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Kapitel 30

Am nächsten Tag ließen wir es langsam angehen. Mila hatte geschnarcht und dementsprechend hatten weder Nathan noch ich gut geschlafen. Zu dritt saßen wir um 11 Uhr morgens in der Küche und besprachen den Tagesplan. Mila und ich würden in die Sporthalle gehen und Nathan wollte zu Jase. Meine beste Freundin war nun ständig in meiner Nähe, denn ich konnte es nicht lassen sie mit Nathans Duft rumlaufen zu lassen, ich musste sie einfach zu mir ziehen.

Eine Stunde später waren wir dann in der Halle und wir machten ein sehr, sehr anstrengendes Workout, bahh. Mila hatte so viel Energie, es war mir schon nicht geheuer. Sie liebte Zirkeltraining. Also machten wir Workout mit Zirkeltraining, hieß so viel wie, eine Übung, zehn Sekunden Pause, nächste Übung für 1 Minuten, dann wieder zehn Sekunden Pause. Und so weiter und sofort. „Wusstest du, ich habe da jemanden kennengelernt!"

Ich zog die Augenbraue hoch: „Aha?" Sie lächelte: „Er ist Tierarzt." Sie grinste fett. Ich konnte nicht anders und musste lachen, denn ich freute mich für sie, doch es war so typisch... „Wie alt ist er denn?? Sag nicht es ist wieder ein unerreichbarer!" Sie hatte sich in Vergangenheit schon in die unmöglichsten Typen verliebt. Da war mal so ein Südländer gewesen, total asozial. Himmel, sag, dass er normal ist. „23. Ich habe ihn auf der Arbeit kennengelernt, er hatte sein Geld vergessen und ich hab ihm sein Einkauf im Wert von 20 Euro bezahlt, die er mir dann eine Woche später wieder zurückgezahlt hat." Mila arbeitet in einem Fairtradeladen, in meiner Heimatstadt. Ich konnte nicht anders als grinsen: „Wie sieht er aus?" Sie lachte: „Gut? Sonst hätte ich mich wahrscheinlich nicht für ihn interessiert." Ich verdrehte die Augen, aber ich musste ihr Recht geben, man achtet doch deutlich auf das Aussehen.

Ich betrachtete sie etwas genauer und stellte fest, dass sie mir echt glücklich erschien, jetzt wo sie von ihm sprach: „Aber das ist ja auch egal, die fünf Minuten Pause sind um."

Und so ging es weiter. Tatsächlich vergingen die nächsten drei Tage wie im Flug. Ich hörte auf an irgendwelche dummen Romanzen zwischen mir und Nathan zu denken und genoss meine Zeit mit Mila, wir bummelten durch die Stadt, kochten zusammen und ich stellte ihr Han und David vor. Es war schließlich Montagnachmittag und sie wollte noch meine Bilder sehen, die ich gemalt hatte, bevor sie abfuhr. Nathan lag in seinem Bett und las schon wieder, hörte uns aber zu. Ich selbst lag auf meinem Bett und war echt müde. Mila... Gr. Sie raubt einem jede Energie. „Ja, guck, sie sind im Schrank." Ich schloss meine Augen, dann sah ich zu meinem Handy und sah nach, wann der nächste Bus kam. Dann fiel mir etwas ein. Hatte ich nicht das Bild von dem Darkroom, was ich gemalt hatte mit hergebracht? Erschrocken sah ich auf und sah, wie Mila geradewegs das Bild aus dem Schrank nahm.

„Nein! Mila..." Sie drehte sich mit den Leinwänden in der Hand um: „He?" Ganz vorne, das Bild vom Darkroom was ich gemalt hatte. Sie starrte das Bild an. Nathan starrte das Bild von seinem Bett aus an. Keiner bewegte sich. Ich schluckte. Das Bild zeigte Nathan und mich, wie wir uns umarmten, mein Gesicht war in seinem Nacken vergraben, sodass man mein Gesicht nicht erkennen konnte. Alles was man sah war Nathans aufgelöstes Gesicht, das ein bisschen hin und hergerissen war, aber auch, als wenn es ihm nicht ganz gegen den Strich ging. Das Bild war nicht einfach gewesen, denn ich hatte ja alles in möglichst dunklen Farben gemalt. Ich schluckte. Dann stand ich auf. „Dass..." Nathan stand auf. Schüttelte leicht verpeilt den Kopf: „Das warst du?" Kein Zögern in seiner Stimme, hatte er es einfach noch nicht in seinem Kopf verstanden? Dann schüttelte er erneut den Kopf. Dann verließ er das Zimmer. Was?! Ich sah perplex in den Raum. Wieso musste er es denn jetzt so rausbekommen? Mila hob das Bild hoch und betrachtete es eine Armlänge entfernt. „Ja..." stellte sie fest: „Selbst dran Schuld, wenn du es einfach in deinem Schrank versteckst!" Ich ließ mich zurück ins Bett fallen: „Super. Und jetzt muss ich dich zur Bushaltestelle bringen. Du verlässt mich echt in den unpraktischsten Momenten." Sie zuckte mit den Schultern: „Ach, du bekommst das schon geregelt... Ich hab Vertrauen in dich." Ich schloss die Augen, schüttelte den Kopf: „Ist das dein Ernst? Du machst mich wahnsinnig..." Ich seufzte. Jetzt war es raus. Vielleicht musste ich es erst einmal realisieren. Oh Mann. Wenn er zurückkommt, muss er was sagen. Besser ich bringe Mila wirklich erst zur Bushaltestelle und lass ihn ein bisschen Zeit.

Ich sah nach draußen. Es war regnerisch. Ja, ich glaube ich verbringe 20% am Tag damit, darüber nachzudenken welches Wetter heute ist. Mila sah sich die Bilder an, während ich sie etwas drängte: „Los dein Bus kommt in einer halben Stunde!" Sie gab mir so einen Ernsthaft-Blick. „Ich hab's nicht eilig. Man könnte ja fast meinen du willst mich loswerden." Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Ich hab sie echt lieb, nichts dagegen zu sagen. Aber mehr noch interessierte mich gerade was ich nachher mit Nathan besprechen würde. Ich würde ihm so gerne näher sein. Mein Herz springt aus meiner Brust, wenn ich ihn nicht sehe. Ich war so ein Schisser. Ich wusste nicht was ich davon halten sollte, dass es jetzt raus war. Ich war unsicher, ich verdrängte das Ereignis mehr oder weniger. Fünf Minuten später machten wir uns doch tatsächlich auf den Weg. Es roch nach Regen und Sommer.

Sollte man nicht was Schönes unternehmen an Tagen wie diesen? Zumindest in meinem Alter? Aber ich weiß ja längst, dass ich einfach nicht jemand bin, der gerne Feiern geht und oft unter Menschen ist. Ich bin eher so der alte Opa, der am Wochenende mal einen englischen Garten besuchen geht. Das konnte ich nicht verleugnen. Ich schloss Mila fest in meine Arme. Ich werde sie SO vermissen. Sie löste sich von mir und der Bus kam. „Wir sehen uns in den Herbstferien!" Sie lächelte. Sie war so ein Engel. Ich nickte und winkte kurz zum Abschied, bevor sie verschwunden war.

Jetzt wo ich schon einmal in der Stadt war konnte ich auch noch einkaufen gehen. Ich griff in meine Jackentasche und war mehr als froh dort noch eine zusammengefaltete Einkaufstasche vorzufinden. Ich ging also einkaufen und kaufte alles für Nudeln mit Käse-Sahne-Soße zum Abendessen. Mann hatte ich Hunger! Und Mann, ich verdrängte da ein Ereignis, was mir einen Knoten in meinen Hals schob, sobald ich den winzigsten Gedanken daran hatte. Müde und gähnend machte ich mich auf den Weg nach Hause. Vielleicht sollte ich noch mal bei Han vorbeischauen? Oder bei David? Langsam betrat ich unsere Schule. Okay. Stopp das, Ace. Ich ging tatsächlich noch beim Kunsttrakt vorbei, sah kurz ob mein Bild schon getrocknet war. Hust.

Ich beschloss hoch zu gehen, schloss die Tür auf und seufzte. Ich betrat die Wohnung möglichst leise und wollte meine Schuhe ausziehen. Danach lehnte ich mich an die Wand und seufzte erneut.

„Ace?"

„Hm?" Nathan hatte geduscht und kam nun aus der Küche gebogen, seine Haare waren noch nass, und einige Tropfen waren auf sein dunkelblaues Tanktop gefallen, denn es zeichneten sich noch dunkle Stellen ab. Er kam auf mich zu, sein Gesichtsausdruck konnte ich nicht deuten: „Ich war ein..." Weiter kam ich nicht. Nathan hatte angefangen den Kopf zu schütteln und seine Stirn legte sich in Falten: „Weißt du. Vergiss es einfach. Erstmal. Du warst einkaufen, oder?“ Er sah auf und dann zu den Einkaufstüten die ich in meinen Händen hielt. Er nahm sie mir ab, drehte sich um und ging in die Küche. Ich blieb ein wenig verwirrt zurück. Er ignorierte die Tatsache? Bei allen möglichen Reaktionen von Beschimpfungen bis Akzeptanz entschied er sich die Tatsache einfach zu ignorieren. Ich atmete tief durch und lief in die Küche: „Nudeln mit Käse-Sahne-Soße?“, fragte ich. „Nudeln mit Käse-Sahne-Soße.“, erwiderte Nathan unwirsch.

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