Rose Gady

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Der nächste Tag beginnt. Alles wirkt wie immer. Die männliche Stimme aus dem Flur die uns anbrüllt wir sollen endlich aufstehen. Das ohrenbetäubende Schrillen der Glocke sie uns jeden morgen weckt. Ich öffne meine Augen. Sofort fühlt sich alles falsch an. Irgendwas. Irgendwas löst jede Alarmglocke in mir aus. Doch ich stehe einfach nur auf. Die erste komische Sache: Rose liegt noch im Bett und schläft. Wie kann sie diesen Lärm nur ignorieren? Ich rüttle sie Wach. Alleine das fühlt sich so komisch an. Rose war immer vor mir wach. Egal was war. Doch jetzt sieht mich Rose traurig an. „Guten Morgen Sila.“ nuschelt sie. Ihre Augen nur halb offen. Ich sehe sie so lieb ich kann an. „Ich will nicht aufstehen.“ flüstert sie. Ihre Augen füllen sich mit Tränen, sie starrt an die Decke. Ich nehme ihre Decke und ziehe ihr sie weg. Das hatte sie bei mir auch immer gemacht. Sie sieht mich an. Ich weiß wie ich aussehen. Ein schlichtes, knielanges Nachthemd hängt an mir herunter. Meine braunen Haare stehen in alle Richtungen. Mich so ernst zu nehmen ist wohl unmöglich. Doch sie muss aufstehen. Deswegen sehe ich sie ernst an. Sie setzt sich auf. „Du sagst nie etwas. Lächelst nie. Dein Blick ist fragend oder ernst. Selbst wenn wir alleine sind. Deine roten Augen strahlen immer, doch ihr strahlen ist immer traurig und ernst zu gleich, Sila. Du wirkst manchmal wie eine Person aus einem Horrorfilm. Vor allem wenn du dieses Nachthemd an hast.“ stellt Rose verschlafend fest. Deine roten Augen strahlen immer, doch ihr strahlen ist immer traurig. Schallt es in meinem Kopf wieder. Ich zucke mit den Schultern. Sie soll nicht wissen das diese Worte mein Herz verkrampfen lassen und mir den Atem rauben. Du wirkst manchmal wie eine Person aus einem Horrorfilm. Denken so die Leute über mich? Denkt Rose so über mich? Ich schmeiße ihre Decke auf ihr Bett, packe dann Roses Handgelenk und schleife sie auf den Flur. Alles ist wie immer extrem voll. Im Bad ist kein Waschbecken mehr frei. Wir müssen warten. Jemand geht. Doch gleich beschlagnahmen andere das Waschbecken. So ein Mist. Ist heute ein Pechtag oder was? Auf einmal ertönt ein bekannter Gong. Alle halten inne. Eine Durchsage, bitte nicht. Wir haben doch eigentlich noch Zeit bis der nächste Einzugstag ist. Warum erklingt dann dieser Gong? „Versammlung in 15 Minuten, alle Eyes bitte antreten.“ mein Herz bleibt stehen. Es ist etwas passiert. Verdammt. „Sila komm!“ reißt mich Rose aus meinen Gedanken. Sie hat ein Waschbecken ergattern können. Wir waschen uns. Doch wir haben Handtücher und Zahnbürsten liegen lassen. „Ich halte frei, hole du schnell unser Zeug.“ fordert sie mich auf. Natürlich jogge ich gleich los. Kurz darauf bin ich wieder bei dir. Mit kaltem Wasser wecken wir uns auf. „Tut mir leid wegen gestern Abend.“ nuschelt sie als wir uns die Zähne Putzen. Ich schüttle den Kopf. Sie brauch sich nicht zu entschuldigen. Sie ist kein Stein, deswegen finde ich es total normal das auch sie mal Schwäche zeigt. Ich wünschte das könnte ich ihr sagen. Doch dieser Wunsch wird wohl unerfüllt bleiben. Ich spüle meinen Mund aus. Dann trockne ich diesen ab. Rose tut es mir gleich. „Danke.“ meint sie dann auf einmal als wir an unser Tür sind. Ich halte ihr die Tür auf und sehe fragend zu ihr hoch. „Du wirkst immer so als würde dich nichts aus dem Gleichgewicht bringen... Du wirkst immer sicher. Obwohl du stumm bist, erkennt dich jeder an. So sehr stehst du auf deinen eigenen Füßen... Ich dachte nichts würde dich aus diesem Stand bringen, oder sogar nur ins Wanken. Ich fühlte mich deswegen ziemlich schwach. Doch als du mit mir geweint hast wurde es mir klar, es ist keine Schwäche traurig zu sein. Denn selbst du trägst Trauer in dir.“ gibt sie zu. Sie beginnt sich schnell anzuziehen. Auch ich beginne in meine Uniform zu schlüpfen. Obwohl du stumm bist erkennt dich jeder an. Schallen erneut ihre Worte in meinem Kopf an. Wenn sie wüsste. Schwirrt der Gedanke nur in meinem Kopf herum. Niemand sagt mehr etwas. Als wir fertig sind ziehen wir unsere Westen an. „Weist du überhaupt was für eine Weste du da trägst?“ fragt sie mich plötzlich, als wir grade die Verschlüsse an den Westen schließen. Ich zucke mit meinen Schultern. „70 Kilo. Soviel tragen manche Erwachsene nicht.“ gibt sie zurück. Ich sehe sie ungläubig an. „Ich weiß das du denkst Anton Sander hasst dich. Doch ich habe mit ihm geredet... Er quält dich, weil er viel von dir hält... Du sollst überleben.“ mit diesen Worten verschwindet sie aus dem Zimmer. Kurz stehe ich da. Was sagte sie da grade? Ich soll überleben... Ich will überleben, oder? Am Anfang wusste ich genau das ich überleben wollte. Ich wollte zurück. Zurück zu Papa, Lilo und Nama. Doch jetzt. Ich weiß nicht ob ich jemals wieder normal sein könnte. Ich weiß es klingt dumm. Doch ich habe mich an all das gewöhnt. Ich würde Rose vermissen. Die Mittagspausen mit Paulus. Die Unterrichtsstunden am Ruhetagen mit Sarwig Fels. Den Sport. Wenn ich zurück gehen würde wäre nichts mehr wie früher. Alle wüssten wer ich bin. Ich wäre nur Dreck. Auch wenn man hier keine Rechte hat. Von den Menschen werden wir nie beschimpft. Man bleibt höflich zu uns. Ich hasse es wirklich hier zu sein. Aber zurück will ich auch nicht. Ich bin ich. Dazu stehe ich. Dazu, bei den Menschen würde ich als stumme nicht normal leben dürfen. Hier habe ich nur das Tuch um. Die dummen Sprüche werden auch immer weniger. Da meine Kraft jeden Tag wächst. Ich gehe zu der Tür und jogge los. Rose ist schon verschwunden. Mein Herz verkrampft sich. Ich hatte das Gefühl ich hätte ihr Tschüss sagen sollen. Eine Umarmung hätte sie gebraucht. Sie ist wirklich stark. Ich will das Rose weiß das sie nicht alleine ist. Ich bin für sie da. Und das werde ich immer sein. Denn für mich ist sie wie eine große Schwester.

Kurz darauf stehe ich wieder in dem Meer aus Eyes. Doch heute ist es komisch. Man hatte mir einen Platz zugewiesen der ziemlich weit vorne ist. So weit vorne war ich noch nie. Ich konnte die Empore sehen über der sich der große Bildschirm befindet. Ich konnte Anna Spin erkennen. Hass flammt in mir auf. Sie spielt mit unseren Leben wie mit Schachfiguren. Ist ihr das denn nicht klar? Ein Gong ertönt. Erst jetzt stellen sich neben mich zwei große, breit gebaute Männer. Irgendetwas stimmt hier nicht. Das sind keine Auszubildende mehr. Diese Männer gehen auf die dreißig zu. Warum stehen sie hier? „Sehr geehrte Eyes, wir haben etwas zu verkünden... Wir haben beschlossen einen Gegenangriff zu starten. Doch da wir momentan nicht voll besetzt sind brauchen wir die Hilfe von euch. Unserem zukünftigem Heer. Acht einzelne, auserwählte Gruppen haben wir auserwählt uns zu helfen. Ehrt jedes Mitglied davon. Sie alle besitzen großes Talent. Sie besitzen die Güte uns zu helfen. Vielen Dank an die Gruppe zwei aus der Einheit von Anbelle Fischer und Chris Stein. Gruppe eins aus der Einheit von Zoe König und Nico Pohl.“ mein Herz bleibt stehen. Was? Was haben sie grade gesagt? Nein, Nein, NEIN! Das kann nicht sein. Bitte. Bitte! Lasst das nicht wahr sein. Bitte. BITTE! Alles nur das nicht. Das kann doch nicht sein. Wieso? Wieso verdammt noch mal? Welcher scheiß Idiot hat sich das ausgedacht? Wem muss ich dafür danken? Wer hat sich mein, verdammt noch mal, beschissenes Schicksal ausgedacht? Verflucht. Egal wer mein Schicksal sich ausgedacht hat, stirb! Ich will nicht. Ich will das alles nicht. Ich will nicht schon wieder jemanden verlieren. Etwas verlieren. Ich will nie wieder verlieren. Tränen steigen in meine Augen. Ich will sie töten. Anna Spin, diese Schlampe ist für mein Leben zuständig. Für unser aller Leben. Sie hat den tot verdient. Nein noch besser. Sie soll erfahren wie es ist jemanden zu verlieren. Ihre Familie. Wenn sie überhaupt eine hat, diese Hexe. Vielleicht besteht ihr Leben darin vom Schreibtisch aus Menschen umzubringen. Töten, verdammt noch mal ich will sie einfach nur töten. Ich will sie leiden sehen. So wie wir alle leiden müssen. Sie soll dieses Leben mal bewältigen. Ach das kann sie gar nicht. Nach einem Tag würde sie vor Überarbeitung sterben oder zu Tode geprügelt werden. Wie viele Zähne wurden mir Abends wieder eingesetzt weil man mir welche ausgeschlagen hatte. Wie oft lag ich abends im Bett, mit so großen Schmerzen, das ich den Gedanke ans sterben gar nicht mehr so unangenehm fand. Ich habe alles angenommen. Denn SIE kam immer zu mir. lächelte mich an. Sorgte sich um mich. Wieso müssen sie Rose jetzt in den sicheren Tod senden? War sie ihnen zu liebevoll? Zu besonders? Zu stark? Ich spüre leichten Druck auf meinem Handgelenk. Auf einmal wird mein Arm nach hinten und nach oben zu gleich gezogen. Wie von selbst geht mein Körper mit, knickt die knie ein. Schon ist mein Gesicht nur wenige Zentimeter vor dem staubigen Boden. Ich spüre erst jetzt wie mir Tränen über das Gesicht fließen. Meine Fäuste geballt sind. Ich starre den Boden an. Man hat mir meine Gefühle angesehen. Auf einmal tropft etwas rotes auf den Boden, noch ein und noch ein Tropfen. Blut. Woher? Da bemerke ich das es meine Tränen sind. Ich öffne meinen Mund. Will kreischen, schreien, brüllen. Ein stummer Schrei, ist alles was passiert. Immer mehr Tränen fallen zu Boden. Nicht einmal das kann ich. Nicht einmal Schreien! Ich will Rose zuschreien das sie überleben soll. Ihr sagen das ich an sie glaube und sie für mich wie eine Schwester ist. Ich will das Rose hier bleibt. Ich will einmal mit ihr geredet haben. Doch da werde ich schon hochgezogen und abgeführt. „Ich weiß das du denkst Anton Sander hasst dich. Doch ich habe mit ihm geredet. Er quält dich, weil er viel von dir hält. Du sollst überleben.“ schallen auf einmal ihren letzten Worte in meinem Kopf. Überleben. Überleben, überleben, überleben! Verdammt noch mal sie soll überleben. Ich hätte ihr das sagen sollen. Sie läuft jetzt in ihren Tod. Nicht ich. Überleben. Überleben. Rose Gady, überlebe. Bitte... Ich sehe ein letztes Mal nach vorne. Acht Gruppen stehen da. Rose mitten drin. Ich genieße es sie zu sehen. Denn vielleicht ist es das letzte Mal. Dann werde ich weg gezogen. Sie verschwindet aus meiner Sicht, damit auch meine vielleicht letzte Chance ihr zu sagen wie wichtig sie mir ist.

Sila KleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt