13

94 11 0
                                    

-Jaesung-

Und dann hörte die Blechdose plötzlich auf, sich zu drehen und blieb stehen.

Direkt auf Yunai.

__________

Jongyul stand die Unsicherheit förmlich ins Gesicht geschrieben. Nervös kaute er auf seiner Lippe herum. Aber das konnte ich ihm nicht einmal übel nehmen. Sogar ich war nervös. Und eigentlich sollte mich das überhaupt nicht interessieren, wen oder was er küsste.

Aber ich war trotzdem angepisst. Musste es denn unbedingt Yunai sein?

Zerknirscht sah ich dabei zu, wie Yunai sich erhob und auf Jongyul zukam. Sie kniete sich direkt vor ihn, sodass ich ein bisschen zurückrutschen musste. Ach ja, und ich war übrigens der einzige, der nicht „Küssen! Küssen! Küssen!" rief.

Wie gebannt blickte ich auf Jongyuls Lippen und schluckte schwer. Das war absolut nicht gut für meine sowieso schon angeschlagenen Nerven. Yunai nahm Jongyuls Gesicht in beide Hände, er legte seine Hände vorsichtig um ihre Hüfte und dann begannen die längsten zehn Sekunden meines Lebens.

Beide hatten ihre Augen geschlossen und bewegten einfach nur ihre Lippen gegeneinander.
„Zehn, neun, acht", begann meine Klasse runter zu zählen. Ich konnte das nicht länger mit ansehen. Aber meinen Blick abwenden konnte ich auch nicht.
„Sieben, sechs, fünf!" Während Jongyul so aussah, als hätte er mit seinem Puls zu kämpfen, hatte Yunai einen ganz merkwürdigen Blick aufgesetzt.

Sie sah angewidert aus, während sie Jongyul küssen musste. Oder eher küssen durfte.

Sie öffnete die Augen und schaute mich direkt an. Mit so einem flirtenden Blick. Als ob sie mir sagen wollen würde das könntest auch du sein. Bitch. Schaute mich einfach mit einem ihrer ekligen Blicke an, während sie gerade jemanden küsste, der ihr all seine Aufmerksamkeit schenkte.

„Bäh, reicht jetzt, Alter!", beschwerte sie sich und drückte Jongyul von sich weg, sobald der Countdown abgelaufen war, den meine Klasse lautstark mitgezählt hatte.

„Du sabberst mich ja von oben bis unten voll!", beschwerte sie sich und die Klasse lachte. Jongyul sah aus, als wären die Schmetterlinge, die er vermutlich im Bauch hatte, durch Insektenbekämpfungsmittel alle abgekratzt. Und obwohl Yunai selbst eine Plage war, schien das Insektenbekämpfungsmittel extrem bei ihm gewirkt zu haben.

In seinen Augen funkelten Angst und Schamgefühle, sein Gesicht lief rot an und schlagartig sah er komplett verunsichert aus. Ehe sich seine Augen mit Tränen füllen konnten, stand er auf und drehte sich um.

„Ich glaub ich geh lieber schon mal nachhause", murmelte er und bemühte sich, dass seine Stimme nicht brach. Das konnte ich sehr gut hören. Ohne noch mal in die Runde zu schauen, hechtete er schnellen Schrittes davon.

Ich konnte hören, wie er zu rennen begann, sobald er hinter dem nächsten Baum verschwunden war. Innerlich kochte ich vor Wut. Yunai konnte doch sicherlich sehen, dass Jongyul etwas für sie übrig hatte. Auch wenn das selbst für mich unvorstellbar war. Warum musste sie dann so beschissen mit ihm umgehen?

Ich hätte sie gegen einen Baum schmettern können, aber das half Jong jetzt auch nicht weiter. Ich musste zusehen, dass ich so schnell es nur irgendwie ging zu ihm kam. Er war mit den Nerven am Ende, das hatte ich gerade nicht nur gespürt, sondern auch an seinem Gesichtsausdruck gesehen.

Und es zerriss mir das Herz.

Grinsend schnappte sich Yunai die Bierdose und begann, fröhlich weiterzudrehen, als wäre nichts passiert. Ruhig bleiben, Jaesung. Ihr mit der Faust die Fresse polieren bringt dich jetzt auch nicht weiter.

Ich wusste genau, was diese Hexe dachte. Sie stand mal eine Zeit lang auf mich. Das war Anfang der elften Klasse gewesen. Ich hatte ihr ausdrücklich gesagt, dass ich nichts mit ihr zu tun haben wollte, aber anscheinend hatte sie wieder neue Hoffnung geschöpft. Das war der Grund, warum ich ihr versuchte, aus dem Weg zu gehen.

Aber das Schlimmste war, dass ich in ihrem Blick sehr gut sah, was sie dachte. Sie war überzeugt, dass sie ihr Ziel erreicht hatte, so zerknirscht wie ich aussehen musste. Sie dachte, ich wäre neidisch. Sie dachte, ich wäre neidisch auf Jongyul, weil er sie hatte küssen dürfen und ich nicht. Das sah man ihrem siegessicheren Lächeln extrem an.

Zögerlich erhob ich mich aus meinem Schneidersitz.
„Ich glaub, ich geh auch langsam. Ich hab genug", erklärte ich und verfluchte Yunais falsches Lächeln ein letztes Mal, ehe ich davon schritt und so schnell es ging den Park verließ.

„Jongyul, bist du hier?", fragte ich vorsichtig, als ich in seinem Haus angekommen war. Ich hatte ihn davonlaufen sehen und seine zufallende Haustür gerade noch aufhalten können, sodass ich sein Haus betreten konnte. Allerdings konnte er jetzt überall sein.

Ich betete, dass seine Eltern von dem Lärm nicht aufwachen würden, bis mir einfiel, was Jongyul mir erzählt hatte. Erleichtert darüber, dass seine Eltern gar nicht zuhause waren, begann ich, das Haus auf den Kopf zu stellen.

In seinem Bett war er nicht. An seinem vollgestellten Schreibtisch vor dem Fenster saß er auch nicht. Gerade wollte ich sein Zimmer wieder verlassen, um auf dem Flur nachzuschauen, als ich ein leises Schluchzen aus dem Bad wahrnahm.

I'm Not Your Wingman II LGBTQ+✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt