Das heutige Kapitel widme ich:
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" 'Ehren wir sie dafür, dass wir wunderbare Momente mit ihr gesammelt haben, die uns solange bleiben, bis auch unsere Stunde gewiss ist.' "
Als Mason seine Rede beendet hatte, war es unglaublich still in der Kapelle. Noch stiller als zuvor, falls das überhaupt möglich war. Jeder war gerührt von seinen Worten, wurde zu Tränen getrieben, er selbst auch. Man konnte erkennen, wie er sich mit den Händen über das Gesicht wischte. Und ich, ich saß schluchzend zwischen meinen Begleitern, die mir abwechselnd je ein Taschentuch reichten.
Nachdem Mason einen Moment Pause gemacht hatte, damit er selbst und die Versammelten sich wieder fangen konnten, sprach er die Einladung für alle aus, dass sie nach der Bestattung herzlich willkommen zum anschließenden Leichenschmaus waren. Im Anschluss seiner Worte wurde allmählich alles für die Bestattung von Granny eingeleitet.
"Können wir nach draußen gehen?", bat ich die beiden Männer links und rechts von mir.
Sie nickten und begleiteten mich nach draußen. Sobald ich mich im Freien befand, nahm ich ein paar tiefe Atemzüge der eisigen Luft. Mir war klar gewesen, dass dieser Tag nicht einfach werden würde, aber ich hatte nicht damit gerechnet, durchgehend einen schweren Stein in Form von negativen Gefühlen auf mir zu haben, der mich der Luft zum Atmen beraubte.
Ich schloss einige Momente die Augen und versuchte meinen Körper, der vor Aufregung und Kälte zu zucken begann, unter Kontrolle zu bekommen. Nachdem das einigermaßen geschafft war, sagte ich zu meinen Begleitern, dass ich mich nun gerne im Hintergrund aufhalten wollen würde, damit die anderen in Ruhe Abschied von Granny nehmen konnten.
Sie nickten verstehend. Und so entfernten wir uns von der Trauerkapelle und der Menschenmasse, sie sich nach und nach vor dem Gebäude versammelt hatte. Während ich mit meinen Begleitern zwischen den Grabreihen entlangging, beobachtete ich, wie Mason und ein paar Männer den Sarg von Granny zu ihrer Grabstätte trugen. Die anderen in einer langen Schlange hinterher. Ein Trauermarsch.
Das Wort huschte in meine Gedanken und ließ mich an die neunte Klasse zurückdenken. Damals hatten wir in Musik verschiedene Komponisten durchgenommen. Frederic Chopin war mir dabei besonders in Erinnerung geblieben wegen seiner Komposition namens Trauermarsch. Ich wusste absolut, warum mir diese Erinnerung geblieben war, aber sie ließ mich das Gefühl haben, mir das extra für den heutigen Anlass im Langzeitgedächtnis abgespeichert zu haben. Als wüsste ich, ich würde dieses Wissen später einmal wieder benötigen. Ich schüttelte leicht meinen Kopf, um wieder klare Gedanken zu fassen. Mein Blick richtete sich wieder auf das Szenario vor mir, auf die Leute, welche Granny an ihr Grab trugen.
Als sie an der Grabstätte angelangt waren, versammelten sich alle um das Grab und sahen dabei zu, wie Grannys Sarg hinabgelassen wurde. Obwohl ich einige Meter von dem Geschehen entfernt war, blieb mir die Luft weg, als der Sarg unter der Erde verschwand. Stock und starr stand ich da und beobachtete, wie ein Mensch, den ich unglaublich liebgewonnen hatte, von der Bildfläche verschwand, endgültig. Nun würden mir nur noch die Erinnerungen an diese wunderbare Person bleiben. Kein sanfter Händedruck mehr, kein Duft nach Rosen und Kernseife mehr beim Umarmen, nichts. Nur Erinnerungen, die ich wie einen Film vor meinem inneren Auge abspielen könnte. Und diese Tatsache offenbarte sich mir wie ein in Nebel gehüllter Spiegel, der nach und nach mein Spiegelbild zum Vorschein brachte. Nun das Wesentliche zeigte.
Mir wurde ganz schlecht und es lief mir eisig den Rücken hinunter. Nie wieder würde ich Granny sehen. Ich entwickelte wegen des Gedanken urplötzlich ein Gefühl von Panik gepaart mit Angst. Angst vor dem Ungewissen. Natürlich hatte ich bereits die ganze Zeit gewusst, dass ich Granny nie wieder sehen würde, aber was das letztendlich bedeuten würde, verstand ich erst jetzt. Ich schlang meine Arme eng um meinen Körper, als hätte ich Sorge, er könnte jeden Moment wie eine Vase in seine Einzelteile zerspringen.
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The Royal Family ~ Lasst das Chaos beginnen | ✓
Teen Fiction„Endlich hatte ich das fehlende Stück in meinem Herzen gefunden." Die 17-jährige Kathy findet durch Zufall zu ihrem Vater, der sie vor ihrer Geburt verlassen hat. Sie erfährt, dass sie ihm doch nicht so egal ist, wie sie immer geglaubt hat. Dabei be...