15. Kapitel (3/3) In der Bibliothek

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Ich verstand nur die Hälfte von dem, was Dareios und Milica plauderten, doch ich hoffte, man würde mir bald Aufklärung verschaffen. In der Bibliothek wartete bereits eine Versammlung von Gästen, die ich niemals alle zusammen in einem Raum vermutet hätte. Hier befanden sich Lajos und Ersilia, die alles mit unergründlicher Miene überblickten. Daneben saßen zu meinem Erstaunen Annalisa und Flavio zusammen auf einer Bank und auf einem Sessel daneben Elia. Das Gesicht des Jungen war auffallend blass und er hatte dunkle Ringe unter den Augen, doch seine Miene hellte sich auf, sobald er mich ansah. Ebenso wie Annalisas Gesichtsausdruck. Alle warteten, bis auch wir drei Platz genommen hatten, dann erhob sich Lajos zu einer beinahe feierlichen Ansprache:

„Julien, wir freuen uns, dich wieder wohlauf in unserer Runde zu begrüßen. Damit spreche ich, denke ich, im Sinne aller Anwesenden. Leider muss ich dir eröffnen, dass wir dich nicht schonen können. Wir werden dich heute Abend um deine Hilfe bitten müssen, für eine Aufgabe, die wahrscheinlich nur du erledigen kannst. Es geht um Flavios und Annalisas Tochter Cassandra. Du musst sie finden."

Verwirrt blickte ich von Einem zum Anderen. Cassandra. Das Mädchen fehlte. Was war geschehen? Langsam dämmerten mir Bruchstücke aus meinen Alpträumen ins Gedächtnis zurück. Waren es doch keine Träume gewesen? Cassandra war darin vorgekommen.

Ich musste nicht lange auf eine Erklärung warten, denn nun berichteten die anderen mir, was in den letzten Tagen hier geschehen war. Von Cassandras Verschwinden, davon wie sie mich halb vertrocknet auf dem Dachboden gefunden hatten, über die Sirene, die versucht hatte Elia ins Meer zu locken, und, die vermutlich auch Cassandra bei sich festhielt. Schließlich noch die verwirrende Sache mit den Ombrei, denen all das hier vermutlich zuzuschreiben war. Das war also die Erklärung für das Amulett, das ich jetzt um den Hals trug?

„Woran erinnerst du dich?" fragte mich Dareios schließlich.

Ich rieb mir die Stirn und versuchte nachzudenken. Es fiel mir immer noch schwer, mich darauf zu konzentrieren, vor allem jetzt, wo mich alle beobachteten und gespannt darauf harrten, was ich als Nächstes sagen würde.

„Ich weiß es nicht", antwortete ich und versuchte mich zu konzentrieren. Warum fiel mir das so schwer? Immer wenn ich kurz davor war, einen Gedanken zu fassen, entwischte er mir wieder.

„Es war der Tag, an dem Elia bei mir war, oder? Er ist nach Hause gegangen und ich saß in der Bibliothek, ich las in diesem kleinen Buch mit den Legenden und dann ..." Unter den Blicken der anderen fiel es mir noch schwerer, meine Erinnerungen zu sortieren. Was war ein Trugbild gewesen, was ein Traum und was war wirklich passiert? Ich schloss die Augen, um alle, die um mich herum saßen auszublenden.

„Ich hatte mich den ganzen Tag lang merkwürdig gefühlt, am frühen Abend war ich draußen, um etwas zu trinken, aber während Elia hier war, da fühlte ich mich wieder so ausgetrocknet ... ich habe ihn hier in der Bibliothek gelassen und bin mit Milica hinunter gegangen."

Ich öffnete die Augen und sah, dass Elia, der mir gegenüber saß, bestätigend nickte. Allmählich kehrten die Erinnerungen an diesen Abend zurück.

„Während des Lesens war mir auf einmal, als zerrte etwas an mir, ich hörte Stimmen, die mich riefen und ich musste nachgeben. Schon in den Tagen davor hatte ich manchmal das Gefühl, ich sollte dort hinauf, aber ich habe es immer beiseitegeschoben. Was sollte ich dort? Es ist dreckig und ekelhaft dort. Aber das Gefühl wurde so stark, und ich konnte nicht anders, als ihm zu folgen. Ich dachte, was immer es ist, es muss wichtig sein."

„Hast du dieses Gefühl jetzt noch?" fragte Dareios.

Ich schüttelte den Kopf. Ich fühlte mich jetzt ganz klar. Jedenfalls nicht so, als ob diese unsichtbare Macht noch immer auf mich einwirkte.

Die Musik auf dem Wasser - Historischer VampirromanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt