»3« Leroy Kingston

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K A T R I N A

Eine ganze Stunde später sitzen Tara und ich auf der Polizeiwache. Und wir packen aus, mit allem was wir wissen und mit dem Wissen, dass keines unserer Worte diesen Raum verlassen wird.

„Also kam Charles Richards um kurz vor Mitternacht, blutverschmiert und mit einer Schusswunde am linken Bein in Ihr Haus. Und nachdem Sie zwei ihm geholfen haben, ist er wieder gegangen?", fragt die Polizistin, namens Mia Bennett, uns ein weiteres Mal. Ihr Äußeres wirkt leicht untersetzt und ein wenig hager. Die Haut scheint blass und im Bereich der Nase, Wangen und Schläfen leicht gerötet. Das Gesicht ist kantig und spitzzulaufend, wodurch es markant und fest wirkt. Das Haupthaar wird durch einen festen Dutt bestimmt, der durch die hohe Stirn mit leichten Geheimratsecken begrenzt ist und sie viel älter erscheinen lässt, als sie wahrscheinlich in Wahrheit ist. Die Augenbrauen sind dezent geschminkt, heben sich recht oft in die Höhe und rahmen ein dunkelblaues Augenpaar, dass uns zu oft nieder starrt. Doch das haben Polizisten irgendwie in sich. Wahrscheinlich meint sie das gar nicht so.

„Genau, aber er hatte keine Schusswunde am Bein. U-Und es fiel bloß ein Schuss, der ihn ja am Kopf traf", erwidere ich nickend. Nun bin ich am Ende mit meinen Nerven. Ich habe noch nie einen toten Menschen gesehen und Charles hatte noch dazu keinen normalen Tod.

Es war erschreckend und grausam.

Die Polizistin macht sich still Notizen. Diese Stille macht mich nervös. Ein leises Uhrticken ertönt. Zunächst ist es ganz langsam, fein und beruhigend, doch wird es immer schneller, immer lauter in meinen Ohren, setzt mich in Aufruhr bis ich nur noch keuchen kann. Eine Hand berührt mich leicht am Oberschenkel, als meine Augen apathisch an einer Stelle des Mahagoni farbigen Schreibtischs stehen bleiben, innerlich versuchend mich zu beruhigen. Ich zucke zusammen. Tara hat meine Unruhe, die mich plötzlich komplett aus der Bahn werfen will, bemerkt und sieht mir nun in die Augen.

„Wir sind gleich weg. Alles okay", versucht sie mich zu begütigen und ringt sich ein kleines Lächeln ab, dass kaum einem Zucken der Mundwinkel ähnelt, doch ich schätze ihre Mühe dennoch wert. Nickend puste ich leise die Luft aus den Wangen und sehe wieder zu der Polizistin, die nun fertig zu sein scheint. Erwartungsvoll sehen wir sie an.

„Wir sind fertig. Sie dürfen jetzt nach Hause gehen und sollten sich vielleicht zurücklehnen. So etwas zu verdauen ist gar nicht so einfach. Wir melden uns, falls wir noch etwas benötigen, hoffen allerdings, dass wir Sie nicht mehr belästigen brauchen", sagt die Polizistin, schenkt uns einen ernsten Blick, schreibt sich noch etwas auf und erhebt sich sodann, ehe sie uns bis zur Empfangshalle begleitet.

„Einen schönen Abend noch", verabschiedet sie sich.

Klar, einen schönen Abend. Den werden wir sicher haben...

Dennoch wünschen wir ihr - rein aus Höflichkeit - ebenso einen schönen Abend, obwohl mir kaum noch danach ist irgendetwas zu sagen.

„Ich komme immer noch nicht darauf klar, was heute geschehen ist", bricht Tara die Stille. Ich bringe nur ein zustimmendes Murmeln zur Stande. Ich seufze. Es sind schon zwei Stunden nach Mitternacht vergangen und inzwischen bin ich hundemüde. Meine Augen brennen vom Weinen und mein Kopf schmerzt mir.

„Tut mir leid, dass ich heute nicht bei dir bleiben kann. Ich weiß, du magst es nicht alleine zu sein", beginnt Tara, doch ich unterbreche sie.

„Nein, ist schon gut. Es ist wirklich okay. Kian braucht dich zuhause", spreche ich beruhigend auf sie ein und ringe mir ein Lächeln ab. Ihre Mutter ist noch bis spät arbeiten und ihr Bruder allein. Gerade ihn sollte man wirklich nicht allein lassen.

„Also gut, wir sehen uns dann. Gute Nacht."

„Gute Nacht", erwidere ich und ziehe sie in meine Arme, drücke sie fest an mich.

Belleza del SilencioWo Geschichten leben. Entdecke jetzt