Klippen

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<<MIA>>

„Ich liebe die Flut. Sie spült alles fort. Egal ob Schmerz, Freude, Hoffnung oder Hass. Alles ist fort und nur du selbst bleibst zurück."

Seit meinem Kurierdienst für meinen Vater versauere ich in meinem Zimmer. Es ist zwar nicht mehr abgeschlossen – dafür aber das Arbeitszimmer meines Vaters, sowie das Zimmer meines Bruders und noch viele andere Räume in meinem Elternhaus – aber ich hatte auch keine grosse Lust – abgesehen von meiner kleinen Erkundungstour vor zwei Tagen – raus zu gehen. 

Ich begegne ja sowieso keiner Menschenseele, weder meiner Mutter, noch sonst irgendwem ausser Madox natürlich. Er kommt meistens gegen morgens und kurz vor dem Abendessen, um nach mir zu schauen. Die meiste Zeit habe ich Löcher in die Wände gestarrt und über meine Pläne nachgedacht. 

Die Frage, was in diesem braunen Umschlag steckt, welcher Ellio mir übergeben hatte, nagt noch heute an mir. Ich hatte aber keine Chance mich diesem Umschlag zu nähern, denn Madox hütete ihn, wie ein Augapfel. Vielleicht war es auch seine Aufgabe, aber er hat es auch aus einem anderen Grund getan. Seine Worte schwirren mir noch immer im Kopf herum und wollen mich einfach nicht mehr loslassen.

„Du kannst deinem Vater nicht einfach ohne weiteres drohen. Denn ich weiß ganz genau, dass du Pablo in seinem Arbeitszimmer gedroht hast."

Er weiß also was ich geplant habe. Oder war das eine List, weil er nur einen Verdacht hat? Nein. Das fühlte sich verdammt echt an und seine Augen haben Bände gesprochen. Und wenn doch? Verdammt! Ich setze mich auf und streiche mir das braune Haar aus dem Gesicht. Was, wenn er einfach nur blufft? Was mache ich dann? 

Dann habe ich mich verraten noch bevor ich etwas in die Richtung unternehmen konnte, in die ich gehen will und muss. Das kann ich nicht zulassen, ich muss ihn also direkt darauf ansprechen, um zu sehen was er weiß und wie viel ich mir in meiner Paranoia bereits zusammengesponnen habe. Aber wie und vor allem wo? 

Hier wo die ganzen Kameras sind geht das nicht, da könnte ich genauso gut offen vor meinem Vater sprechen. Was ich bereits getan habe, aber in einer verschlüsselten Botschaft in der wohl schönsten Sprache auf der ganzen Welt. Latein. Jede Geheimorganisation spricht Latein, da es eine Sprache ist, die unterschätzt und verpönt ist, obwohl es die wohl älteste der Welt ist. 

Mein Blick schweift durch den Raum und bleibt am Fenster hängen und auf einmal weiß ich den perfekten Ort, wo ich meinen Plan in die Tat umsetzen kann. Mit neuer Entschlossenheit marschiere ich auf die Tür zu und bleibe vor ihr stehen.

Was mache ich, wenn er es wirklich weiß? 

Werde ich ihn los? Zwinge ich ihn zum Schweigen oder würde er mir am Ende doch noch dabei helfen endlich frei zu sein? 

Fragen über Fragen, die ich nicht beantworten kann. Noch nicht. Also schüttle ich diese, mit samt den Zweifeln ab und öffne die Tür mit einer zügigen Bewegung, damit ich es mir nicht doch noch anders überlege. Die ersten Schritte kosten mich innerlich sehr viel Überzeugungskraft, denn sie bedeuten auch, dass ich mich ihm öffne, ihm meinen Plan – wenn auch nur indirekt – preisgebe, um herauszufinden was er weiß und wie er es gegen mich verwenden würde. 

Um was? Meine Familie zu retten? Immerhin hat sie ihm Schutz und Arbeit gegeben, seine Zukunft gesichert, wie auch immer das ausgesehen hat. Das braucht Vertrauen von meiner Familie und vor allem das meines irren Vaters, aber auch Loyalität das Madox meiner Familie entgegen bringt. Wieso er das macht und was er sich davon erhofft beschäftigt mich den ganzen Weg die Treppe runter und auch dann noch, als ich mich auf leisen Sohlen durch die Küche in den Garten schleiche. 

🔱Chicago Queen Du gehörst mir🔱Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt