte Maeve die Frage, die uns allen auf der Zunge lag. Sturmhund trat ein paar Schritte vor und stand jetzt unter dem Torbogen. „Das ist aber nicht nett von ihnen." Murmelte er. „Uns gar nicht zu begrüßen." Ich folgte ihm weiter und gemeinsam betraten wir die Siedlung. Die Häuser schienen aus Sandstein gemacht zu sein, jedoch hatte jedes zweite ein Loch welches wieder geflickt werden musste. Doch noch immer war kein Zeichen von den Dorfbewohnern zu sehen. Nur einen ferne Melodie welche sich beinahe anhörte als ob viele Menschen in Schmerzen stöhnen würden, war zu vernehmen. Ein Schauder krabbelte mir bei diesem Geräusch über den Rücken. Schon oft hatte ich so etwas gehört und nicht selten war ich einer der Auslöser dafür gewesen, als ich noch bei den Schweigenden Schwestern war. Das war in einem anderen Leben, musste ich mich wieder erinnern. Du hast es nicht getan, weil du es wolltest. Doch etwas in meinem Inneren ließ mich nicht wieder los, etwas was mir "Lügnerin" ins Ohr flüsterte. Ich schüttelte meinen Kopf um diese Gedanken zu vertreiben und im hier und jetzt zu leben. Doch es fiel mir schwerer je näher wir der Ortsmitte kamen und dabei der Quelle dieses Klageliedes.

Wenn ich vorher dachte, dass die Klagelaute mir Übelkeit bereiteten, so wusste ich nicht wie ich auf die Szene vor mir regieren sollte. Mindestens fünfzig Leute huschten durch die kleinen Reihen, die entstanden waren als jemand notdürftig eine Krankenstation erichtet hatte. Weit aus mehr lagen auf dem Boden, manche schrien oder Stöhnten vor Schmerzen, währen sie sich Gliedmaßen hielten, die beinahe schwarz leuchteten, andere bewegte sich überhaupt nichtmehr. Der süßliche Duft von Tod und Verwesung lag in der Luft und Körper lagen auf den Seiten, die lieblos in Laken gewickelt worden waren, Fliegen und Flöhe hatten sich schon auf ihre Überreste gesetzt. Bilder flackerten vor meinem Auge auf, Bilder von mir selbst in meiner violetten Montur, mit meinen geliebten Dolchen in jeweils einer Hand. Ich kannte dieses Handwerk welches sich vor uns erstreckte, dies war das Werk von Awerina. Die Dorfbewohner schienen nicht mal Notiz von uns zu nehmen. Zu sehr waren sie damit beschäftigt eine aussichtslose Schlacht zu schlagen. „Sie sind infiziert." Hörte ich Sturmhund neben mir sagen. Natürlich, dachte ich mir. Warum Soldaten schicken, wenn die schwarze Plage die Arbeit erledigen konnte. Es hatte sich ja in der Vergangenheit schon als effizient herausgestellt. Aus meinem Augenwinkel konnte ich Maeve sehen, die holprige Schritte auf die leidenden Menschen zu tat. Ich selbst konnte mich nicht bewegen und vielen ging es genauso wie mir, doch mein Blick blieb wieder auf Maeves Gesicht hängen. Wie sie sich nun fühlen musste? Die Plage war hoch ansteckend, wir mussten hier weg! Doch Maeve lief immer weiter auf die Kranken zu. Geh dort weg! Wollte ich rufen, doch kam nur ein mickriger Laut aus meinem zungenlosen Mund.

Neben mir konnte ich eine Bewegung ausmachen und sah Sturmhund der nach vorne eilte und die Arme um Maeves großen Körper legte, damit er sie von dort wegziehen konnte. Ich hatte mal als kleines Kind versucht eine Katze einzufangen. Diese hatte sich aber in dem Moment in dem ich sie hoch heben wollte so sehr gewunden, die Krallen ausgefahren und gewehrt, dass ich keine Chance gegen sie hatte. So ähnlich würde ich vermutlich die Situation vor mir beschreiben, wenn mich jemand fragen würde. Maeve biss und trat nach Sturmhund, eine kleine Schramme zeichnete sich schon auf seiner Wange ab, doch er ließ nicht los. „Verschwinden wir von hier." Zischte er durch seine Zähne, als er noch immer die um sich schlagende Maeve in den Armen hatte. Ich nickte, konnte mich jedoch nicht von dem Anblick losreißen. Was hatten diese Leute Awerina nur angetan? „Sayurie!" Hörte ich ihn nochmals und langsam setzten sich meine Beine in Bewegung. „Schnell weg von hier, fasst ja nichts an!" Hörte ich ihn wieder rufen. Mit gesenktem Kopf beschleunigte ich meine Schritte.

Wir waren gerade am Torbogen angekommen, da ertönte ein ohrenbetäubender Klang. Ein Schuss. Panisch blickte ich mich um und suchte nach dem Opfer, konnte jedoch keinen Verletzten entdecken. Stattdessen sah ich eine Gestalt, die eine rauchende Pistole in der Hand hielt. „Nicht so schnell."

Shadows of Arwerina Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt