K A T R I N A
Leroy ist nicht gekommen.
Wir hatten bereits acht Uhr und ich habe mich hergerichtet, wie er gewünscht hat, doch er ist nicht da. Einige Sekunden lang starre ich mein Spiegelbild an und muss sodann seufzen. Das war also der Witz, auf den ich gewartet habe, als er noch vor mir gestanden hat. Wahrscheinlich lacht er sich nun ins Fäustchen, weil er es doch noch geschafft hat, mich bloßzustellen.
Ich presse die Lippen zu einer geraden Linie zusammen und schüttle den Kopf, ehe ich die dünne Weste, die ich zu der schwarzen engen Hose und der dunkelgrünen Spitzenbluse angezogen habe, wieder ausziehe, doch genau in dem Moment öffnet sich die Zimmertür und Leroy kommt herein.
Seine Hände voll getrocknetem Blut.
Wie erstarrt öffne ich die Lippen, um etwas zu sagen, doch ich bekomme keinen Ton heraus.
„Ich bin gleich fertig, dann können wir los." Mit diesen wenigen Worten geht er an mir vorbei und verschwindet ins Bad, während ich nur weiterhin auf den Punkt starren kann, auf den er gerade gestanden hat. Wow. Ich bin mir sicher, dass nur wenige Frauen behaupten können, dass ihre Männer nach einigen Morden noch mit ihnen romantisch Essen gehen.
Seufzend schüttle ich den Kopf und setze mich auf das gemachte Bett. Wo er wohl gewesen ist? Hat er die Person, die er scheinbar blutig geschlagen hat, umgebracht? Und wenn ja, wie zum Teufel soll ich dann mit so jemanden nun ganz entspannt Essen gehen? Ihm in Augen sehen und wissen, dass das die Augen sind, in die eine lebendige Seele zuletzt noch blickte. Zittrig atme ich aus und spüre nach lange Zeit wieder das Gefühl von Angst. Irgendetwas in mir behauptet, dass er mir nicht auf solch eine furchtbare Weise weh tun würde und doch ist da noch die Unsicherheit, die dem nicht traut.
Denn in Wahrheit weiß ich, wozu Leroy Kingston in der Lage ist.
„So, wir können."
Leise schreie ich auf und zucke heftig zusammen, als seine Stimme plötzlich meine Gedanken barsch unterbricht. Wie automatisch habe ich den Kopf zu ihm gedreht und weite die Augen, während er bloß mokant die Augenbrauen hebt.
„Stimmt etwas nicht, Chica?", fragt er dünkelhaft und krempelt manierlich die Ärmel seines schwarzen Kaschmirpullovers runter. Ich versuche meinen Atem zu regulieren, schließe den Mund und schüttle langsam den Kopf.
„Es geht mir gut", behaupte ich, wende den Blick ab und stehe langsam auf. Meine Beine zittern und ich hasse Leroy dafür, dass er mit blutigen Händen hier rein kam. Wieso kann er seine Arbeit nicht vor mir verstecken? Das Wissen, was er tut, macht mich schier verrückt!
„Dann können wir ja jetzt gehen."
Ich blinzle, presse die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und nicke, ehe ich ihm aus der Tür folge.
Wir laufen an der Küche vorbei, wo William, Olga, Alex, Diego, Franca und Kelly bereits am Esstisch sitzen.
„Habt einen schönen Abend", ruft uns Alex hinterher und wirft den Kopf zurück, um uns anzulächeln, was ich so gut wie nur möglich erwidere. Wir werden etwas langsamer.
„Gracias", erwidert Leroy und hebt die Hand, da springt mir Kelly ins Auge, die verwirrt die Augenbrauen zusammenzieht.
„Wohin geht ihr denn?", fragt sie und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Sie essen heute draußen", erklärt Olga ihr und kommt Leroy zuvor. Kelly's Blick wird eisig.
„Aber ich habe heute für uns gekocht!" Kelly presst die Lippen zusammen, als sie merkt, dass sie ein wenig laut wurde und dabei verdammt wütend geklungen hat. Verwundert sehen wir sie alle an. Als ihr das auffällt, erbleicht sie und lächelt plötzlich. „Naja, halb so wild, ihr braucht auch mal einen Abend für euch. Dann viel Spaß", fügt sie ihren Worten hastig hinzu, woraufhin uns alle wieder anlächeln. Kelly sieht mir lange in die Augen, in denen eine Botschaft zu liegen scheint.
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Belleza del Silencio
Mystery / Thriller[Band I] Leroy Kingston. Er ist gefährlich. Er ist skrupellos und er lechzt nach Rache. Als Mafiaboss ist er es gewohnt, Leben einfach auszuschalten, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Wieso nur klappte es bei Katrina nicht? War es die Angst i...