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-Jongyul-

Ich konnte seinen undefinierbaren Blick nicht deuten, ehe er die Tür aufstieß und das Klassenzimmer betrat.

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„So Jongyul. Jetzt brauchen wir nur noch einen Platz für dich", erklärte die Lehrerin an mich gewendet, nachdem ich mich kurz vorgestellt hatte. Sie sah sich suchend um, während ich da vorne nur wie blöd rumstehen konnte. Soweit ich das auf die Schnelle richtig verstanden hatte, war die alte Frau neben mir meine neue Klassenlehrerin Frau Lee. Okay, so alt war sie wahrscheinlich nicht mal. Vielleicht vierzig. Oder fünfzig.

„Ach, schau mal! Da hinten in der letzten Reihe!", bemerkte sie plötzlich. Ich schaute in die Richtung, die sie mit ihrem ausgestreckten Finger angab.
„Da ist noch ein Platz neben Jaesung frei."

Moment...der Jaesung, den hier alle so abgöttisch verehrten? Wie konnte denn neben dem noch ein Platz frei sein? Eigentlich müssten sich hier doch alle regelrecht um diesen Platz streiten.

Jetzt drehte sich auch das Mädchen zu mir um, das direkt vor Jaesung saß. Sie hatte die ganze Zeit mit ihrer Freundin geredet und mir den Rücken zugedreht. Also ihr Rücken war ja auch schon schön gewesen, aber als sie sich jetzt zu mir umdrehte und mich ansah, verschlug es mir glatt die Sprache.

Ihre langen braunen Haare leuchteten in der Sonne fast rötlich auf und ihre dunklen Augen musterten mich von oben bis unten. Sie biss sich auf ihre zarten Lippen, als sie sich an die Lehrerin wendete.
„Aber Frau Lee! Haben Sie nicht gesagt, wir machen eine neue Sitzordnung? Ich würde so gern auch mal neben Jaesung sitzen!"

„Vergiss es", meldete sich jetzt dieser Jaesung verachtend zu Wort.
„Lieber sitze ich bis zu den Prüfungen neben diesem Idioten, als auch nur eine Stunde neben dir verbringen zu müssen,Yunai." Das Mädchen sah ihn geschockt an und wendete sich dann beleidigt von ihm ab.

„Also, Jongyul. Wenn du dich jetzt bitte hinsetzen könntest", begann Frau Lee gereizt auf mich einzureden.
„Ah, ja ja", erwiderte ich etwas verwirrt und riss mich vom Anblick des Mädchens los. Sollte ich mich jetzt angegriffen fühlen, weil er mich als Idiot bezeichnet hatte oder war das eher als Kompliment zu verstehen, dass er lieber neben mir sitzen wollte? Ich stolperte in die hinterste Reihe und ließ mich neben Jaesung fallen.

Dass er mich als Idiot bezeichnet hatte, ließ ich aber nicht einfach so auf mir sitzen und hakte deshalb nach: „Dann scheint sie ja echt sehr blöd zu sein. Dabei sieht sie ziemlich heiß aus."

Wo der perfekte Blondschopf eben noch versucht hatte, mich zu ignorieren, drehte er jetzt seinen Kopf zu mir und schaute mich fragend an.
„Bist du vielleicht in sie verknallt und hast Angst, nen Ständer zu bekommen, wenn du neben ihr sitzt oder warum willst du nicht neben ihr sitzen?", fragte ich provozierend und hob dabei eine Augenbraue an.

Man konnte förmlich sehen, wie sein perfektes Gesicht entgleiste und Platz für den stocksauren Gesichtsausdruck machte, den er mir heute Morgen schon geschenkt hatte.

Mit siegessicherem Grinsen wandte ich mich von ihm ab. Hatte er eben Pech gehabt, er hätte mich ja nicht gleich so anschnauzen müssen auf dem Schulflur. Seiner Reaktion nach zu urteilen war er aber vermutlich nicht in diese Yunai vor uns verliebt. Dabei sah sie echt verdammt gut aus.

Ich wollte Jaesung nochmal auf Yunai ansprechen, aber so wie er schaute, war es vielleicht sicherer, dies nicht zu tun. Er versuchte, mich daraufhin zu ignorieren und glotzte für den Rest der Stunde wie so ein Stein an die Tafel. Die Metapher passte gut zu ihm. Seine Haare waren schließlich auch so grau wie ein Stein.

Also verbrachte ich die ganze Stunde damit, Yunai auf den Rücken zu schauen, während der Depp neben mir überhaupt nichts mehr sagte. Ich verstand wirklich nicht, was an dem jetzt so besonders war. Bis auf sein perfektes Aussehen vielleicht. Ansonsten schien er nämlich echt ein Arschloch zu sein. Vor allem, weil er Yunai so angefahren hatte.

Ihre langen Haare lenkten mich wirklich vom Unterricht ab. Von ihren Haaransätzen über ihre zarten Schultern, alles war irgendwie perfekt an ihr. Langsam ließ ich meinen Blick tiefer wandern.

„Alter, glotzt du der etwa die ganze Zeit auf den Arsch?!", kam es nach ewig langem Schweigen jetzt doch zischend von Jaesung. Sieh an, also redete Mr. Perfect ja doch mit mir!

„Gegenfrage. Du bist doch hier der Mädchenschwarm, so wie die auf dem Schulflur alle über dich geredet haben. Du kannst mir doch bestimmt helfen. Wieso bist du so beliebt bei den Mädchen? Ist es nur dein zu perfektes Porzellangesicht oder hast du noch irgendwelche anderen Tricks?"

„Alter, was laberst du eigentlich die ganze Zeit?", entgegnete er gereizt. Die Stunde war fast vorbei und wir packten alle schon unsere Sachen zusammen, weswegen Jaesung jetzt nicht mehr flüstern musste, um mich anzufahren.

„War ja nur ne Frage", erwiderte ich und hob beschwichtigend die Hände. Allerdings nicht, ohne ihn nicht wieder triggern zu wollen.
„Dachte, du könntest mir helfen, und mein Wingman sein, wenn du ja selbst nicht in Yunai verliebt bist."

„Garantiert nicht!", fauchte er und schaute mich verstört an.
„Und warum nicht?"

„Erstens", begann er, „weil ich für niemanden den Wingman spiele und zweitens, weil ich solche Menschen wie dich hasse!"

Mit diesen Worten griff er nach seiner Tasche, stürmte aus dem Klassenraum und ließ mich allein an unserem Doppeltisch in einer leeren Klasse stehen.

I'm Not Your Wingman II LGBTQ+✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt