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-Jaesung-

Vielleicht war er ja gar nicht so oberflächlich, wie ich dachte. Vielleicht hatte er ja eine Chance verdient.
Und küssen konnte er auch.

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Ich hatte mich definitiv zu früh gefreut. Viel zu früh. Schon am nächsten Tag ging mir Jongyul mit seiner Flirtscheiße wieder gewaltig auf den Sack. Ständig wollte er irgendwas über Chang Yunai wissen. Ich verstand ihn echt nicht. Mir gegenüber benahm er sich vorlaut und fordernd, während er sich bei Yunai nicht mal traute, den Mund aufzumachen. Große Klappe, nichts dahinter.

„Du musst sie vielleicht einfach offen drauf ansprechen", hatte ich am Anfang noch zu ihm gesagt, aber ehrlich gesagt half mein Amateurwissen keinem von uns beiden weiter. Ich hatte weder Ahnung noch Interesse daran, wie man ordentlich flirtete. Aber Jongyul war da anderer Ansicht.

Und er tat es schon wieder. Jetzt hatte die Mathestunde gerade einmal vor fünf Minuten angefangen und schon hatte der dunkelhaarige Idiot neben mir nichts Besseres zu tun, als dieser Bitch vor ihm ununterbrochen auf den Arsch zu starren. Wie konnte man nur so drauf sein?

Wenn der erst mal rausfand, was für eine Bitch diese Yunai eigentlich war und was sie alles für asoziale Sachen getan hatte, bevor Jongyul an die Schule gekommen war...da wollte ich lieber nicht dabei sein. Aber einmischen wollte ich mich auch nicht.

Erstens hatte ich kein Recht dazu und zweitens musste er es selbst rausfinden. Konnte ja auch sein, dass ich der einzige war, der sie hasste. Vielleicht passte sie ja zu ihm, keine Ahnung. Aber eigentlich konnte ich hier denken, was ich wollte. Es änderte nichts an der Tatsache, dass ich hart enttäuscht wäre. Irgendwas hatte dieser Junge an sich, was mich zur Weißglut gebrachte, aber was ich gleichzeitig auch nicht mehr missen wollte. Und ausgerechnet er wollte nun, dass ich ihn mit so einem Weib verkuppelte.

Ich wusste ja selbst nicht, was ich denken sollte. Hätte man mich am Anfang gefragt, dann wäre es mir mehr als nur egal gewesen, dass Jongyul probierte, Yunai flachzulegen. Aber dadurch, dass ich nun irgendwie in diese Geschichte involviert war, löste seine Begeisterung an Yunai doch etwas in mir aus. Ich musste einfach abwarten. Mit der Zeit würde er schon bemerken, welch falsche Schlange Yunai wirklich war.

Aber gerade hatte ich definitiv ein anderes Problem.

Dieser. Idiot. Wollte. Einfach. Nicht. Aufhören.

Er lehnte sich ununterbrochen zu mir rüber und quasselte dermaßen auf mich ein, dass ich nicht mal mehr die einfachsten Aufgaben gelöst bekam. Verstand er nicht, dass in ein paar Monaten die Abschlussprüfungen vor der Tür standen? Bei seinen Defiziten in Mathe hatte dieser Spast eigentlich gar nicht die Zeit dazu, sich nach meinem Liebesleben zu erkundigen oder Fragen über Yunai zu stellen.

Als er mich dann zum zehnten Mal fragte, ob Yunai meine Freundin wäre, weil wir optisch gut zusammenpassen würden, riss mir endgültig der Geduldsfaden. Das konnte doch nicht wahr sein! Wütend packte ich Jongyul am Handgelenk, der mich durch seine sonst so frechen Augen entsetzt ansah, und zerrte ihn auf die Beine.

„Yoo Jaesung!", kam es von meiner Mathelehrerin, die sich mittlerweile von der Tafel abgewendet hatte und mich böse anfunkelte.
„Tut mir leid", sagte ich und setzte mein unschuldigstes Lächeln auf, „aber Jongyul ist gerade schlecht geworden. Ich bring ihn nur schnell in den Krankenraum."

So einfach konnte es gehen.
„Alter! Wieso ich?!", zischte Jongyul, sodass nur ich ihn hören konnte. Aber das interessierte mich jetzt nicht. Viel wichtiger war, dass mir die Mathehexe meine Lüge abkaufte und ich Jongyul am Handgelenk hinter mir aus dem Klassenzimmer zerren konnte.

Eilig zog ich den Jüngeren hinter mir her die Schulflure entlang. Als wir uns weit genug vom Klassenzimmer entfernt hatten, begann ich, ihn anzugiften.
„Kannst du nicht wenigstens im Unterricht deine dummen Beziehungsprobleme ignorieren?! Ich hab keinen Bock, mit dir über Yunai zu labern, weil ich meinen Abschluss schaffen will im Gegensatz zu dir!", fauchte ich.

„Ja ja, jetzt komm mal wieder runter!", antwortete der Braunhaarige und hob beschwichtigend die Hände.
„Sag mal, kann es vielleicht sein-", begann er und schaute mich wissbegierig an.
„Was kann sein?"
„Kann es sein, dass Yunai deine Freundin ist und du es mir einfach nur nicht sagen willst, oder warum bist du immer so stocksauer, wenn ich über sie rede? Und eine klare Antwort auf diese Frage hast du mir immerhin auch noch nicht gegeben."
Das war jetzt nicht sein Ernst, oder?

„Was?", brachte ich nur ungläubig hervor.
„Ob sie deine Freundin ist, hab ich dich gefragt", wiederholte er provokant.
Angewidert verzog ich das Gesicht. Ich drückte Jongyul mit aller Kraft an die Wand und fixierte ihn mit meinen Armen. Langsam brachte dieser Junge das Fass zum Überlaufen.
„Nein, wann checkst du es endlich?! Yunai ist nicht meine Freundin! Ich will mit dieser Schlampe nichts zu tun haben!"

Zweifelnd schaute er mich an.
„Was schaust du jetzt so? Ich stehe auch nicht auf sie! Wann geht das endlich in dein verdammtes Hirn rein?!"
Halbwegs überzeugt wandte er sich ab. Ich brauchte einige Sekunden, um mich zu beruhigen, ehe ich fortfuhr.
„Jongyul, aber jetzt mal im Ernst", versuchte ich zu beginnen und griff nach seinem Unterarm.

„Ich glaube nicht, dass ich der Richtige bin, um dir zu helfen. Du solltest dir jemand anderen suchen." Ich konnte das nicht. Ich hatte doch genau so wenig Ahnung wie er. Er konnte von mir nichts lernen. Zumindest nichts, was ihn mit Yunai zusammenbringen würde.
„Aber warum soll ich mir denn einen anderen Wingman suchen? Wir haben doch noch nicht mal richtig angefangen!", beklagte er sich und schaute mich dabei betrübt an.

„Und ich dachte, wir wären mittlerweile sowas wie Freunde."

Erschrocken schaute ich ihn an. Meinte er das wirklich so, wie er es gesagt hatte? Also war ich ihm vielleicht doch ein bisschen mehr wert, als nur sein alberner Wingman zu sein?

„Ja, schon irgendwie", antwortete ich sichtlich verdattert, „aber ich kann dir mit deinen Beziehungsproblemen auf Kindergarten- Niveau auch nicht helfen."
„Nicht mal ein bisschen?", hakte er nach.
„Nicht mal ein bisschen."

Den wahren Grund konnte ich ihm einfach noch nicht erzählen. Ich hatte das Gefühl, dass er es nicht verstehen würde. Die ganze Sache war komplexer, als er zum jetzigen Zeitpunkt wissen konnte. Es hatte keinen Sinn, einem fast Fremden die Gründe für mein Verhalten zu erläutern.

Er schien an meinem Blick erkennen zu können, dass ich ungern noch weiter ausgefragt werden wollte.
„In Ordnung. Ich schaff das schon irgendwie."
Er befreite seinen Oberarm von meinem Griff und packte mich stattdessen an den Schultern. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich ihn nach wie vor gegen die Wand presste und ließ ruckartig von ihm ab.

„Dann suche ich mir eben alleine eine Kindergartenfreundin, du Schreckschraube."

Jongyul grinste mich schief an und griff nach meinem Handgelenk.
„Und jetzt komm, die warten sicher schon auf uns", sagte er und zog mich diesmal hinter sich her zurück in den Klassenraum.

I'm Not Your Wingman II LGBTQ+✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt