12

107 12 0
                                    

-Jongyul-

„Was brauchst du denn so lange?", rief ich genervt und wartete darauf, dass ich von der silbernen Schreckschraube eine Antwort bekam.
„Ich komm ja schon", entgegnete dieser und stolperte aus seiner Haustür, während er probierte, seine schwarze Jacke überzustreifen.

Zusammen machten wir uns auf den Weg zum kleinen See, der hier anscheinend irgendwo in der Nähe sein sollte.
„Kennst du den Park noch nicht?", fragte Jaesung und ich schüttelte meinen Kopf. Ich hatte mich zwar bereits ein bisschen an meine neue Umgebung gewöhnt, aber alles kennen tat ich noch lange nicht.
„Jedenfalls, im östlichen Teil dieses Parks ist ein kleiner, künstlich angelegter See, da findet das statt."

Wir machten uns auf den Weg zum kleinen See, wo heute Abend ein Klassentreffen stattfinden sollte. Zwar hatte Yunai meine Idee wie ihre verkauft, aber immerhin war sie auf mein Angebot eingegangen, das ich ihr am Freitag genannt hatte.

Aus meiner Anfrage, etwas mit ihr an diesem Sonntag zu unternehmen, war eben dieses Klassentreffen entstanden. Vielleicht kamen dadurch, dass Yunai die Initiative ergriffen hatte und alle Klassenkameraden eingeladen hatte, auch generell mehr Leute. Sie kannten alle immerhin schon besser als mich. 

Gut, dass meine Eltern eine Konzertprobe hatten, die bis spät in die Nacht andauerte. Ich konnte mir nämlich nur schlecht vorstellen, dass mein Vater mir an einem Sonntagabend erlaubt hätte, auf ein Klassentreffen am See zu gehen.

„Jaesung und Jongyul!", rief Yunai gleich freudestrahlend, als wir uns dem See näherten und sie uns bemerkte. Na immerhin schien sie heute herzlicher gelaunt zu sein, als sie es am Freitag gewesen war. Nachdem ich sie im Museum angesprochen hatte, hatte sie mich nämlich größtenteils ignoriert und war zu ihren Freundinnen gegangen. 

„Was zur Hölle treibt ihr da?", fragte Jae. Seine Verwirrung war deutlich rauszuhören.
„Wir spielen irgendeinen Mist zusammen", kam es von den Jungs, die mehr an den Bierflaschen interessiert zu sein schienen als an dem Spiel, das sie alle zusammen spielten.
„Das sehe ich schon", meinte Jae und schaute Yunai grimmig an.

„Wir spielen halt was zusammen", begann sie zu erklären.
„Jemand hatte gerade die Idee, dass wir Flaschendrehen spielen könnten."

Flaschendrehen also. Belustigt grinste ich Jae an. Begeistert sah er nicht aus, aber zurückgehen schien für ihn auch nicht in Frage zu kommen.
„Wollt ihr mitspielen?", fragte Yunai dann nach einigen Sekunden Stille.

Meinetwegen gern, aber Jaesung neben mir schien noch mit sich zu kämpfen. Wegen irgendetwas schien er Yunai echt gar nicht leiden zu können. Es brauchte nur jemand ihren Namen zu erwähnen und schon verdunkelte sich seine Miene, als würde es gleich zu regnen beginnen. Ich konnte wetten, er hätte sofort zugestimmt, wenn ihn jemand anderes gefragt hätte, ob er mitspielen wollte.

„Gut, wir spielen mit", brummte er, nachdem er mir vielsagende Blicke zugeworfen hatte.

Na wenn das mal nicht in die Hose ging jetzt. Ich ließ mich neben Jae nieder, der sich schon zwischen die anderen gequetscht hatte und mir nun einen Platz mit seinen großen Händen verteidigte. Jetzt saß mir Yunai direkt gegenüber.

Es fing eigentlich ganz lustig an. Das Spielprinzip war ähnlich wie das von „Wahrheit oder Pflicht", nur dass die Opfer per Bierdose ausgelost wurden. So musste einer der Jungs, die schon einen zu viel im Tee gehabt hatten, in den See springen und Jaesung musste ein Gebräu aus Bier, Seewasser und Orangensaft auf ex trinken.

„So, jetzt darf ich aussuchen", grinste Jiseok schelmisch. Er war zwar in meiner Klasse, aber besonders viel hatte ich mit ihm nicht zu tun.
„Die beiden Auserwählten müssen sich für mindestens", er überlegte kurz, „zehn Sekunden küssen."

Belustigt nahm er die leere Bierdose in die Hand und begann, sie zu drehen. Einige Male drehte sie sich im Kreis und kratzte dabei den Grasboden entlang, ehe sie langsam aber sicher stehenblieb. Auf mir.

„Jongyuuul!", grölten alle amüsiert und lachten. Na toll. Ich hatte noch nie in meinem Leben jemanden geküsst. Also richtig geküsst. Ich hatte Jaesung ja mehr oder weniger unfreiwillig küssen müssen. Das war schon komisch genug gewesen, aber wenigstens war es in Abwesenheit meiner Klasse geschehen. Und diesmal würden alle dabei zusehen können. Es würde sich gleich rausstellen, ob ich für den Rest dieses Jahres als schlechter Küsser abgestempelt werden würde oder nicht.

In diesem Moment fühlte ich mich hilflos ausgeliefert. Mein Puls raste, als Jiseok begann, die Bierdose noch einmal zu drehen. Das Ding schrubbte erneut über den Boden und wurde langsamer. Immer langsamer. Und dann hörte die Blechdose plötzlich auf, sich zu drehen und blieb stehen.

Direkt auf Yunai.

I'm Not Your Wingman II LGBTQ+✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt