35.) Der Astronomieturm

82 7 2
                                    

Während Hermione versuchte, das Gespräch am Tisch in Gang zu halten und möglichst keine Pausen aufkommen zu lassen, war sie sich die ganze Zeit bewusst, dass Beth schweigsam und nachdenklich an ihrem Platz saß und scheinbar nichts von ihrer Umgebung richtig mitbekam.

Zweifel regten sich in ihr, ob sie wirklich richtig gehandelt hatte, indem sie für Beth das außergewöhnliche Kostüm ausgesucht hatte. Sie hatte sie damit weder bloßstellen noch ärgern wollen, sondern nur versucht, ihre offensichtlich deprimierte Stimmung in den letzten Wochen etwas zu verbessern. Früher wäre ihre Freundin immer für so einen Spaß zu haben gewesen und Hermione sehnte sich danach, den schalkhaften Ausdruck in Beths Augen wiederzusehen, der früher so oft darin gefunkelt hatte. Momentan sah sie hier nur Trauer, Schmerz und Müdigkeit und sie machte sich Sorgen um ihre Freundin. Es schien, als ob sie es mit ihrer gut gemeinten Tat nur noch schlimmer gemacht hatte. Beth sah aus wie ein Häufchen Elend. Ihr Versuch, Haltung zu bewahren, scheiterte zumindest bei Hermione kläglich, denn sie kannte sie viel zu gut dafür.

So war das Einzige, was sie tun konnte, die Anderen so weit abzulenken, dass sie Beths Stimmung nicht bemerkten.

Sie atmete erleichtert auf, als sich Minerva nach dem Essen erhob und so alle Blicke auf sich zog.

„Liebe Gäste, liebe Lehrer, liebe Schülerinnen und Schüler, ich hoffe, Ihnen allen hat das Essen gemundet", sagte Minerva mit lauter Stimme.

Beifall folgte und sie fuhr fort: „Und damit wir nicht zu träge werden, eröffne ich hiermit den Tanz. Genießen Sie das Fest!"

Auf ihre Worte folgte erneuter Applaus, als die leise Hintergrundmusik wechselte und Tanzmusik erklang. Eifrig schoben die Anwesenden ihre Stühle nach hinten und an vielen Tischen konnte man sehen, wie die jungen und älteren Frauen voller Vorfreude mehr oder weniger widerstrebende Männer zur Tanzfläche zogen.

Auch an Hermiones Tisch fanden sich schnell einige Paare. Remus und Tonks waren bereits auf der Tanzfläche und sie selbst zog Blaise mit sich.

Severus hatte sich nach Minervas Worten schnell erhoben und war mit mürrischem Gesicht zur Bar an der linken Wand der Halle gegangen, um sich einen Feuerwhisky zu bestellen.

Ron wollte zuerst Beth auffordern, als er aber ihr Gesicht sah, war er ausnahmsweise einmal so klug, den Mund zu halten und war an einen Tisch mit Siebtklässlern gegangen, wo ein recht hübsches Mädchen noch alleine saß.

Somit blieben Beth und Harry am Tisch zurück und obwohl dieser einige erwartungsvolle Gesichter erblickte, die ihn ansahen, ignorierte er diese und setzte sich neben Beth, die wie versteinert auf den Tisch starrte.

„Beth", sagte er zögerlich und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Sie blickte hoch und sah ihn mit großen Augen an, erwiderte aber nichts, daher fuhr Harry sanft fort: „Beth, ich weiß, wir kennen uns noch nicht lange, aber ich möchte, dass du weißt, dass du das nicht machen musst. Du musst vor uns nicht verheimlichen, wie es dir wirklich geht. Ich sehe doch, wie du in deinem Inneren kämpfst, sehe, wie du versuchst, die Anderen nichts davon spüren zu lassen. Aber glaube mir, wenn du deinen Kummer nur in dich hineinfrisst, dann wird er dich eines Tages völlig verändern. Lass das nicht zu, Beth, stell dich deinen Gefühlen, lebe sie. Du musst nicht heiter wirken, wenn du das nicht bist. Weine, wenn dir danach ist, schreie, ärgere dich, schimpfe und fluche, aber verschließe dich nicht so völlig vor uns."

Während er langsam, sanft und bedächtig sprach, waren ihre Augen immer glasiger geworden und als er fertig war, sprang sie unvermittelt auf und rannte Richtung Ausgang.

Harry blickte ihr zwei Sekunden verdattert hinterher, bevor er ihr folgte. So war das nicht geplant gewesen, er hatte sie nicht vertreiben wollen. Sie sollte mit ihm reden, ihm sagen, was sie fühlte, ihre Gedanken aussprechen. Er hatte sie beim Essen beobachtet, gesehen, wie schlecht es ihr anscheinend wieder ging, obwohl sie beim Duell doch fast fröhlich und entspannt gewirkt hatte. Was war in der Zwischenzeit nur geschehen?

Um den Liebsten zu schützenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt