Augen und Ohren

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<<MIA >>

Wieso hilfst du mir? Es ist meine Aufgabe. Mehr nicht 


„Bereit?" 

Noch immer streckt er mir seine Hand hin, auf die ich mit gemischten Gefühlen blicke. Zum Einen, weil neugierig bin, was mich erwartet und auf der anderen Seite bin ich ängstlich, denn ich habe keine Ahnung was von mir erwartet wird. Doch etwas in Madox' Augen sagt mir, dass ich keine Angst haben muss, solange er an meiner Seite ist. Was im starken Kontrast zu dem steht, was er mich vor einigen Stunden fühlen ließ. 

Da war ich mir sicher, dass er mich töten würde, wenn er es gekonnt hätte. Oder irre ich mich? Ich habe das Gefühl jegliches Vertrauen in die Menschheit verloren zu haben, selbst das Vertrauen zu mir selbst. Als wäre ich paranoid und würde hinter jeder Ecke die nächste Gefahr lauern sehen. Und so war es in Chicago und auch in New York. 

Ich war erfüllt von Angst, wusste, dass mich Liam irgendwann finden würde und trotzdem habe ich die Zeit genossen, in der ich mich frei gefühlt habe. Denn Freiheit war und ist immer noch das, wonach ich innerlich lechze. 

Doch, wie bei beiden Malen hat mich meine Vergangenheit eingeholt, was nicht schön war und es hat der Liebe meines Lebens das Leben gekostet. Aber ich muss mich meiner Vergangenheit stellen und damit meine ich meine Familie, der Rest der von ihr übrig geblieben ist. Es führt kein Weg daran vorbei, also straffe ich meine Schultern, hebe das Kinn und schaue Madox fest in die Augen.

„Bereit", antworte ich und nicke zur Bekräftigung. Ein kurzes Lächeln huscht über sein markantes Gesicht, als ich seine Hand ergreife und er mich an sich zieht, sodass ich seine Körperwärme auf mir spüren kann. 

Ich atme tief durch, schaue ihm immer noch in die Augen und lasse es erst sein, als er sich zur Tür wendet und wir gemeinsam rausgehen. Im Flur sind bereits einige Stimmen zu hören. Stimmen, die ich kennen sollte und, die mir eine Heidenangst einjagen. Madox merkt, dass etwas nicht stimmt und sieht immer wieder zu mir rüber. Was mich zwar ein Gefühl von Sicherheit gibt, doch innerlich noch mehr aus dem Konzept bringt.

„Du musst keine Angst haben. Sie sind alle deinetwegen hier", flüstert er mir zu, als wir die Treppe runtergeschritten sind und zu den Gästen stoßen, die sich im Flur und im Salon eingefunden haben. Ich spüre ihre Blicke auf mir, fühle, wie sie sich in meinen Rücken bohren und frage mich, ob ich eine Chance zur Flucht hätte, wenn ich die Tür nur nahe genug komme. 

Doch ich verwerfe den Gedanken schnell wieder, denn mit Madox an meiner Seite würde mir es niemals gelingen zu fliehen. Er ist zwar einerseits mein Beschützer, doch in Wirklichkeit ist er mein Kerkermeister. Er ist dazu da, dass ich keine Dummheiten mache und keine Möglichkeit zur Flucht habe. 

Wir bleiben im großen Saal – der für wichtige Treffen und andere Festlichkeit geöffnet, sonst aber immer verschlossen ist – stehen, der sich kaum verändert hat. Noch immer glänzt der Boden, sodass man sich darin spiegeln kann.

Noch immer starren mich die Bilder unserer italienischen Vorfahren mit ihren grimmigen Gesichtern nieder und noch immer fühle ich mich auf einmal, als wäre ich Clara aus dem Theaterstück der Nussknacker. Klein und auf eine miniaturgröße geschrumpft, stehe ich dem gefürchteten Mäusekönig gegenüber, der niemand geringeres, als Paolo de Luca ist, meinem Vater. 

Die Welt dreht sich, so als hätte sie sich die Erdrotation um ein Vielfaches beschleunigt und würde sogleich aus der Umlaufbahn des Sonnensystems schießen, um ins Nichts abzudriften. Die Gespräche verstummen nach und nach, oder nehme ich sie einfach nicht mehr wahr? Ich weiß es nicht. 

🔱Chicago Queen Du gehörst mir🔱Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt