Prolog

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„Jakob, kann ich dich etwas fragen?" erklingt die Stimme meiner besten Freundin, Nama auf einmal. „Natürlich." lächelt sie mein Vater nur warm an. Sie zögert, was für sie sehr ungewöhnlich ist. Doch nach einem tiefen Seufzer blickt sie auf. „Was sind Eyes? Ich verstehe alles um sie herum nicht. Warum darf man nicht über sie reden? Warum scheint jeder solche Angst vor ihnen zu haben?" frustriert stützt sie ihren Kopf auf ihren Händen ab. Mein Puls beschleunigt sich, während meine Augen die Reaktion meines Vaters verkrampft verfolgen. Doch seine Mimik ändert sich nicht, er atmet nur ganz langsam ein, hält die Luft kurz inne und lässt sie dann wieder aus seiner Lunge strömen. Dann setzt er zu einer Antwort an. „Leicht ist das nicht zu erklären. Die Angst beruht wohl auf dem Wissen, dass sie uns überlegen sind." „Überlegen?" mischt sich nun Lilo, meine zweite beste Freundin ein. „Sie haben einen stärkeren Körper, bessere Sinne und einen klügeren Kopf. Trotzdem sind sie äußerlich den Menschen sehr ähnlich." Ergänzt mein Vater ruhig. Meine Hand falte ich zur Faust um das Zittern in mir zu beruhigen. Das Gerede über Eyes lässt meinen Bauch ganz mulmig anfühlen. Zusätzlich breitet sich das schlechte Gewissen, das ich sonst so gut verdränge, immer weiter in mir aus.

Dabei ist heute doch alles so schön normal, ein ganz gewöhnlicher Nachmittag an dem so ersehnten Freitag. Wir haben, wie die Tradition es besagt zusammen gekocht und dann auf den zwei, dunkelgrünen, sich gegenüberstehenden Sofas gemütlich gemacht. Warum muss Nama mit dieser Frage diesen Tag für mich ungenießbar machen? Ich werde ihnen wieder ewig nicht richtig in die Augen sehen können. Dabei sind sie doch meine besten Freundinnen. Und das schon seit wir uns auf dem Gymnasium in unserem Sportkurs kennenlernten. So wurden wir in der 5. Klasse schnell unzertrennlich.

Lilo, die größte von uns dreien sitzt grade neben Nama, gegenüber von mir und meinem Papa. Nama stochert verlegen in einer ihrer Kartoffeln. Heute hatten wir nämlich alle keine Lust groß zu kochen, doch für die Tradition machten wir zusammen Kartoffeln mit Quark.

„Sie sollen also so aussehen wie wir." flüstert Nama nachdenklich zu ihrem Essen. Doch wir können sehr gut verstehen was sie sagt.

„Weißt du Nama, sie sehen zwar genauso aus wie wir, sind aber an sich halt ganz anders." beginnt Papa erneut zu erklären, für mich klingt es schon fast so, wie als würde er die Menschen in den Schutz nehmen. Typisch.. Er legt sein Besteck auf den Couchtisch und streicht sich seine Hände an seiner Serviette ab. „Sie haben ganz normale Augenfarben. Doch sie haben immer nur eine! Diese sind meistens klar und wirken so, wie als würden die Farben grade zu leuchten." Er sieht Nama in die Augen.

„Doch ihre Augen wirken doch manchmal auch so." wirft Lilo ein. Papa muss lachen. Ich schlucke nur verkrampft, in der Hoffnung den Kloß aus meinem Hals los zu werden. Auch der Boden scheint auf einmal sehr interessant zu sein, denn ich kann meinen Blick nicht mehr von ihm lösen. Nichts hasse ich mehr als meine Freunde anzulügen. Doch es geht nicht anders, ich habe in diesem Thema keine Wahl. Sie dürfen nicht wissen, was ich bin.

„Nur weil es bei Eyes so ist, heißt es nicht, dass Menschen nicht auch so sein können." kontert der Mann neben mir nur entspannt. Ich beneide meinen Vater oft um seine Gelassenheit und gerade noch mehr als sonst schon. „Die Augen sind nicht alles was die Menschen und die Eyes unterscheidet. Sie sind je nach Augenfarbe auf eine gewisse Art körperlich weiterentwickelt... Die mit grünen Augen haben eine unglaubliche Arm- und Schultermuskulatur, womit sie exzellente Werfer sind. Die Grauen können extrem hoch springen und die mit den braunen Augen sind schon fast so schnell wie der Blitz... Nur so als Beispiel."

Die Augen meiner Freundinnen werden immer größer. Sie wussten das alles bis eben nicht, haben nie auch nur ansatzweise was davon gehört. So wie alle Menschen. Jeder kennt nur den Namen „Eyes" und das sie furchtbar gefährlich und grausam sein sollen. Doch dann sieht Nama wieder beschämt auf ihren Teller.

„Was ist los?" fragt Lilo und legt ihre Hand auf die Schulter von der kleinen Blondine. Nama seufzt leise. „Warum?" nuschelt sie. Wir sehen sie fragend an. „Warum hassen alle die Eyes? Was haben sie getan? Ist es wirklich nur weil sie besser entwickelt sind?" platzt es aus ihr.

Jetzt sind mein Vater und ich diejenigen die die großen Augen kriegen. Wir haben noch nie erlebt, dass sich das jemand fragt. Irgendwie wusste ich jedoch schon immer, das Nama anders war.

„Nama, weißt du... es gibt dazu ein Sprichwort: Wir hassen bald, was oft uns Furcht erregt." Papa lächelt, doch nun wirkt sein sonst so warmes Lächeln traurig. Sein warmer und liebevoller Blick umhüllt meine Freundinnen. Ich weiß, das er froh ist das ich die Beiden als Freunde habe. Doch mein 15. Geburtstag kommt immer näher. So wächst die Angst mit jedem Tag mehr. Denn an meinem Geburtstag könnte sich alles für mich ändern.

Sila KleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt