»34« Was man nicht wahrhaben will

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K A T R I N A

Es geht sehr früh los.

Leroy weckt mich, da geht die Sonne gerade erst auf.

„Wir haben einen langen Weg vor uns", sagte er, als ich ihn fragte, wieso wir denn so früh losmüssen. Darauf hatte ich nichts mehr erwidert, woraufhin er mir zunächst die Naht mit einer beruhigenden Salbe eincremte, mir ein frisches Pflaster aufklebte und mir dabei half, mich anzuziehen, womit ich wirklich lange gerungen habe, doch mit Leroy kann man sich einfach nicht anlegen.

Er gewinnt immer.

Und nun stehe ich hier draußen vor dem Auto, eine flauschige Decke auf meinen Schultern tragend, und warte darauf, dass er runterkommt. Zwar hatte er darauf bestanden, dass ich im Zimmer warte, bis er mich holen kommt, weil er noch Danny wecken und anziehen müsse, doch das habe ich ignoriert, als ich merkte, dass ich auch allein aufstehen kann. Wenn auch ein wenig unter Schmerzen.

Rauchwolken bilden sich vor meinem Mund, als ich zittrig ausatme. Es ist so kalt, dass selbst das Gras eingefroren ist und nasse Nebelschwaden dicht über den Erdboden entlang ziehen. Mein Blick fällt auf die weit in die Höhe ragenden Tore, die mir durch den Nebel zuzwinkern, wie als würden sie mich locken wollen, doch ich weiß, dass es mir nichts bringt, diesem Verlangen nachzugehen, wo es doch schließlich kein Entkommen gibt.

„Ich habe dir befohlen, in deinem Zimmer zu bleiben", vernehme ich Leroy's angenehmen Bariton nahe meines Ohres, der mich leicht zusammenzucken lässt. Ich ziehe die Schultern ein und halte mich strengstens davon ab, ihm in die Augen zu sehen, während er an mir vorbei läuft und Danny ins Auto packt.

„Ich wollte ein wenig an der frischen Luft bleiben, ehe es dann für fast zehn Stunden ins Auto geht", gestehe ich und sehe auf die Baumkronen, die hinter den Toren in den Himmel ragen, bis er den Blick von mir wieder abwendet. Dann erst wage ich einen Blick in seine Richtung. Er macht die Rückbank so gemütlich wie nur möglich für Danny, damit dieser darin weiterschlafen kann. Ich lächle ihm leicht zu, als er mich müde anblinzelt, was er sodann erwidert.

Als Leroy sich jedoch aufrichtet und sachte die Autotür zuschlägt, wo Danny gleich die Stirn an das Fenster lehnt und die Augen schließt, sehe ich wieder weg. Mein Blick richtet sich diesmal auf meine Decke, während er mir langsam näher kommt.

„Du wurdest gestern angeschossen, obwohl ich in deiner Nähe war und da wagst du es dennoch vollkommen allein das Haus zu verlassen?"

Schluckend und mit dem Wissen, dass ich ihn verärgert habe, hebe ich langsam den Kopf und sehe ihm in die Augen.

„Ich wusste nicht, dass es gefährlich für mich ist, das Haus zu verlassen", gestehe ich leise und es ist die Wahrheit. Daran habe ich keine Sekunde lang gedacht, stelle ich schaudernd fest, was Leroy genau zu sehen scheint. Er beißt bloß stark die Zähne zusammen, dass seine Unterkiefer scharf herausstechen, ehe er mich verwirrend sanft am Arm packt und mich zum Auto führt, wo er mir die Tür öffnet. Wortlos steige ich auf der Beifahrerseite ein und schnalle mich gleich ein. Gerade möchte ich mich bei ihm bedanken, da bleiben mir die Worte im Halse stecken, als ich Kelly zum Auto laufen sehe.

Sie kommt also mit.

Wütend darüber wende ich den Blick ab, wobei Leroy nur die Tür zu macht, ohne etwas von meinen Gefühlen mitzubekommen. Wieso zum Teufel muss sie mitkommen? Es ist alles ihre Schuld! Ihre Schuld ist es, dass ich gestern angeschossen wurde. Sie hat so unglaublich dreist gelogen, dass ich noch jetzt darüber staune und fassungslos bin.

Und ich kann nicht fassen, dass Leroy sie mitnimmt.

Was hast du gedacht, Rina? Dass er seinen Gast wegschickt, oder ihr nicht glauben würde, wo sie doch gestern in Tränen ausgebrochen ist?

Belleza del SilencioWo Geschichten leben. Entdecke jetzt