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-Jongyul-

Ich hatte meinen Kopf auf dem Schultisch abgelegt und in meinen Armen vergraben. Ich war fast am Einschlafen, aber es war ja auch Mittagspause. Da war das sicher irgendwie erlaubt, halb einzupennen.

Auch, wenn mich der Blondschopf wieder an die Wand gepresst hatte, war das vorhin schon irgendwie befreiend gewesen. Anscheinend hasste mich Jaesung doch nicht so sehr, wie ich befürchtet hatte. Sonst hätte er mich zusammengeschlagen, statt mit mir zurück zur Klasse zu gehen. Dieses leicht schräge Jaesung-Grinsen, das er mir daraufhin geschenkt hatte, gab mir sogar das Gefühl, als hätte er das gewollt.

Als hätte er gewollt, dass ich mit ihm befreundet sein wollte, statt ihn einfach in Ruhe zu lassen.

„Jongyul!", rief Jaesung und zerrte an meinem Ärmel. Müde hob ich meinen Kopf und schaute ihn mit einem verschlafenen Blick an.
„Hm?", machte ich und wartete darauf, dass er noch irgendwas sagte.

„Wach auf, du Penner. Schlafen kannst du zuhause."
„Nenn mich nicht Penner!", nuschelte ich gereizt.
„Wie soll ich dich denn sonst nennen, wenn du auf unserem Tisch einpennst?"
„Nenn mich Majestät", entgegnete ich und wollte mich gerade wieder unter meinen Armen vergraben, als er fortfuhr.

„Nur zu Eurer Info, Majestät, aber Frau Lee ist gerade reingekommen. Ich würde mich an Ihrer Stelle jetzt verdammt nochmal aufrecht hinsetzen, Eure Majestät."
Von der einen Sekunde auf die andere war ich hellwach und saß kerzengerade auf meinem Stuhl. Dass mich unsere Klassenlehrerin beim Einschlafen sah, das war vielleicht eher ungünstig.

Während ich mir meine Augen rieb, kramte Jae bereits seine Politiksachen aus der Tasche. Na wenn das so war, dann konnte ich ja direkt weiterschlafen. Politik, und dann auch noch nachmittags? Frau Lee provozierte es ja regelrecht, dass ich in ihrem Unterricht einschlief.

Aber heute begann die Stunde anders, als ich es erwartet hatte.
„Es gibt Neuigkeiten", begann Frau Lee, als wir sie begrüßt hatten. Ich hoffte jetzt einfach mal, dass diese Neuigkeiten einigermaßen erfreulich waren. Ich war nämlich viel zu müde, als dass ich mich mit irgendeinem Stress auseinandersetzen konnte.

„Gleich wird Herr Kim kommen und euch die Details erklären", fuhr sie fort und ließ sich auf ihren Stuhl hinter dem Pult fallen. Herr Kim war unser Sportlehrer, der nächsten Freitag mit uns einen Ausflug machen wollte. Wohin wussten wir noch nicht, aber dass er uns jetzt persönlich besuchen kam, konnte doch nichts Gutes verheißen. Fragend schaute ich Jaesung an. Aber der hatte anscheinend auch keine Ahnung, weshalb Herr Kim vorbeikam.

Lange mussten wir gar nicht warten, da kam der coolste Sportlehrer der Schule auch schon durch die knarzende Klassentür geschlendert. So nannten ihn zumindest alle, nachdem er letzte Woche verkündet hatte, er würde mit uns einen Ausflug machen wollen. Besonders die Mädchen, die für jede Sportstunde eine neue Entschuldigung parat hatten, nicht mitmachen zu müssen, freuten sich über diesen Ausflug natürlich.

Herr Kim strich sich einige schwarze Strähnen aus dem Gesicht und er schaute sich im Raum um. Als er uns mit einem freundlichen Lächeln begrüßt hatte, leistete er Frau Lee Gesellschaft und stellte sich zu ihr hinters Pult.

„Hallöchen alle zusammen", begann er und strahlte uns alle an. Kein Wunder, dass die Mädchen auf sein Lächeln abfuhren. Vielleicht sollte ich ihn und nicht Jaesung um Rat fragen, wenn ich Yunai irgendwann mal für mich begeistern wollte.
„Ihr fragt euch sicher alle, warum ich hier bin."
In der Tat. Das taten wir. Wir hatten schließlich nach wie vor keinen Plan, was uns bevorstand.

„Wie ihr wisst, habe ich von der Schulleiterin die Erlaubnis bekommen, vor eurem Abschluss einen letzten Ausflug mit euch zu machen. So weit, so gut."

Seine Miene verdunkelte sich.

„Allerdings, und jetzt kommt der Part, der euch vermutlich nicht so gut gefallen wird: Eine sportliche Aktivität wurde uns aus Sicherheitsgründen so kurz vor den Prüfungen verboten", erklärte er, während ich bei einigen meiner Klassenkameraden schon die Enttäuschung wahrnahm.
„Weswegen wir in das Naturkundemuseum gehen werden", beendete er seinen Satz und entfachte somit eine Totenstille.

Frau Lee schien die einzig nicht enttäuschte Person in diesem Raum zu sein.

Selbst Jae wirkte niedergeschlagen, obwohl ich bei ihm eher mit Gleichgültigkeit gerechnet hatte. Es war zwar ein öder Museumsausflug, aber vielleicht konnte ich dadurch besser ein Gespräch mit Yunai anfangen, als es mir bisher in der Schule gelungen war. Die einzigen Wörter, die wir nämlich bisher miteinander gewechselt hatten, waren ganz unspektakulär im Unterricht über ihre Lippen gekommen. Als sie mich nach einem Bleistift gefragt hatte. Den hatte ich übrigens immer noch nicht wieder.

Aber vielleicht würde sich das ja auf dem Weg zum Naturkundemuseum endlich ändern. Ich wusste immer noch nicht genau, warum ich von Yunai so angetan war, aber manchmal brauchte man vielleicht auch einfach keinen Grund, um sich in jemanden zu verknallen.

Ich stellte mir vor, wie ich mich mit Yunai allein in einem Ausstellungsraum befinden würde. Sie würde mich anlächeln, ich würde ihr etwas zu trinken kaufen und wir würden uns zusammen in das Museumscafé setzen. Bei dem Gedanken daran, wie sie mich verliebt anblickte, bildete sich ein breites Grinsen auf meinem Mund. Ich war der einzige in der Klasse, der gerade vermutlich bis über beide Ohren strahlte.

Ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht bemerkte, mit was für einem scharfen Blick mich Jaesung in diesem Moment musterte...

I'm Not Your Wingman II LGBTQ+✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt