21

5.1K 193 18
                                    

*Ellas Sicht*

Als ich mit meiner Schwester an der Hand vom Sportplatz hetzte und zu unserer Mum ins Auto stieg, war ich immer noch geschockt. Ich hatte Ashton Sanches geschlagen. Richtig geschlagen!

Mein Leben war beendet. Ich konnte die Schule wechseln oder mir eine neue Identität zulegen.

Mit einem verzweifelten aufseufzen ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen, während Sophia hinten einstieg und auf der Rückbank Platz nahm. Meine Mum warf mir einen fragenden Blick von der Seite zu aber ich ignorierte sie, worauf meine kleine Schwester für mich antwortete. 

„Sie hat einen Jungen geschlagen" rief sie und kicherte ein wenig. „Zuerst hab ich mich auch erschrocken, aber ehrlich Ella, dein Schlag war einwandfrei." Ihre Stimme war belustigt.

Unsere Mutter drehte sich erschrocken mit dem ganzen Körper zu mir „Du hast WAS gemacht?" kreischte sie schon fast entsetzt.

Ich wollte zu einer Antwort ansetzten aber wieder riss Sophia das Wort an sich. „Mum, der Typ hat mich beleidigt und ausgelacht! Ella wollte mich ja nur verteidigen!" verteidigte sie mich und klopfte mir stolz auf die Schulter, als wäre ich die jüngere von uns. „Danke übrigens."

Meine Mutter sah immer noch nicht sonderlich begeistert aus von meiner Aktion, aber sie schnalzte nur missbilligend mit der Zunge ohne etwas zu sagen. Aus dem Augenwinkel konnte ich einen Muskel um ihren Mund verdächtig zucken sehen und ich stieß ein schnaubendes Lachen aus. 

Sophia hinter mir fing ebenfalls an zu kichern und dann brachen wie alle –auch Mum- in schallendes Gelächter aus.

In einer kurzen Lachpause fragte meine Mutter unter Tränen: „Wer war der Junge?"

„Ashton" prustete ich, worauf ihr Lachen plötzlich verstummte und sie mich mit Kugelrunden weit aufgerissenen Augen anstarrte.

„Ashton Sanches? Ist das nicht der Junge für den du schwärmst?"

„Eigentlich schon." Antwortete ich bitter und betonte das 'eigentlich'.

Meine Mutter kicherte wieder „Und der hat sich von so einem Zwerg wie dir eine verpassen lassen?" sie stieß mir in die Seite während sie den Motor startete und Rückwärts aus der Parklücke fuhr.

Ich schnaufte empört auf „Was soll das denn bitte heißen. Nur weil ich klein bin, heißt das noch lange nicht, dass ich keine Kraft habe!" rief ich empört aus, aber meine Familie fing erneut an los zu prusten.

Obwohl ich ein wenig eingeschnappt war, stimmte ich in das Lachen mit ein und war das erste Mal seit langer Zeit, einfach nur glücklich in genau diesem Moment. Einmal vergaß ich alles Negative.

Das Ashton, der Junge den ich immer angehimmelt hatte, sich heute zu einem Arschloch entpuppt hatte und dass ich so schreckliche Schuldgefühle hatte, wegen meiner Schwester.
Ich beachtete nur das Positive und das war, dass meine Schwester wieder da war, glücklich und unverändert.

***

Als wir Zuhause ankamen, war Dad von der Arbeit, wieder Zuhause und er drückte meine Schwester ganz fest, während er sich entschuldigte, dass er nicht vorher von der Arbeit konnte.

Sophias Augen glänzten jedoch vor Freude und sie drückte ihm einfach einen Kuss auf die Wange.

Einen Moment standen wir vier einfach nur da und sahen in die Runde. Endlich waren wir wieder eine Familie, alles würde so werden wie früher.

Tränen standen in den Augen meiner Mum und meiner Schwester und ich ging zu ihnen und nahm sie beide in den Arm. Mein Dad tat es mir nach und schlang seine Arme um seine drei Mädchen.

Etwas eine Minute hielten wir uns alle einfach nur gegenseitig in den Armen, bevor wir uns voneinander lösten.

Meine Mum räusperte sich und tupfte mit dem Ärmel ihres Pullovers über ihre Augen.
„Ich gehe jetzt die Lasagne aufwärmen, dann können wir gleich zu Abend essen. Du solltest dein Zimmer etwas säubern und die Bettwäsche wechseln Sophia. Hätten wir von deiner Ankunft gewusst, dann hätten wir natürlich alles vorbereitet." Sie seufzte auf und sah ein wenig missbilligend meine Schwester an die grinsend mit den Schultern zuckte.

„Nun gut", mischte sich mein Dad ein „Ella, hilfst du Sophia bitte?"

Ich nickte und griff nach einem der Koffer die im Flur standen. Sophia schnappte sich den zweiten und mit lautem Poltern hieften wir sie die Treppe hoch.

Sophias Zimmer sah noch aus wie bei ihrer Abreise vor 5 Jahren. Es war der Raum, direkt neben meinem, das einzige was sich dazwischen befand, war das kleine Badezimmer, das wir uns teilten. 

Ich erinnerte mich an Zeiten in denen wir uns kindisch gestritten hatten, weil einer von uns das Bad besetzte. 

Mit 10 fing ich an, Sophia ständig unter die Nase zu reiben, dass ältere Mädchen mehr Zeit im Badezimmer brauchten und dass ich zuerst an der Reihe war, weil ich das Vorrecht des älteren genoss. In Wahrheit, saß ich den größten Teil der Zeit einfach nur in der Dusche und lauschte wie sich meine kleine Schwester ärgerte. Als sie dann 10 wurde, hatte sie keine Lust mehr auf meine Spielchen und von da an stand sie früher auf um vor mir ins Badezimmer zu kommen und dasselbe mit mir abzuziehen.

Obwohl wir ständig wegen Kleinigkeiten Auseinandersetzungen hatten, habe ich diese Zickereien vermisst...

„Hey, träum nicht rum, sondern geh mir frische Bettwäsche holen." Rief Sophia, die sich auf ihr Bett geschmissen hatte, woraufhin sich der Staub von der Decke löste und in der Luft umherschwirrte. Sie hustete und ich lachte, bevor ich mich von dem Anblick der umherwirbelnden Staubkörner abwandte.

„Aber gerne doch Schwesterherz" entgegnete ich ironisch, stapfte hinüber in mein Zimmer und nahm mir Bettwäsche aus dem Schrank.

Als ich zurück in das Nebenzimmer kam, stand Sophia an ihrem Fenster und sah auf die Straße vor dem Haus. Ihr Blick war hoffnungsvoll und als ich näher trat drehte sie sich erschrocken zu mir um. 

Eine Träne schimmerte in ihrem Augenwinkel und sie versuchte die unauffällig wegzuwischen. Zaghaft lächelte ich sie an und ging auf sie zu. 

„Ich bin froh, dich wieder hier zu haben" sagte ich und meinte es auch so, obwohl mich meine Schuldgefühle nicht losließen und von innen heraus an mir nagten. Wie Säure brannte sich das Gefühl in meine Eingeweide und ätzte sie weg.

Die Furcht, dass ich ganz davon verschluckt werden würde schnürte mir ein wenig die Kehle zu, aber Sophia streckte die Arme nach mir aus und nahm mich in den Arm. Plötzlich fühlte ich mich wieder etwas leichter und die Hoffnung, dass alles gut werden würde kehrte in meine Herz ein und erwärmte es.


Endlich mal wieder ein Kapitel!
Sonntag kommt das nächste!


-K


Unexpected LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt