60. Kapitel

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"Gotta follow what I'm feeling to discover where it's at"

Ellie's POV

Meine Gedanken sausten zurück zu dem, was ich mich schon immer gefragt hatte. Wo ist mein Zuhause?
Machte ich gerade einen riesigen Fehler? Sollte ich gerade eben nicht im Flugzeug, sondern auf der hölzernen Terrasse meiner Großeltern sitzen? Weil genau dort mein Zuhause war?
Ich fühlte mich völlig zerrissen zwischen den Fronten. Zum einen wollte ich mit meiner Familie und vor allem Luis zusammen sein, in dem gemütlichen Familienhaus im traumhaften Bernal. Doch andererseits wollte ich weiter mit den Jungs touren. Die Welt sehen, sie an den verschiedensten Orten auf der Bühne singen hören und es wieder voll und ganz genießen, sie dort so glücklich zu sehen. Und Maddy! Die rothaarige Stylistin hatte mir in den letzten Tagen auch schrecklich gefehlt. Ich brauchte dringend einen Rat von meinem Onkel.

"Alex?", flüsterte ich dann, da die meisten Passagiere schliefen und ich nicht daran schuld sein wollte, wenn sie schlecht gelaunt aufwachten. Er drehte seinen Kopf sofort etwas erschrocken zu mir, als würde er fürchten, er hätte gerade laut gedacht und ich hätte all seine Gedanken mithören können. Um ihn zu beruhigen redete ich nicht lang um den heißen Brei herum und fragte ihn: "Wo ist dein Zuhause?"
Er wirkte etwas überrascht und überlegte. Dann antwortete er mir mit hochgezogenen Augenbrauen: "Das ist eine gute Frage. Aber wahrscheinlich bei den Jungs auf Tour, in meinem Haus in Los Angeles oder in Mexiko. Warum fragst du?"
"Weil ich mich schon immer gefragt habe, wo mein Zuhause ist.", erwiderte ich nachdenklich und schnaubte belustigt. "Bei meinen Eltern wohl kaum."
"Wahrscheinlich nicht.", lächelte er etwas entschuldigend.
Eine Stille legte sich wieder über uns. Er konnte sich so schnell entscheiden und musste nicht so lange wie ich überlegen. Gut, er wuchs auch nicht im Kinderheim auf und wurde dreimal adoptiert. Sowas wie ein Elternhaus gab es für mich gar nicht.

Doch ich musste dieses Thema einfach weiter vertiefen, auch wenn ich mir dabei teilweise wie ein Kleinkind vorkam. Zu lange habe ich mich mit dieser Frage beschäftigt.
"Alex, was ist Zuhause überhaupt? Woran erkenne ich, dass ich Zuhause bin?", fragte ich ihn dann wieder und hoffte, was er nun erklären würde, könnte mir endlich weiterhelfen.
Er zögerte und überlegte stark, als müsste er sich erstmal eine richtige, stichfeste Antwort zurecht legen, weil mein Blick wahrscheinlich eine große Erwartung deutete. Dann antwortete er mir: "Zuhause ist da, wo du dich einfach wohl fühlst. Wo du dich nicht verstellen musst und ganz du selbst sein kannst. Es ist ein Ort oder ein Mensch. Familie oder Freunde. Aber egal, wo oder bei wem es ist, du hast automatisch das Gefühl von Zuhause."
Ich seufzte. Das half mir irgendwie nicht weiter. "Wie erkenne ich das Gefühl?"
Er zog eine Augenbraue hoch und an seinem Gesichtsausdruck sah ich, wie er angestrengt nachdachte. Mein Onkel suchte nach der perfekten Erklärung, stieß dann aber etwas verzweifelt Luft aus. "Das kann ich dir nicht genau beantworten. Man... man spürt es halt einfach."
"Ich liebe es in Mexiko und dort ist meine Familie. Heißt es dann, dass ich eigentlich dorthin gehöre und ich nicht wieder auf Tour gehen sollte?"
"Nur weil du denkst, dass dort dein Zuhause ist, heißt das nicht, dass du nicht mit den Jungs auf Tour gehen kannst. Du kannst dich ja auch in unserer Tour-Crew Zuhause fühlen." Er pausierte kurz und versuchte, meinen verwirrten Gesichtsausdruck zu deuten. Dann lächelte er. "Das ist es ja gerade, oder?"
"Was?", ertappt drehte ich meinen Kopf ruckartig wieder zu ihm.
"Du kannst dich nicht zwischen Mexiko und den Jungs entscheiden, aber willst es unbedingt, weil du nichts vermissen willst."
Ich nickte niedergeschlagen. Er hatte ja so recht. Zu lange hatte ich Noah vermissen müssen und schließlich hatte er mich im Stich gelassen. Zu lange hatte ich mich nach meinen Eltern gesehnt und kaum stand ich vor ihnen, wiesen sie mich ab. Wenn ich jemanden vermisste, der nicht bei mir sein kann, schlich sich bei mir sofort die Angst ein, er könnte mir abhanden gehen. Mich zurücklassen. Und dann wäre ich wieder am Boden zerstört.
"Ellie", lächelte mich mein Onkel liebevoll an. "Vermissen gehört dazu. Das ist der Nachteil, wenn man sich an mehreren Orten wohl fühlt."
"Aber ich will nichts vermissen. Ich will beides am selben Ort.", klagte ich und meine Stimme hörte sich etwas jammernd an.
"Das geht aber nicht.", lachte mein Onkel etwas. "Und jetzt denke mal genau nach, Ellie. Wo ist dein Zuhause?"
Und ich tat, was er sagte. Ich überlegte und musste gegen meinen Willen Grinsen bei den Gesichtern, die sich vor mein inneres Auge schlichen.
"Da gibt es ziemlich viele.", antwortete ich schließlich lächelnd. "Zum einen in Mexiko bei dem Rest meiner Familie."
Verträumt sah ich vor mich und erinnerte mich an die verschiedenen Momente dort. Die würzigen und frischen Düfte. Die wunderbaren Menschen. Die schöne Umgebung Bernals.
"Aber auch bei dir.", fuhr ich fort und tippte ihn an der Schulter an, woraufhin er zu grinsen begann.
"Eigentlich habe ich das nie für möglich gehalten, doch irgendwie auch im Kinderheim. Bei Lily und Sarah. Die Zwei vermisse ich schon sehr."
Ich erinnerte mich zurück an den Tag, an dem ich Lily dort alleine zurück gelassen hatte. Als ich von Alex Adoption erfuhr und wie glücklich Sarah für mich gewesen war. Ich ließ die fröhlichen Szenen in meinem Kopf ablaufen. Als ich und Lily zusammen gespielt und gemalt hatten. Oder als wir Sarah's Make-up stibitzt hatten und Noah damit vollgeschmiert hatten. Als ich mit Sarah zusammen gebacken hatte oder sie mir einfach erneut zuhörte, wenn ich wieder über Sophie reden musste, weil es mich fast umbrachte zu wissen, sie könnte vielleicht in Vergessenheit geraten. Ich erinnerte mich an die anderen Adoptionen. Wie das nette Pärchen mich in ihr Auto setzte und ich verängstigt, aber nicht zum letzten Mal auf die hellgrüne Fassade des Kinderheimes starrte, da der Mann sich zuletzt als völliger Psychopath herausstellte. Wie Dario die Chefin des Kinderheimes charmant anlächelte und ihr versicherte, dass ich bei ihm ein wunderbares Zuhause finden würde. Dass ich glücklich werden würde. Ab diesem Zeitpunkt hatte sich die Frage auch bei mir festgesetzt, denn bei Dario war mein Zuhause auf gar keinen Fall. Und auch das zweite Mal, als mich einer seiner Angestellten erneut abholte und weder Sarah, noch ich wissen konnten, wie es diesmal ausgehen würde.
"Sophie war auch mein Zuhause und wird es immer sein, egal wo sie gerade ist.", setzte ich fort und das Bild des helllockigen Mädchens mit dem mutigen Herzen und dem strahlendsten Lächeln bahnte sich einen Weg vor mein inneres Auge. Wie sie mir so gut es eben ging meine Wunden verarztete. Wie sie mir Mut zusprach. Wie sie versuchte, mich aufzuheitern und mir aufzuhelfen, wenn ich am Boden der Tatsachen lag. Ich würde sie niemals vergessen und ihr für immer dankbar sein. Hoffentlich würden wir uns einmal wiedersehen.
"Und bei den Jungs und Maddy.", beendete ich und lächelte plötzlich, so glücklich wie nie. Die Band war nun irgendwie ein Teil von mir geworden und Maddy meine beste Freundin. Ich konnte es auf einmal kaum erwarten, sie wiederzusehen.
Er lächelte liebevoll. "Siehst du? So schnell geht das."
"Danke Alex"
"Wofür?"
"Für alles."

Ende erster Teil

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Hii!

Mit diesem Kapitel möchte ich "HOME - wherever that is" beenden.
Es wird eine Fortsetzung geben! Schaut jetzt dann im Anschluss auf mein Profil. Dort solltet ihr die Story "HOME is where you are" finden und das erste Kapitel könnt ihr sofort lesen. Viel Spaß!

Ich möchte absolut allen danken, die diese Story gelesen haben und Spaß an ihr hatten! Danke an alle, die gevotet haben! Danke an alle, die ein Kommentar da gelassen haben!
Ich habe jetzt schon über ein Jahr an dieser Story geschrieben und wollte anfangs sogar abbrechen und nicht mehr weitermachen wegen einem großen Tief, deswegen kamen damals auch nur spärlich Updates. Als dann aber Leute angefangen haben zu kommentieren fühlte ich mich automatisch motivierter und schrieb weiter. Ein großes Danke an diese Reader! Ich hätte es sehr bereut, nicht weitergeschrieben zu haben. Ich habe auch so viel liebes Feedback bekommen, für das ich mich nochmals bedanken will.❤️
Das bedeutet mir alles sehr sehr viel und ich freue mich wirklich total, dass meine Geschichte gut angekommen ist. Ich hatte ein bisschen Angst, die Story zu beenden, jedoch finde ich es ganz passend, da wir ja jetzt die Zeit in Mexiko sowie Asien hinter uns lassen. Im neuen Teil befinden wir uns also vor allem auf der Europa Tour und anfangs noch in Australien. Ich hoffe, ihr seid bei der Fortsetzung auch am Start.❤️
Für weiteres Feedback und Kritik bin ich wie immer offen und werde sie mir zu Herzen nehmen, schreibt mir einfach!
Ansonsten freue ich mich schon darauf, euch bei der Fortsetzung wiederzusehen. Bis dann!

Eure Emma

HOME - wherever that isWo Geschichten leben. Entdecke jetzt