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-Jongyul-

Und dann passierte es einfach. Zögerlich legte er seine Lippen auf meine und wir küssten uns. In der Öffentlichkeit. Vor einer wildfremden Frau.

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Ich brauchte die heftigste Selbstkontrolle, die es gab, um nicht sofort meinen Mund abzuwischen, nachdem wir uns voneinander lösten. Was war das denn gerade bitte gewesen? Ich war total aufgebracht! Ich hatte meinen ersten Kuss an einen Jungen verschwendet, der mich hasste. An einen Jungen!

Jaesungs Aktion war drei Nummern zu krass für mich, doch sie schien Wirkung zu zeigen. Er griff wieder nach meiner Hand und begann, seine Finger mit meinen zu verflechten, damit es einigermaßen glaubwürdig rüberkam. Der konnte was erleben.

Die hohle Nuss schaute uns nur ganz angeekelt an und war dann so schnell weg, wie sie gekommen war. Als sie außer Sichtweite war, riss ich mich von Jaesung los und wischte mir mit aller Kraft meinen Mund am Jackenärmel ab.

„Boah, was war das denn, Alter?!", rief ich und schaute Jaesung unglaubwürdig an. Sofort entfernte er sich einige Meter von mir und ließ mir genug Platz, um mich von diesem Schock zu erholen. Ich mein, ich hatte ja selbst beschlossen, diesem Kerl zu helfen, aber dann gleich abgeknutscht zu werden? Das konnte doch nicht sein Ernst sein!

„Das hast du Spast doch nur aus Rache gemacht!", schimpfte ich und versuchte, mich zu beruhigen.

„Hey", begann er und ich schaute auf, „tut mir leid, Jongyul."
Ich zuckte zusammen. Konnte ich da wirklich so etwas wie Reue aus seiner Stimme heraushören? Eine Entschuldigung von diesem Deppen zu bekommen, damit hatte ich vor meinem Abschluss auch nicht mehr gerechnet.

„Schon gut", antwortete ich dann nach einer kurzen Pause etwas zerknirscht. Er hatte mich völlig aus dem Konzept gebracht.
„Wenigstens hat sie es uns abgekauft", murmelte ich.

„Und du bist ein echt guter Schauspieler, das muss ich schon sagen."
„Das lernt man nach einiger Zeit...", erklärte er und schaute zu Boden.
„Was?"
„Nicht so wichtig."

Jetzt, wo wir uns beide wieder ein bisschen eingekriegt hatten, liefen wir langsam weiter.
„Hast du noch kurz Zeit, ein bisschen mitzulaufen?", fragte er mich.
„Ach, jetzt auf einmal?"

Ich grinste ihn frech an. Der Kuss hatte ihn mindestens genauso stark aus dem Konzept gebracht wie mich. Er wirkte wie ausgewechselt.

Ich willigte ein und ging noch ein bisschen mit ihm mit. Konnte ja nicht schaden, zuhause war ja sowieso nichts los.
„Nein, jetzt aber mal im Ernst, Jongyul", begann er nochmal, als wir einige Meter gegangen waren. „Danke. Du hast echt was gut bei mir."

Jetzt entschuldigte er sich nicht nur bei mir, sondern bedankte sich auch noch! Was war nur in ihn gefahren?
„Echt?", fragte ich erstaunt. Jetzt wurde es interessant. Bevor er irgendetwas erwidern konnte, fuhr ich auch schon fort.
„Dann will ich, dass du mein Wingman bist. Dass du mir hilfst, ein Date mit Yunai klar zu machen."
Er stöhnte.
„Geht das jetzt weiter oder was?", fragte er genervt und schaute mich grimmig von der Seite an.

„Ach komm schon! Du hast gerade gesagt, dass ich was gut hab bei dir. Und so beliebt wie du bist, da muss dir das doch leicht fallen!"
Ich bettelte wortwörtlich darum, dass er mir half. Für einen Moment sah es so aus, als würde er mit sich kämpfen.

Stille.

„Na guuuut", gab er genervt nach. „Aber erwarte nicht zu viel von mir, damit das klar ist!", fügte er noch schnell hinzu, ehe ich Luftsprünge machen konnte. Glücklich grinste ich ihn an.

Ihn zu überreden hatte ich mir definitiv schwieriger vorgestellt. Ich dachte, ich müsste ihn noch mindestens eine Woche bearbeiten, bevor sich da überhaupt irgendwas tat. Aber anscheinend hatte die Aktion eben gereicht, um seine Meinung zu ändern. Warum auch immer. Und dass er mir meinen ersten Kuss geraubt hatte, war ja wohl Preis genug.

Wir schienen an seiner Wohnung angekommen zu sein, denn Jaesung wurde immer langsamer. Als er dann begann, das Tor zur Einfahrt aufzuschließen, verabschiedete ich mich langsam. Ich wollte mich jetzt erst mal auf mein Bett schmeißen und über diese verrückte Situation reflektieren. Ich stand immer noch unter Schock.

„Okay, ich glaub, ich muss dann auch langsam wieder nach Hause", erklärte ich und sah ihm dabei zu, wie er die Treppen zur Haustür hochhechtete. „Gut, dann sehen wir uns morgen, Jongyul!", rief er mir noch zu, ehe ich mich umdrehte, um zu verschwinden.

„Ach, und was ich dir noch sagen wollte wegen der Situation eben", rief er mir noch hinterher, sodass ich stehenblieb.

„Jongyul, du bist ein übelst beschissener Schauspieler!" Damit schlug er die Haustür zu und war im Inneren des Mehrfamilienhauses verschwunden.

I'm Not Your Wingman II LGBTQ+✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt