Taten sagen mehr als Worte

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<<MIA>>

„Er hat schließlich auf deinen Vater schießen lassen, um ihn zu töten."

Während der ganzen Fahrt ins Krankenhaus, bereite ich die Sätze vor, die ich meinem Vater sagen werde. In meinem Kopf herrscht ein solches Chaos, dass ich nicht mehr weiß, wie es dazu kommen konnte.

Was wird er zu meiner Behauptung sagen, dass ich es war, der auf ihn schießen ließ?

Was, wenn er mich dann eigenhändig tötet?

Oder mich wieder in mein Zimmer sperrt?

Was er kann und tun wird, da bin ich mir sicher. Todsicher.

„Geht es Ihnen Gut, Miss Mia?", erkundigt sich Alberto, unser ältester Fahrer. Er ist meiner Familie unterstellt seitdem ich denken kann, weshalb er einem so brutalen Mann loyal gegenüber ist, weiß ich nicht. Vielleicht hat er auch gegen ihn etwas in der Hand, oder es ist blindes Vertrauen. Ich habe keine Ahnung.

Unsere Blicke treffen sich und in seinen grauen Augen kann ich echte Besorgnis erkennen. Was mich rührt, denn in den letzten Wochen hat er mich nicht wirklich beachtet. Das lag vielleicht auch daran, dass Madox mich immer gefahren hat und Alberto meinem Vater unterstand. Bis er angeschossen wurde und im Koma lag.

„Ja, danke. Es geht mir gut", sage ich und hoffe, dass es überzeugend genug war. Doch sein mitfühlendes Lächeln zeigt mir deutlich, dass ich wahrscheinlich ziemlich panisch wirke. Denn mir kommt er eher als Typ Mann vor, der weiß, wann er reden darf und wann er lieber still sein sollte.

Die Palmen Los Angeles ziehen an mir vorbei, genauso wie die Gebäude, der Stand oder die Menschen, die unterwegs wohin auch immer sind. Wie gerne wäre ich jetzt eine von ihnen, die einfach zum Strand spazieren könnte, oder in die Shopping Mall, um sich ein neues Kleid zu kaufen. Stattdessen bin ich auf dem Weg ins Krankenhaus, wo mich mein Vater bereits erwartet. Ich fühle mich eher so, als wäre ich auf dem direkten Weg zur Schlachtbank. Ausgeliefert und so klein, wie ein Staubkorn.

Noch immer mache ich mir Gedanken, forme mir die Worte zu Recht, von denen ich glaube, dass er sie hören möchte. Das ich es natürlich nicht war, dass ich mit dem nichts zu tun hatte und das Liam nur Lügen über mich erzählt, um sich vor ihm zu brillieren. Doch das wird er mir wohl kaum abkaufen, also schiebe ich diesen Gedanken ganz weit weg, um ihn nicht noch mehr zu reizen. Was eigentlich völliger Schwachsinn ist, denn wieso sollte man vor seinem Vater Todesangst haben?

Weil er Ava getötet hat, deshalb.

Diese Erkenntnis schnürt mir die Kehle zu, sodass ich das Fenster runterlasse und verzweifelt nach Luft schnappe. Der Fahrtwind fühlt sich warm an, gar nicht erfrischend. Die Sonne scheint und es fühlt sich so an, als wäre der Sturm gar nie über die Stadt gefegt.

Wie kann das sein?

Wieso sieht jetzt alles wieder so friedlich aus? Warum scheint die Sonne, als ob sie mit ihrer Kraft jeden dazu bringen möchte, den Tag zu genießen? Diese ganzen Fragen - und noch viele mehr - schwirren mir im Kopf herum. Auch dann noch, als ich schon längst das Gebäude betreten und vor dem Zimmer stehe, indem mein Vater in seinem Bett sitzt und meine Mutter runtermacht, während Liam sein Goldjunge bleibt.

Die Welt ist so verdammt ungerecht und sein verfrühtes Erwachen aus dem Koma lässt mein Zeitfenster auf ein Minimum schrumpfen, sodass ich gezwungen sein werde, meinen Plan zu beschleunigen. Und, was das für Auswirkungen haben wird, kann ich nicht abschätzen.

Was für eine verfickte Scheisse!

Ich hebe die Hand, um zu klopfen und halte inne, denn in meinem Herz bildet sich ein Klumpen.

🔱Chicago Queen Du gehörst mir🔱Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt