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-Jongyul-

Die letzte Träne rannte mir über die Wange und benommen von der Angst vor dem, was mich gleich erwartete, drückte ich mit zittrigen Fingern auf Play.

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Ich hörte dumpfe Schritte.

„Jae, was machst du denn hier?"
Ich hörte regelrecht, wie positiv überrascht sie war.

„Ich muss mit dir reden, Yunai."

„Worüber willst du denn reden, Jaesungie?"

„Yunai, lass mich los!"
Klatsch. Wahrscheinlich hatte er ihre Hand weggeschlagen. Aber warum reagierte er so, wenn er doch heimlich mit ihr zusammen war? Das passte in meinem Kopf irgendwie nicht zusammen.

„Ich will, dass du mir eine Frage ehrlich beantwortest. Eine einzige."

„Klar, doch. Für dich doch immer! Was willst du denn wissen?"
Es war wirklich erschreckend, wie überaus freundlich sie immer klang, wenn sie mit Jaesung redete.

„Was empfindest du wirklich für Jongyul?"

Stille. Mein Herz drohte, aus meinem Brustkorb zu springen.

„Er ist mein fester Freund. Also was soll die Frage?"

„Verarschen kann ich mich selber, Yunai. Man sieht genau, dass du ihn nicht so liebst, wie er es verdient hätte."

Wenn ich dachte, mein Herz könnte nicht noch schneller schlagen, dann wurde mir soeben das Gegenteil bewiesen. Sowas aus seinem Mund zu hören, ließ mich feuerrot werden. Egal, wie wütend ich gerade auf ihn war.

„Ja okay, du hast ja gewonnen. Aber war es nicht offensichtlich, was ich für ihn empfinde?"
Yunai klang amüsiert.

„Was meinst du damit?"

„Jaesungie, ich hab niemals irgendwas für diesen kleinen Bubi empfunden. Das solltest du doch gesehen haben, so viele Zeichen, wie ich dir gegeben habe!"

Schock. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nur mit aufgerissenen Augen auf die laufende Sprachaufzeichnung starren. Hatte sie das gerade wirklich gesagt?! Mir schoss so viel auf einmal durch den Kopf, dass ich gar nicht realisierte, dass Jaesung mit seiner Hand vorsichtig über meine fuhr, während ich sein Handy immer noch fest umschlossen hielt.

„Das bedeutet, du hast ihn ausgenutzt?"

„Ja. Wenn du es so sagen willst, dann ja. Jetzt schau doch nicht so geschockt, Jaesung. Das hätte dir doch klar sein sollen. Er ist nun mal gut mit dir befreundet und ich wollte dich halt eifersüchtig machen. Damit du siehst, was dir entgeht", flirtete sie ihn an.

Wieder kurz Stille.

„Tja, und es scheint ja auch geklappt zu haben!"

„Wie eingebildet muss man sein, um das ernsthaft noch zu denken?! Du denkst, ich war neidisch auf Jongie?"

Jaesung klang richtig gehässig.

„Wenn du das wirklich denkst, dann hast du aber gewaltig falsch gedacht. Yunai, im Ernst: Eine Gehirnzelle weniger und du würdest als Pflanze durchgehen!"

Schlagartig hörte Jaesung auf, meine Finger entlang zu streichen und pausierte die Audio-Datei.

„Siehst du, Jong? Ich wollte das machen, um dir zu zeigen, auf was für eine Bitch du dich da einlässt. Ich konnte das einfach nicht mit ansehen, wie du jede Pause schweigend neben ihr verbracht hast. Und das ist jetzt die Stelle, bei der sie dich im Flur gesehen hat und mich dann geküsst hat", murmelte er zerknirscht.

Er tippte auf sein Handy und ich hörte ihn wieder mit Yunai sprechen.

„YUNAI! ICH REDE MIT DIR! Schau mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!"

„Du redest nicht mit mir, DU BRÜLLST MICH AN! Na warte, Jaesung. Ich bekomm schon noch, was ich will."

Klar und deutlich hörte ich Yunais schelmischen Unterton heraus.

„Wa-"

Das musste die Stelle sein, wo die beiden sich küssten. Es herrschte Stille zwischen den beiden. Das einzige, das man hören konnte, war das Gewusel der Schüler, die den Gang entlangliefen. Diese Stille zerdrückte mich innerlich. Mein gesamter Körper stand unter Strom. Ich merkte, wie ich komplett verkrampfte. Ich musste mich beherrschen, um nicht laut loszuschreien.

Anscheinend merkte Jaesung das und begann, mit seiner Handfläche zaghaft über meinen Rücken zu streichen. Jetzt tat sich auch wieder was in der Audio-Datei.

Ein lauter Knall.

„JAE! Das hat wehgetan!"

„Das sollte es auch! Und wieso hast du das jetzt überh-"

„Dreh dich um, dann weißt du es."

„JONGIE! Ach du Scheiße! Du bist so eine hinterhältige Schlange! Shit, ich hätte das nie auch nur versuchen sollen!"

„Tja, aber wie willst du das jetzt wieder gerade biegen? Er wird dir das nie verzeihen."

Yunai lachte.

„Das wirst du schon noch sehen. Aber merk dir eines Yunai: Ich werde NIEMALS mit so einer Bitch wie dir zusammen sein!"

Jetzt hörte ich hastige Schritte. Vermutlich rannte Jaesung nun los, um mich zu finden.

„Fuck. JONGYUL! WARTE!"

Vorsichtig entnahm mir Jaesung sein Handy und saß für einige Sekunden einfach nur still neben mir, während er weiterhin langsam über meinen Rücken strich.

Ich konnte nicht glauben, was ich da gerade gehört hatte. Das konnte er unmöglich gefälscht haben. Das ging gar nicht. Und es stimmte exakt mit dem überein, was auch ich heute Morgen gesehen hatte.

„Glaubst du mir jetzt?", fragte er vorsichtig und schaute mir hoffnungsvoll, aber verzweifelt zugleich in die Augen. Konnte ich ihm vertrauen? Ich bekam das gar nicht richtig mit, aber ich fing an zu nicken.

Erleichtert atmete er auf und umarmte mich von der Seite.
„Du glaubst gar nicht, wie froh ich gerade darüber bin", murmelte er gegen mein Shirt und zog mich noch näher an sich. Das komische Herzklopfen war immer noch da, wenn er mich umarmte, aber ich fühlte mich trotzdem unendlich befreit.

„Und ich erst", antwortete ich deswegen und genoss es, einfach nur in seinen Armen zu liegen und seinen Duft und seine Anwesenheit endlich wieder richtig genießen zu können. Ich war immer noch nicht ganz wieder aufgebaut, aber er hatte mir so gefehlt.

I'm Not Your Wingman II LGBTQ+✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt