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-Jongyul-

Ich hatte noch nie in meinem ganzen Leben so viel und so stark geheult. Langsam brach die Dämmerung an und ich hatte mich in meinem Zimmer verschanzt, sobald ich zuhause angekommen war.

In mir war alles zusammengebrochen. Ich war ein einziges Wrack.

Heulend hatte ich unsere Haustür aufgestoßen und war die Treppen hinauf gestapft. Und das schlimmste daran war, dass meine Eltern sogar da gewesen waren. Aber der Gedanke, dass sie mich trösten würden oder es überhaupt bemerken würden, wie dreckig es mir ging, blieb nur ein Funken Hoffnung. Nichts passierte.

Ich hatte ein dumpfes Hallo aus dem Musikzimmer meiner Mutter gehört, aber das war es auch schon. Nicht mal als ich ihr mit brüchiger Stimme geantwortet hatte, hatte sie geschnallt, dass ich Hilfe brauchte. Oder mir wenigstens welche wünschte.

Zu mehr als im Bett rumgammeln hatte ich mich nicht zwingen können und so saß ich nun, wahrscheinlich mit komplett verheulter Visage, auf meinem Bett und schnappte ringend nach Luft.

Erst der Umzug nach Seoul und nun diese Scheiße. Zwar starb mein Herz wieder jedes Mal aufs Neue, wenn ich daran dachte, aber die Bilder von Jaesung und Yunai wollten mir nicht mehr aus dem Kopf gehen.

„ARRGH!", schrie ich in mein Kissen und pfefferte dieses kurzerhand gegen die Wand, woraufhin meine Schreibtischlampe krachend zu Boden fiel. Ich war so unendlich leer. So unendlich traurig. Doch was genau machte mich eigentlich so unendlich traurig?

Immer wieder rasten Jaesungs Worte durch meinen brennenden Schädel. Das klingt gerade, als wärst du eifersüchtig auf Yunai...Und das schockierendste daran war, dass ich das nicht mal selbst so genau wusste. Irgendwo hatte er recht.

Zwar war da ein bedrückendes Gefühl, wenn ich an Yunai dachte, sowas wie Kummer vielleicht, aber ich nahm es nur ganz dumpf wahr. Etwas viel größeres belastete mich.

Hatte ich mir vielleicht Hoffnungen gemacht?

Wenn ich so drüber nachdachte, auch wenn ich es selbst nicht hören wollte, dann klang das, was ich Jaesung da vorgeworfen hatte wirklich nicht so, als wäre ich wütend auf ihn. Es klang vielmehr so, als wäre ich eifersüchtig auf Yunai.

Mein Herz begann zu rasen, sobald ich an diese Szenen mit Jaesung dachte, wo wir uns näher gekommen waren. Und gleichzeitig tat es auch so weh, daran zu denken, dass er mich die ganze Zeit angelogen hatte.

Ich naiver Idiot hatte seinen gutmütigen Reden tatsächlich Glauben geschenkt. Ich war wirklich kurz davor gewesen, die ganze Sache mit Yunai zu überdenken. Ich war kurz davor gewesen, den letzten Schachzug zu vollführen, den er brauchte, um mich schachmatt zu setzen. Ich war nur wie eine Spielfigur auf seinem Feld.

Er hatte mich benutzt und mir versucht, schlechte Sachen über meine Freundin einzureden, nur um sie hinter meinem Rücken selbst abzuchecken. Und Yunai hatte das Spielchen mitgespielt. Wie sollte ich ihm jemals wieder vertrauen können?

Was laberte ich da eigentlich? Ich musste ihm doch gar nicht mehr vertrauen! Bald waren wir sowieso durch mit Schule. Ich hatte zwar gehofft, dass er mich nicht nur als Puppe betrachtete, aber wenn das so war, dann war es eben so.

Allein bei dem Gedanken daran, dass der Jaesung, den ich kannte, nicht der richtige Jaesung gewesen war, heulte ich schon wieder los.

„Jongyul?", hörte ich auf einmal die Stimme meiner Mutter vom unteren Flurende aus fragen. Hatte sie mich endlich auch mal bemerkt? Würde sie jetzt zu mir hochkommen und mir vielleicht ein Mal in meinem Leben beistehen, wenn ich sie brauchte? Nein, natürlich nicht.

„Ich geh wieder in die Oper. Die Generalprobe ist um elf vorbei!"
Dass meine Mutter gerade mit mir sprach, hinderte mich nicht im Geringsten daran, einfach lautlos weiter zu heulen.
„Ja, ist ok!", rief ich mit aufgesetzter Fröhlichkeit, doch in Wahrheit war ich einfach nur enttäuscht, dass sie nicht bemerkt hatte, wie schlecht es mir ging.

Krachend viel die Tür uns Schloss und ich war wieder allein mit meinen Gedanken. Mein Kopf dröhnte. Ich spürte mein komplettes Gesicht nicht mehr, ich war wahrscheinlich komplett dehydriert. Mir war das egal, doch irgendwas in mir rief, dass ich so nicht weitermachen konnte.

Mit zitternden Knien erhob ich mich aus meinem Bett und schlich leise ins Bad hinüber. Ich tauchte mein Gesicht in eiskaltes Wasser und hoffte, dass die Schmerzen, die die Kälte verursachte, meine seelischen Schmerzen überdecken würden. Oder dass das Wasser meine Probleme am besten gleich mit wegwaschen würde.

Aber das war mir natürlich nicht vergönnt. Stattdessen starrte mich ein lebloses Augenpaar, geschmückt mit dunklen Schatten unter den Augen, an, als ich einen Blick in den Spiegel wagte. Ich sah wirklich furchtbar scheiße aus.

„Warum nur das alles...", seufzte ich und wendete meinen Blick ab, als ich plötzlich das Klingeln der Haustür wahrnahm. Wer konnte das denn bitte sein?

Meine Eltern hatten erst vor gerade mal einer guten halben Stunde das Haus verlassen und der neue Controller, den ich bestellt hatte, kam voraussichtlich erst am Montag an. Zudem war es mittlerweile stockdunkel draußen, wer kam uns denn um diese Uhrzeit noch besuchen?

Genervt stapfte ich die Treppenstufen hinunter. Es war mir gerade sowas von egal, wie scheiße ich aussah, denn wer uns um diese Uhrzeit besuchen kam, der musste damit rechnen, dass eine halbe Leiche die Tür öffnete. So sah ich schlicht und einfach nun mal aus.

Es klingelte noch einmal. Und noch einmal.

„JA, ALTER! Ich komm ja schon, was fällt Ihnen überha-"

Ich öffnete die Tür nur einen Spalt breit, da spürte ich auf einmal eine gewaltige Kraft gegen die Tür pressen. Panik stieg in mir auf.

„LASSEN SIE DAS!", schrie ich, aber natürlich hörte der Fremde nicht auf. Wieso auch? Er war gerade dabei, ein fremdes Haus einzunehmen. Wer ließ sich da schon von so jemandem wie mir einschüchtern?

Ich konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte. Ich hatte keine Ahnung, wer derjenige war, der gerade äußerst gewalttätig probierte, die Wohnungstür aufzuschlagen. Ich konnte nur eine schwarze Gestalt erkennen, ehe ich dem enormen Druck nachgeben musste, das Gleichgewicht verlor und rückwärts umkippte.

I'm Not Your Wingman II LGBTQ+✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt