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*Ella*

In Wahrheit hatte ich es nicht eilig. Es gab niemanden mit dem ich mich noch treffen wollte und ich hatte auch sonst nichts zu tun, aber ich fühlte mich nicht wohl zwischen Jaime und Cayden, während sich die beiden gegenseitig so misstrauisch anstarrten.

Ich griff in die Seitentasche meines Rucksacks und fischte den Haustürschlüssel hinaus. Als ich die Tür öffnete und den Flur betrat hörte ich den Fernseher aus dem Wohnraum. 

Ich stellte meine Tasche ab und folgte den Geräuschen bis hin zu Sophia, die auf dem Sessel neben dem Sofa saß. Ihre Beine hingen an der einen Seite über die Lehne und auf der anderen Lehne hatte sie ihren Kopf in die Hand gestützt.

„Hallo Schwesterherz." Begrüßte ich sie und ließ mich auf die Couch plumpsen. 

Sie warf mir einen knappen Blick zu „Hi"

„Und wie war dein erster Schultag?" ich griff nach der Chipstüte, die auf dem Beistelltisch stand.
„Gut."

An ihrer Stimme hörte ich, dass sie mir etwas verschwieg und ich wartete einen Moment ab, aber als es still blieb hakte ich nochmal nach.

„Okay" gab meine Schwester seufzend nach. „Ein paar Leute aus meinen Kursen haben doofe Bemerkungen gemacht, aber sie waren harmlos und alle anderen haben mich höchstens angeglotzt." Sie zuckte mit den Achseln „Ich bin das gewohnt."

„Und hast du Ashton getroffen? Hat er wieder was Blödes gesagt?"

Sie machte einen seltsamen Gesichtsausdruck „Nein." Ihr Ton klang eine wenig zu sorglos, aber ich hakte nicht weiter nach, weil in dem Moment mein Handy klingelte. Ich wischte den grünen Button zur Seite und nahm ab.

„Hallo?"

„Ella?" ertönte Ians Stimme am Ende der Leitung. Er klang ein wenig besorgt, weswegen ich die Stirn runzelte. „Wo bleibst du? Du hast seit einer Viertelstunde Dienst." 

Mein Herz setzte einen Schlag aus und ich setzte mich ruckartig aufrecht hin.

„Verdammt! Ian es tut mir leid, ich hab's vergessen! In Zen Minuten bin ich da, versprochen."

Ich glaube es war Rekordgeschwindigkeit in der ich mich aufs Fahrrad geschwungen, zum Café gefahren und mir meine Dienstkleidung angezogen hatte. Wofür ich normalerweise 20 Minuten gebraucht hätte war es diesmal halb so viel Zeit.

„Ich habe Dora gesagt du hättest familiäre Probleme" erklärte Ian knapp, als ich mich neben ihn hinter die Theke stellte. 

Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke, du bist der beste."

Ian lächelte mich verlegen an und ich grinste zurück, bevor ich mich an meine Arbeit machte.

Da ich diesmal mit dem Auto und nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad war, machte mir nach meinem Dienst der Regen nichts aus.

Als ich zuhause ankam, erwartete mich eine Überraschung mit der ich nicht gerechnet hatte. Ein mir unbekanntes Auto stand vor unserem Haus und als ich eintrat hörte ich zwei Stimmen von oben. Ich stieg die Treppen hinauf und folgte den Stimmen bis hin zu Sophias Zimmer.

Die Tür war nur angelehnt und durch einen schmalen Spalt sah ich Sophia auf dem Bett sitzen. 
Neben ihr saß noch eine weitere Person, dessen Gesicht ich aber nicht erkennen konnte, da sie mit dem Rücken zu mir saß. Ich schob die Tür vorsichtig etwas weiter auf. Normalerweise spionierte ich nicht, aber diesmal war ich wirklich neugierig. Sophia war erst eine Woche hier und sie hatte mir nichts davon erzählt, dass sie jemanden kennengelernt hatte.

Als die unbekannte Person lachte und dabei den Kopf ein wenig drehte konnte ich ihr Gesicht erkennen. Es war Gabriel, der dort neben meiner Schwester auf dem Bett saß.

Ich grinste in mich hinein, weil ich mich genau daran erinnerte, wie er Sophia nach der ersten Begegnung bei der Schülerzeitungsversammlung angesehen hatte. Auch jetzt ließ er meine Schwester keinen Moment lang aus den Augen. Er sagte etwas, das Sophia zum Lachen brachte und sah aus als hätte er einen Engel vor sich.

Ich lächelte. Es war so schön, zu sehen, dass Sophia bereits einen Freund gefunden hatte und ich fand es so süß, dass Gabriel sie so ansah, als wäre sie das schönste Wesen der Welt, trotz ihrer... trotz ihrer Narben.

Tränen stiegen mir in die Augen. Es war meine Schuld, dass selten jemand meine Schwester so ansah. Wäre ich nicht gewesen, würde sie jetzt nicht so aussehen. Sie wäre hübsch wie eh und je. Wenn sie selbst jetzt so wunderschön aussah, wie würde sie dann aussehen, wenn keine Narben ihre rechte Gesichtshälfte entstellten und wenn ihre Gesichtszüge nicht so schlaff wären. Meinetwegen war es so besonders geworden, dass jemand sie ansah ohne einen neugierigen oder mitleidigen Blick und meinetwegen hatte Sophia nicht mehr die gleichen Chancen in dieser Welt wie alle anderen.

Ich dachte daran, dass sie als ganz kleines Mädchen immer gesagt hatte, sie wolle Polizistin werden. Wie würde das klappen? Wie würde sie mit nur einem funktionierenden Arm Polizistin werden können? Ich hatte ihren größten Traum zerstört und ich hasste mich so sehr dafür. Egal wie oft sie mir zu erklären versuchen würde, dass ich keine Schuld trug, ich würde mich immer schuldig dafür fühlen, weil ich es war. Ich war schuldig und das konnte ich nicht leugnen, wie Sophia oder meine Eltern es taten.







Hi Leute,

Ich habe das Gefühl, dass sich Ellas Geschichte langsam dem Höhepunkt nähert und das gibt mir Ultra viel Motivation zum weiter schreiben.

Was vermutet ihr, was noch so auf Ella zukommt?

-K

Unexpected LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt