Ein Ende

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Mein Herz bleibt stehen. Wie von selbst stehe ich auf. Die Leiche der Kleinen Rutscht an mir herab in den Schlamm. Doch ich beachte es nicht, humple immer weiter, an Bruno vorbei, immer näher an die Gestalt. Eine Gestalt die nur durch schwache Umrisse im Schlamm, die durch den Schleier des Regens durchdringen, erkenntlich wird. Doch diese Lösen in mir eine Taubheit aus, die man eigentlich nicht beschreiben kann. Es ist einfach so als wäre alles aufeinmal unheimlich weit weg. Nicht nur die Geräusche wirken leiser und der Regen ist plötzlich gar nicht mehr so schwer. Selbst deine Gefühle erreichen dich in solch einem Moment nicht. Nichts, wirklich nichts erreichte diesen Schmerz in mir. Ein Schmerz, der nicht nur mein Herz verkrampfen lässt. Sondern auch mein Bauch, welcher aufeinmal große Übelkeit durch meinen Körper schickt. Ebenso meine Lunge, die aufeinmal überzeugt zu sein scheint nicht größer als ein Kieselstein zu sein. Und jede Feuchtigkeit in meinem Mund verschwindet, wären mein Augen sich mit Wasser zu füllen scheinen. Es fühlt sich einfach so an als würden Tonnen auf mir liegen, welche mich nach und nach umbringen. Nur wirkt dabei alles so taub. So unendlich taub. Doch mein Körper zieht mich weiter durch den Schlamm. „Sila...“ flüstert Bruno mir hinterher. Aber das prasseln des Regens veschluckt seine Worte. Die Umrisse im Matsch welche langsam deutlicher werden, beschlagnahmen meine ganze Aufmerksamkeit. Schließlich ist nach und nach zu erkennen, dass sie eine Person beschreiben. Wie diese da liegt. Schlaff und leblos. Überdeckt mit Matsch. So kämpfe ich mich durch den Matsch zu der Person. Doch was dort meine Augen ergreifen, lässt meine Beine schwach werden. Denn meine Angst, meine Vermutungen, sie werden immer schlimmer und immer unerträglicher. Denn sie scheinen sich zu bestätigen. 

Schlaff falle ich in den Schlamm. Tropfen spritzen mir von ihm ins Gesicht. Doch der Regen spült den Dreck wieder von mir ab. Nein. Er verwischt ihn. Nichts was passiert verschwindet. Nur die Zeit verwischt ihre Spuren. Obwohl sie in mir deutlich zu erkennen sind. Ich strecke meine Hand nach der Gestalt aus. Sie liegt auf dem Rücken. Ich drehe sie herum. Aufgerissene blaue Augen starren mich an. Ich streiche den Matsch von seinem Gesicht. Doch erkenne ihn nicht besser. Da meine Welt verschwimmt. Dann wird sie wieder klarer. Dann verschwimmt sie wieder. Von den Tränen die mir in die Augen steigen und dann auf sein Gesicht fallen. Zusammen mit den Tropfen des ewigen Regens.

Ich streiche den letzten Schlamm weg. Dann wäscht der Regen vollkommen sein Gesicht. Ich nehme seinen Helm ab. „Kommt wir müssen los. Sonst gibt es ärger.“ das waren seine letzten Worte. Die letzten die ich hörte. Ich sagte ihm nie wie wichtig er mir war. Ich machte ihm nur vorwürfe „Paulus?“ schluchze ich. „Paulus wach auf. Bitte. Bitte wache auf. Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid.“ flüstre ich uns streiche mit meinen behandschuhter Hand über sein Gesicht. Die andere Hand hält sein Gesicht. „Ich meinte es nicht so. Bitte sei nicht sauer. Wach wieder auf.“ „Sila. Er wird nicht aufwachen. Das weißt du.“ Ich sehe auf. Kalte nun schwarz wirkende Augen sehen mich an. Sie sind so kalt wie Kyros, wenn er vor einem steht. Es geht also nicht kälter. So dass sich die Haare auf meinem Ganzen Körper aufstellen. „Was meinst du?“ versuche ich zu sagen. Doch meine Stimme bricht und so ist es nur ein leises Wimmern. „Er ist tot.“ Bruno hebt seinen Kopf und sieht in den Regen. Auf einmal ist es so als würde ein Schalter umgelegt werden. Laut fange ich an zu schluchzen und zu weinen. Immer und immer weiter. Es ist wie als wäre etwas in mir gestorben. Weil meine eigenen Gefühle mich gefunden hatten. Nach so langer Zeit.

„Sila ich verstehe dich. Doch wir müssen weiter.“ eine Hand tauchte auf meiner Schulter auf. Nach wenigen Minuten meines Jammern und weinens. „NICHTS VERSTEHST DU! GAR NICHTS“ brülle ich ihn an. Ich sehe ihn an. Brunos Gesicht ist wieder weicher geworden. Wieder Lebendiger. Nicht so Kalt. Doch nur um sich jetzt wütend zu verzerren. „JETZT HALT MAL DIE LUFT AN. ICH HABE MEHR ALS NUR EINEN KAMERADEN VERLOREN. MEHR ALS EINEN BESTEN FREUND." er holt tief Luft fährt sich mit seiner Hand über sein wütenes und erschöpft wirkendes Gesicht. "DOCH WIR HABEN KEINE ZEIT. WIR MÜSSEN HIER WEG. ALLES IST AM ENDE. WENN WIR HIER BLEIBEN SIND WIR GESCHICHTE. UND DAS WOLLTE ER SICHER NICHT! DESWEGEN REIß DICH AUSNAHMSWEISE ZUSAMMEN UND HEULE MAL NICHT RUM. SEI EINMAL IN DEINEM LEBEN KEINE HEULSUSE!“ brüllt er mich an. Doch diese Worte gehen an mir vorbei. Seit ich diese blauen, kalten, leblosen Augen gesehen habe bin ich leer. Leer und doch voller Gefühle und Gedanken zu gleich. Die vielen Momente mit Paulus gehen mir durch den Kopf. Wie er auf mich acht gab. Seine liebevollen Lügen. Seine Blicke. Seine Worte. Seine Gegenwart. Seine Umarmungen. Wieso? Wieso musste er sterben? Ich will das nicht? Jeder. Nur er nicht. „WIESO?“ brülle ich aus vollem Herzen in den Regen. In die blutige Wirklichkeit. Die harte Realität. Wie konnte mein Leben nur so kalt und trostlos werden? 15 Jahre lebte ich brav und friedlich unter den Menschen. Ohne Hass. Ohne Verluste. Ohne Wissen über diese Welt. Ich wuchs im Paradies auf. Nur das ich es nicht wusste.

"Doch. Uns geht das etwas an.“ erschien eine tiefe Jungen-stimme, Paulus Stimme. Ich weiß noch damals dachte ich daran das sie etwas rauchig wirkte. Werde ich diese Stimme wirklich nie wieder hören . „Was willst du denn Paulus?“ fragte Peter genervt. „Halt die Klappe Peter! Bruno. Du, Violetta, Sila und ich sind ein Team. Uns geht es sehr wohl an wie du mit unserer Alpha umspringst.“ konterte Paulus.

Ich weiß nicht wieso. Doch genau Jetzt fällt es mir wieder ein. Der Moment wo ich Paulus zum ersten Mal traf. Schon seit unserer ersten Begegnung nahm er mich in Schutz. Waren diese liebevollen Lügen vielleicht die warme und angenehme Wahrheit? Gibt es so was vielleicht wirklich? Paulus mit seinen dunklen Haaren und  ich weiß es genau, seine Uniform saß immer auffallend korrekt. Er liebte Ordnung und wenn alles korrekt war. Dann noch seine himmelblaue Augen, welche bei unseren ersten Begegnung die Jungs böse ansahen als sie so fies zu mir waren. Er war nur wenig größer als ich. Somit viel kleiner als die anderen Jungs. Doch irgendwie hatte jeder Respekt vor ihm. Paulus hatte einfach etwas, was einem Respekt einjagte.

„Es reicht, wir müssen gehen!“ Bruno Packt mich an meinem Arm und zieht mich von Paulus weg. Auf die Beine und dann hinter sich her. Ich folge ihm brav. Tausend Gedanken in meinem Kopf. Es wirkt so unwirklich. So Falsch. Das kann doch alles nur ein Traum sein. Dieser ganze Hass und der viele Krieg... Sicher war ich nie Stumm. Ich habe bestimmt noch nie getötet. Noch nie ein Leben beendet. Noch nie geliebte Freunde verloren. Nie gescannt. Ich bin nur ein ziemlich starkes Mädchen mit einem gruselig realen Albtraum. Es muss so sein. Das ist alles zu schlimm. Das kann nicht die Wirklichkeit sein. Ich kann doch nie so kalt und blutrünstig gewesen sein. Jemanden zu töten als Entspannung sehen? Was war Falsch mit mir? War das ich? Ist mir das wirklich passiert? War ich wirklich so Gefühlskalt?

Der Moment, wo er diese Worte aussprach änderte alles. Es ist wie als wäre ich aus einem Traum aufgewacht. Denn plötzlich erreichten mich meine Gefühle und Erinnerungen wieder. Der Hass in meinem Kopf veränderte sich. Ob er abnahm. Das weiß ich nicht. Ich weiß nur das sich alles änderte. Für mich.

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 Das Kapitel sollte eigentlich schon um 18 Uhr gleich nach dem anderen raus kommen doch irgendwie wurde es nicht hochgelanden :o
Deswegen kommt es jetzt etwas zu spät, aber egal :)
So das nächste kommt dann in einer Woche :)
Das wird das letzte vom ersten Teil des Buches sein :) Dann kommt der nächste
Ich hoffe es hat euch gefallen LG eure Rory <3

Sila KleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt