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-Jongyul-

Warum musste ich eigentlich immer auf den letzten Drücker erscheinen? Ich hastete die Schulflure entlang in der Hoffnung, nicht zu spät zum Matheunterricht zu kommen. Aber wahrscheinlich war ich nur wieder paranoid.

Als ich komplett außer Atem vor meiner Klasse angekommen war, standen die meisten Schüler noch draußen und quatschten mit Leuten aus den Parallelklassen. Es war drei Minuten vor acht. Ich hatte es geschafft und war vollkommen umsonst die Flure entlang gehetzt.

Nach Atem ringend stand ich also nun einige Meter vor meinem Klassenraum und schaute mich um. Shit.

Genau vor mir stand Yunai und redete mit ihren Freunden. Wie sollte ich die Aktion von gestern denn jetzt am besten erklären, dass sie mich danach nicht hasste? Ich hatte keine Ahnung. Das einzige, das ich wusste, war, dass ich gewaltige Angst vor ihrer Reaktion hatte. Genau wie nach dem Klassentreffen.

Nur dieses Mal war es noch schlimmer.

Als sie mich bemerkte, rutschte mir mein Herz vor Angst in die Hose. Herablassend schaute sie mich an, wie ich vor ihr stand und luftringend meine Hände auf meinen Knien abstützte.
„Yunai, es tut mir so unendlich leid. Das wollte ich nicht, ich weiß nicht, was da gestern passiert ist", sprudelte es aus mir heraus, während ich mich aufrichtete und wie wild in der Gegend rumgestikulierte.

„I-ich weiß nicht, ich war komplett überfordert und dann das mit Jae-", entfuhr es mir, aber sie stoppte mich.
„Jetzt mach mal halblang, Jongyul", erwiderte sie genervt. Aber immerhin klang sie nicht mehr so abwertend und herabschauend. Sie wirkte irgendwie, als würde sie die ganze Situation auch stressen und überfordern.

Aus irgendwelchen Gründen schaute sie erst in die Klasse und seufzte dann einmal tief.
„Naja, jedenfalls ist es nicht so schlimm", meinte sie jetzt leicht gereizt.
„Ist schon ok, Jongyul. Kann ja mal passieren."

Sie zwang sich sogar zu einem kleinen Lächeln. Völlig perplex stand ich nun neben ihr und realisierte gerade, was sie da gesagt hatte. Sie hatte mir ernsthaft noch einmal verziehen? Womit hatte ich das bitte verdient?

Viel länger konnte ich mir über das, was sie gerade von sich gegeben hatte aber gar nicht den Kopf zerbrechen, denn da ertönte auch schon die schrille Schulklingel, die den Unterricht beginnen ließ.

„Hopp, hopp, Jongyul", hörte ich die Stimme meiner Mathelehrerin hinter mir, „ich will auch mal irgendwann mit dem Unterricht beginnen."

Mit einem entschuldigenden Blick eilte ich in die Klasse und ließ mich verwirrt auf meinen Platz neben Jae fallen. Richtig fassen konnte ich mein Glück immer noch nicht.

„Und, was hat sie gesagt?", fragte er mich mit gesenkter Lautstärke. Wie jetzt? Woher wusste er, dass Yunai gerade mit mir gesprochen hatte? Oder meinte er vielleicht gar nicht Yunai?

„Woher weißt du, dass ich gerade mit Yunai gesprochen habe?", fragte ich deswegen sichtlich verwirrt und ein kleines Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Lächeln stand ihm wirklich gut.

„Keine Ahnung, das hab ich so im Gefühl."
Er zuckte mit den Schultern.
„Aber jetzt sag mal, was hat sie denn dazu gesagt, dass wir sie gestern einfach haben abhauen lassen?"

Ich schaute mich einmal um, um zu sehen, ob uns jemand zuhörte. Aber wir hatten Glück. Unsere Mathelehrerin stand einfach nur vorne hinterm Pult und schrieb irgendwelche Formeln an die Tafel.

Aber immerhin konnte sie uns dann nicht stören. So konnte ich mich mit Jae unterhalten, ohne dass sie es sofort merkte. Ich linste kurzerhand zu Yunai herüber und vergewisserte mich, dass sie ins Abschreiben der Aufgaben vertieft war.

„Naja", begann ich, um Jae zu erklären, was Yunai gerade eben auf dem Schulflur zu mir gesagt hatte.
„Sie hat relativ gelassen reagiert. Ich hätte echt gedacht, die bringt mich jetzt um oder so, aber sie schien das halb so wild zu finden."

Als ich dem Blondschopf neben mir in die Augen schaute, grinste er mich verschmitzt an.
„Was ist denn jetzt los?"
Auch auf meinen Lippen bildete sich langsam ein schiefes Grinsen.

„Nichts, was soll schon sein?" Während wir die ganze Zeit so hin und her flüsterten, waren sich unsere Köpfe extrem nahe. Ich löste mich von seinem Blick und starrte auf seine wohlgeformten Lippen, die immer noch zu einem Grinsen verformt waren.

Plötzlich kamen Erinnerungen an den Tag hoch, an dem Jaesung von der Frau auf der Straße angebaggert wurde und ich ihm geholfen hatte. Ich wusste noch ganz genau, wie mich diese Lippen geküsst hatten.

Bei der Erinnerung daran kroch die Röte langsam in mein Gesicht und ich drehte mich weg. Aber wenn ich so drüber nachdachte, dann war Jaes Kuss sogar noch sanfter gewesen als der mit Yunai.

Was dachte ich hier eigentlich schon wieder für eine Scheiße? Augenblicklich wurden meine Wangen noch wärmer, als sie es sowieso schon waren.
„Ist was?", fragte mich Jae amüsiert.

„Nein, nein, alles gut. Sag mir jetzt lieber mal, wieso Yunai so locker reagiert hat", schob ich schnell ein. Ein Themenwechsel war jetzt dringend nötig, sonst explodierte mein wahrscheinlich hoch roter Kopf noch.

„Wer weiß?", grinste Jae, wendete sich von mir ab und schenkte nun den Matheaufgaben an der Tafel seine Aufmerksamkeit. Hatte er etwas damit zu tun, dass Yunai mich nicht angebrüllt hatte?

In diesem Moment hatte ich irgendwie das Gefühl, dass Jaesung mehr wusste, als er gerade zugeben wollte. Der hatte sich da doch bestimmt eingemischt.

I'm Not Your Wingman II LGBTQ+✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt